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[AZA 7] 
I 710/00 Vr 
 
I. Kammer 
 
Präsident Lustenberger, Bundesrichter Schön, Meyer, Bundesrichterin 
Leuzinger und Bundesrichter Ferrari; Gerichtsschreiber 
Hadorn 
 
Urteil vom 5. November 2001 
 
in Sachen 
P.________, 1949, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Andreas Hebeisen, Löwenstrasse 12, 8280 Kreuzlingen, 
 
gegen 
IV-Stelle des Kantons Thurgau, St. Gallerstrasse 13, 8500 Frauenfeld, Beschwerdegegnerin, 
 
und 
AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau, Weinfelden 
 
A.- Mit Verfügung vom 16. Januar 1995 lehnte die IV-Stelle des Kantons Thurgau das Gesuch von P.________ (geb. 1949) um berufliche Eingliederungsmassnahmen ab. Die dagegen erhobene Beschwerde hiess die AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau mit Entscheid vom 14. Mai 1996 in dem Sinne gut, dass sie die Sache zur Gewährung beruflicher Eingliederungsmassnahmen an die IV-Stelle zurückwies. In der Folge begann P.________ eine erste Umschulung, welche sie vorzeitig abbrach. Mit Verfügung vom 9. Juni 2000 übernahm die IV-Stelle eine zweite Umschulung für den Bürobereich vom 25. April 2000 bis 31. Januar 2002. 
Mit Verfügung vom 17. März 2000 hatte die IV-Stelle einen Anspruch auf Wartetaggeld verneint, und P.________ mit einer weiteren Verfügung vom 20. April 2000 eine ganze Invalidenrente für die Zeit vom 1. Dezember 1998 bis 
31. Dezember 1999 zugesprochen. 
 
B.- P.________ erhob gegen die beiden zuletzt genannten Verfügungen Beschwerde. Mit Entscheid vom 31. Oktober 2000 sprach die AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau P.________ Wartetaggelder im Sinne der Erwägungen zu. Im Rentenpunkt hiess die Rekurskommission die Beschwerde insoweit gut, als sie P.________ eine ganze Rente vom 1. Dezember 1997 bis 31. Dezember 1999 zusprach. 
 
C.- P.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und beantragen, es sei ihr auch vom 1. Januar bis 
31. Dezember 1996 ein Wartetaggeld zuzusprechen. Eventuell sie die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
 
Die IV-Stelle äussert sich zum Fall, ohne einen Antrag zu stellen. Das Bundesamt für Sozialversicherung lässt sich nicht vernehmen. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- Die kantonale Rekurskommission hat die gesetzlichen Vorschriften zum Taggeld in der Invalidenversicherung (Art. 22 Abs. 1 und 3 IVG; Art. 18 Abs. 1 und 2 IVV), die Koordinationsregel bei gleichzeitigem Bezug von Arbeitslosenentschädigung (Art. 19 Abs. 2 IVV) sowie die dazu ergangene Rechtsprechung (AHI 1998 S. 60) richtig dargelegt, worauf verwiesen wird. 
2.- Streitig und zu prüfen ist nur noch der Anspruch auf Wartetaggelder für das Jahr 1996. Diesen überprüft das Eidgenössische Versicherungsgericht mit voller Kognition, wobei es über die Begehren der Parteien zu deren Gunsten oder Ungunsten hinausgehen kann (Art. 132 OG). 
 
a) Die Vorinstanz lehnte die Gewährung dieser Taggelder mit der Begründung ab, die Beschwerdeführerin sei während des Jahres 1996 bei der Arbeitslosenversicherung angemeldet gewesen, habe sich für eine Vollzeitstelle zur Verfügung gehalten und in entsprechendem Umfang Arbeitslosenentschädigung bezogen. Solange diese Leistungen ausgerichtet würden, bestehe rechtsprechungsgemäss nicht gleichzeitig auch Anspruch auf Wartetaggelder der Invalidenversicherung. 
 
Demgegenüber lässt die Beschwerdeführerin geltend machen, sie sei im Dezember 1995 bei der Arbeitslosenversicherung ausgesteuert worden, da sie den Höchstanspruch an Taggeldern in der Rahmenfrist ausgeschöpft habe. In der Folge seien ihr nur noch Taggelder der Arbeitslosenfürsorge gewährt worden, welche ihr Existenzminimum bei weitem nicht gedeckt hätten, und auch dies nur bis Mai 1996. 
 
b) aa) Versicherte, denen ein volles Taggeld der Arbeitslosenversicherung zusteht, haben zwar keinen Anspruch auf das Taggeld der Invalidenversicherung für die Wartezeit (AHI 1998 S. 61 Erw. 2). Aus den Akten ergibt sich jedoch, dass die Beschwerdeführerin im Jahr 1996 kein Taggeld der Arbeitslosenversicherung bezogen hat. Vielmehr hat sie gemäss Abrechnung der Arbeitslosenkasse des Kantons Thurgau vom 16. Januar 1996 für den Monat Dezember 1995 den Höchstanspruch von 170 Taggeldern in der vom 17. Februar 1995 bis 
16. Februar 1997 dauernden Rahmenfrist für den Leistungsbezug im Dezember 1995 ausgeschöpft und in diesem Monat nur noch vier Taggelder erhalten. Von Januar bis Juni 1996 bezog sie wohl noch 90 im Vergleich zur Arbeitslosenentschädigung betragsmässig niedrigere Taggelder. Diese wurden ihr gemäss Abrechnungen aber nicht von der Arbeitslosenkasse, sondern von der Arbeitslosenfürsorge Thurgau ausbezahlt. 
Solche Taggelder beruhen auf kantonalem Recht (vgl. dazu Gerhards, Grundriss des neuen Arbeitslosenversicherungsrechts, 1996, S. 8, Einführung N 15). Damit im Einklang stehen die Angaben im Individuellen Konto der Beschwerdeführerin: 
Demnach hat die Versicherte 1995 Arbeitslosenentschädigung bezogen, während ihr für das Jahr 1996 lediglich der Minimalbeitrag gutgeschrieben wurde. Dies bedeutet nichts anderes, als dass sie 1996 keine Arbeitslosenentschädigungen erhalten hat, von welchen Sozialversicherungsbeiträge abzuziehen gewesen wären. 
 
bb) Die Auszahlung der Wartetaggelder für die hier streitige Zeitspanne wurde der Beschwerdeführerin einzig aus koordinationsrechtlichen Gründen versagt. Die erwähnte Rechtsprechung zur Koordination von für die selbe Periode bestimmten Taggeldern bezieht sich indessen nur auf Invalidenversicherung und Arbeitslosenversicherung und hat in Art. 19 Abs. 2 IVV ihre gesetzliche Grundlage. Vorliegend aber geht es um eine Koordination zwischen der Invalidenversicherung und auf kantonalem Recht beruhenden Leistungen an Arbeitslose. Da auch im Koordinationsrecht das Gesetzmässigkeitsprinzip gilt, käme eine Kürzung oder Verweigerung von IV-Taggeldern bei zeitgleichem Zusammentreffen mit kantonalen Leistungen nur in Betracht, wenn dies in einer entsprechenden bundesrechtlichen Koordinationsregel vorgesehen wäre. Dem ist jedoch nicht so: Es existiert keine gesetzliche Grundlage, einen nach den materiellen bundesrechtlichen Vorschriften gegebenen Wartetaggeldanspruch deswegen abzulehnen, weil kantonale Arbeitslosenentschädigungen bezogen werden. Damit ist auch die Rechtsprechung gemäss AHI 1998 S. 61 Erw. 2 vorliegend nicht anwendbar. 
Vielmehr hätten der Versicherten nach dem Bezug der Höchstzahl von 170 Arbeitslosentaggeldern wieder Wartetaggelder der Invalidenversicherung ausgerichtet werden müssen. 
c) Die Vorinstanz hat der Beschwerdeführerin bereits IV-Taggelder ab 21. August 1993 (4 Monate nach Eingang der Anmeldung zum Leistungsbezug vom 21. April 1993) bis 
31. Januar 1995 (Beginn des Bezugs von Arbeitslosentaggeldern) sowie erneut ab Januar 1997 (Ablauf der Rahmenfrist für den Leistungsbezug der Arbeitslosentaggelder) zugesprochen. 
Nach dem Gesagten hat die Versicherte zusätzlich anschliessend an das Datum des letzten ihr ausbezahlten Arbeitslosentaggeldes im Dezember 1995 bis zur vorinstanzlich angeordneten Wiederaufnahme der Taggeldzahlungen im Januar 1997 Anspruch auf Wartetaggelder. Die IV-Stelle wird diese Taggelder berechnen. 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
I.In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden 
Dispositiv-Ziffer 1 des Entscheides der AHV/IV- Rekurskommission des Kantons Thurgau vom 31. Oktober 
2000 und die Verfügung vom 17. März 2000 aufgehoben, 
 
und die Sache wird an die IV-Stelle des Kantons Thurgau 
zurückgewiesen, damit sie im Sinne der Erwägungen 
verfahre. 
 
II.Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
III. Die IV-Stelle des Kantons Thurgau hat der Beschwerdeführerin für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von 
 
 
Fr. 2500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen. 
 
IV.Die AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau wird über eine Neufestsetzung der Parteientschädigung für das kantonale Verfahren entsprechend dem Ausgang des 
 
 
letztinstanzlichen Prozesses zu befinden haben. 
 
V.Dieses Urteil wird den Parteien, der AHV/IV-Rekurskommission 
des Kantons Thurgau, der Ausgleichskasse 
des Kantons Thurgau und dem Bundesamt für Sozialversicherung 
zugestellt. 
Luzern, 5. November 2001 
 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der I. Kammer: 
 
Der Gerichtsschreiber: