Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
I 312/02 
 
Urteil vom 5. Dezember 2003 
IV. Kammer 
 
Besetzung 
Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Ferrari; Gerichtsschreiber Hochuli 
 
Parteien 
IV-Stelle des Kantons Aargau, Kyburgerstrasse 15, 5001 Aarau, Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
CSS Versicherung, Rösslimattstrasse 40, 6005 Luzern, Beschwerdegegnerin, 
 
betreffend A.________, 1953, 
 
Vorinstanz 
Versicherungsgericht des Kantons Aargau, Aarau 
 
(Entscheid vom 19. März 2002) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Der 1953 geborene, als Mechaniker für die Firma B.________ AG, Verpackungsmaschinen, (nachfolgend: Arbeitgeberin) arbeitende A.________ litt unter beidseitigem grauem Star. Am 11. September 2000 meldete er sich deshalb bei der IV-Stelle des Kantons Aargau (nachfolgend: IV-Stelle oder Beschwerdeführerin) zum Leistungsbezug an. Diese übernahm die Kataraktoperation vom 28. November 2000 an dem vom grauen Star stärker betroffenen rechten Auge einschliesslich Nachbehandlung als medizinische Eingliederungsmassnahme und lehnte gleichzeitig die Übernahme desselben Eingriffs am linken Auge vom 13. März 2001 ab, weil der Versicherte an diesem Auge vor Durchführung der Staroperation über einen ausreichenden korrigierten Visus von 0,6 bis 0,7 verfügt habe und für die Ausübung seiner Erwerbstätigkeit nicht auf Binokularsehen angewiesen sei (Verfügung vom 3. Juli 2001). 
B. 
Die hiegegen erhobene Beschwerde der CSS Versicherung (nachfolgend: CSS oder Beschwerdegegnerin; obligatorische Krankenpflegeversicherung des A.________) hiess das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 19. März 2002 gut, hob die angefochtene Verwaltungsverfügung, soweit das linke Auge betreffend, auf und bejahte den Anspruch des Versicherten auf Übernahme auch der linksseitigen Kataraktoperation durch die Invalidenversicherung. 
C. 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die IV-Stelle die Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheids. 
 
Während das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) auf Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, trägt die CSS auf Abweisung derselben. A.________ verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen über den Invaliditätsbegriff (Art. 4 Abs. 1 IVG), die Voraussetzungen des Anspruchs auf Eingliederungsmassnahmen im Allgemeinen (Art. 8 Abs. 1 IVG) und den Anspruch auf medizinische Massnahmen im Besonderen (Art. 12 Abs. 1 IVG) zutreffend dargelegt. Richtig sind auch die Ausführungen dazu, dass Art. 12 IVG namentlich die gegenseitige Abgrenzung der Aufgabenbereiche der Invalidenversicherung einerseits sowie der Kranken- und Unfallversicherung andererseits bezweckt (BGE 104 V 81 Erw. 1 mit Hinweis), dass die Übernahme der Staroperation als medizinische Eingliederungsmassnahme im Sinne von Art. 12 Abs. 1 IVG grundsätzlich in Frage kommt (AHI 2000 S. 299 Erw. 2a mit Hinweisen), dass aber eine Kataraktoperation an einem Auge bei erhaltener Sehfähigkeit des anderen Auges nur dann von der Invalidenversicherung übernommen werden kann, wenn der Defekt die versicherte Person dermassen in der Ausübung ihrer Erwerbstätigkeit behindert, dass ohne Durchführung des Eingriffs die Erwerbsfähigkeit wesentlich beeinträchtigt wäre (AHI 2000 S. 296 f. Erw. 4b). Darauf wird verwiesen. 
1.2 Anzufügen bleibt, dass am 1. Januar 2003 das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 in Kraft getreten ist. Mit ihm sind zahlreiche Bestimmungen im Invalidenversicherungsbereich geändert worden. Weil in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich diejenigen Rechtssätze massgebend sind, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes Geltung haben (BGE 127 V 467 Erw. 1), und weil ferner das Sozialversicherungsgericht bei der Beurteilung eines Falles grundsätzlich auf den bis zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verfügung (hier: vom 3. Juli 2001) eingetretenen Sachverhalt abstellt (BGE 121 V 366 Erw. 1b), sind im vorliegenden Fall die bis zum 31. Dezember 2002 geltenden Bestimmungen anwendbar. 
2. 
Soweit die IV-Stelle mit Verfügung vom 3. Juli 2001 die Staroperation am rechten Auge einschliesslich Nachbehandlung als medizinische Eingliederungsmassnahme übernahm, blieb die Verwaltungsverfügung zu Recht unangefochten. Strittig ist hingegen, ob derselbe Eingriff auch am linken Auge von der Invalidenversicherung zu übernehmen ist. 
3. 
Fest steht, dass bei A.________ keine erheblichen krankhaften Nebenbefunde vorhanden sind, welche die Dauerhaftigkeit und Wesentlichkeit des Eingliederungserfolgs in Frage zu stellen vermögen (BGE 101 V 47 f. Erw. 1b, 97 f. Erw. 2b, 103 Erw. 3; AHI 2000 S. 299 Erw. 2b mit Hinweisen). Unbestritten ist ferner, dass das Alter des Versicherten - er befand sich im massgebenden Zeitpunkt des Verfügungserlasses (3. Juli 2001) in seinem 49. Lebensjahr - der Übernahme der Staroperation vom 13. März 2001 durch die Invalidenversicherung unter dem Gesichtspunkt der Dauerhaftigkeit des zu erwartenden Eingliederungserfolges nicht entgegen steht (BGE 101 V 50 Erw. 3b). 
4. 
Das kantonale Gericht stützte sich einerseits auf den Bericht des behandelnden Augenarztes Dr. med. C.________, vom 18. September 2000, wonach in therapeutischer Hinsicht als "einzige Möglichkeit" die "Katarakt-Operation beider Augen" in Frage komme, und andererseits auf die Angaben der Arbeitgeberin, welche ausführte, die Arbeitsleistung des A.________ habe "sich um etwa 1/3 reduziert, seitdem das Augenleiden bemerkt" worden sei. Weiter begründete das Gericht den angefochtenen Entscheid damit, gemäss Handelsregistereintrag ergebe sich aus dem Gesellschaftszweck der Arbeitgeberfirma, dass für den Versicherten "präzises mechanisches Arbeiten unabdingbar" sei. Unter Berücksichtigung der von der CSS in Auftrag gegebenen Erläuterungen des Dr. med. D.________, Chefarzt der Augenklinik am Spitals Z.________, vom 6. September 2001 schloss die Vorinstanz, A.________ sei zur Ausübung seiner Erwerbstätigkeit auf binokulares Sehen angewiesen. Dagegen wendet die IV-Stelle ein, gemäss Bericht des Dr. med. C.________ vom 2. Mai 2001 sei der Versicherte im Anschluss an die von der Invalidenversicherung übernommene Staroperation am rechten Auge und vor Durchführung desselben Eingriffs am linken Auge zwischen 13. Dezember 2000 und 11. März 2001 voll arbeitsfähig gewesen. Daraus sei ersichtlich, dass er trotz verbleibendem grauem Star auf dem linken Auge mit nur einem - nach der Entfernung des grauen Stars rechts - normalsichtigen Auge seine Erwerbstätigkeit ausüben könne. Zudem lasse der handelsregisterrechtlich verzeichnete Gesellschaftszweck der Arbeitgeberfirma keine Schlussfolgerungen auf die konkrete Berufsausübung eines bestimmten Arbeitnehmers in derselben Unternehmung zu. Durch Übernahme der Staroperation rechts habe die Invalidenversicherung den Erhalt der Erwerbsfähigkeit gewährleisten können. 
 
Zu prüfen ist demnach, ob gestützt auf die vorliegenden Akten die Frage nach der Notwendigkeit des Binokularsehens in Bezug auf die konkret ausgeübte Tätigkeit des Versicherten beantwortet werden kann. 
4.1 Das Eidgenössische Versicherungsgericht präzisierte seine Rechtsprechung zur Übernahme der Kataraktoperation am zweiten Auge (vgl. AHI 2000 S. 294) im Urteil D. vom 24. Juli 2003 (I 29/02) dahingehend, dass die Staroperation am zweiten Auge (nach erfolgter Übernahme am ersten Auge) - bei Erfüllung der übrigen Voraussetzungen nach Art. 12 Abs. 1 IVG - nur dann als medizinische Eingliederungsmassnahme durch die Invalidenversicherung zu übernehmen ist, wenn aufgrund detaillierter Ermittlung der Tätigkeiten im Rahmen des ausgeübten Berufes für die visuell anspruchvollste dieser Tätigkeiten die Notwendigkeit des Binokularsehens aus augenärztlicher Sicht bejaht wird. In denjenigen Berufen, in welchen besondere medizinische Mindestanforderungen an die Sehfähigkeit ausdrücklich normiert sind, ist auf diese Visusgrenzwerte abzustellen, so dass sich in erwerblicher Hinsicht eine detaillierte Ermittlung der verschiedenen Tätigkeitsanteile erübrigt. 
4.2 Den Akten ist nicht mit dem im Sozialversicherungsrecht geltenden Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 126 V 360 Erw. 5b, 125 V 195 Erw. 2, je mit Hinweisen) zu entnehmen, welche konkreten Tätigkeiten A.________ im Rahmen seiner Berufsausübung zu verrichten hat. Es finden sich in den gesamten Akten keinerlei Angaben zu den einzelnen, von dem Mechaniker im Rahmen seiner Anstellung bei der Arbeitgeberin zu erfüllenden Aufgaben. Auch wenn der Versicherte gemäss Ausführungen der B.________ AG vom 30. Oktober 2000 vor der ersten Staroperation infolge des Augenleidens angeblich nur noch eine um etwa einen Drittel reduzierte Arbeitsleistung erbringen konnte, wies die Arbeitgeberin für die ersten zehn Monate des Jahres 2000 keine krankheitsbedingten Absenzen (auch nicht mit bloss teilweiser Arbeitsunfähigkeit) aus und benannte keine bestimmten Tätigkeiten, welche er wegen dem grauen Star nicht mehr hätte ausüben können. Unbekannt blieben auch die Arbeitsbedingungen insbesondere in Bezug auf die Grösse der zu bearbeitenden Einzelteile. Unklar ist sodann, ob - und gegebenenfalls in welchem Ausmass - A.________ einzelne Aufgaben mit anderen Mitarbeitern abtauschen kann. Die Verwaltung, an welche die Sache vorweg zu diesem Zweck zurückzuweisen ist, wird deshalb in geeigneter Form - z.B. durch Einholung eines Pflichtenheftes und Befragung der Arbeitgeberin - das Tätigkeitsspektrum des Versicherten abklären. 
4.3 Steht fest, welches die visuell anspruchvollste Tätigkeit des A.________ ist, hat die IV-Stelle gemäss Präzisierungen im Urteil D. vom 24. Juli 2003 (I 29/02) einen fachärztlichen Bericht zur diesbezüglichen Notwendigkeit des Binokularsehens einzuholen, der nicht allein auf die subjektiven Angaben des Versicherten abstellt, sondern vielmehr für die streitigen Belange umfassend ist, auch die geklagten Beschwerden berücksichtigt, in Kenntnis der Vorakten (Anamnese) abgegeben wird und der konkreten medizinischen Situation Rechnung trägt (vgl. dazu BGE 125 V 353 Erw. 3a). Soweit der einseitige Ausfall der Sehfähigkeit durch Angewöhnung an den Verlust des stereoskopischen Sehens zumutbarerweise kompensiert werden kann (vgl. z.B. die viermonatige Wartefrist nach dem Verlust eines Auges in der Führerausweis-Kategorie B gemäss Anhang 1 zur Verordnung vom 27. Oktober 1976 über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr [VZV; SR 741.51]), hat dies der Augenarzt im Einzelfall zu berücksichtigen und dazu Stellung zu nehmen. Zusätzlich wird er die Frage betreffend die Auswirkungen von störenden Blendeffekten beantworten müssen. Erfolgt die augenärztliche Beurteilung dieser Fragen - wie hier - erst nach bereits durchgeführter Operation, sind sie medizinisch prognostisch aufgrund der Verhältnisse vor der fraglichen Operation (AHI 2000 S. 299 Erw. 2b mit Hinweisen) zu beantworten, wobei es zur Aufgabe des Arztes oder der Ärztin gehört, dazu Stellung zu nehmen, in welchem Umfang und bezüglich welcher Tätigkeiten die versicherte Person ohne die am 13. März 2001 durchgeführte Staroperation am linken Auge arbeitsunfähig geworden wäre (vgl. BGE 125 V 261 Erw. 4 mit Hinweisen). 
4.4 Weder der Bericht des Dr. med. C.________ noch die allgemein gehaltenen Ausführungen des Dr. med. D.________ genügen den dargelegten praxisgemässen (Erw. 4.3 hievor) Anforderungen an die medizinische Beurteilung der Notwendigkeit des Binokularsehens. Beide Augenärzte unterliessen es, differenziert zu den erforderlichen Aspekten der Notwendigkeit des Binokularsehens (Erw. 4.3 hievor) Stellung zu nehmen. Insbesondere fehlt es an einer Beantwortung der Frage nach der Angewöhnung und Anpassung an den funktionellen Verlust eines Auges in Bezug auf die behauptete Beeinträchtigung des stereoskopischen Sehens und die angeblich daraus resultierende Erhöhung der Unfallgefahr. 
4.5 Fehlt es an den erforderlichen Grundlagen zur Beantwortung der Frage nach der Notwendigkeit des Binokularsehens in Bezug auf die konkret ausgeübte Tätigkeit des Versicherten (vgl. Erw. 4.2 hievor), sind der angefochtene Entscheid und die Verwaltungsverfügung, soweit das linke Auge betreffend, aufzuheben. Die Sache ist an die IV-Stelle zurückzuweisen, damit diese bei den ergänzenden Abklärungen nach den Erwägungen Ziffer 4.1 bis 4.3 vorgehen und anschliessend über das Leistungsgesuch betreffend die linksseitige Kataraktoperation vom 13. März 2001 neu verfügen wird. 
5. 
Nach Art. 134 OG darf das Eidgenössische Versicherungsgericht im Beschwerdeverfahren über die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen den Parteien in der Regel keine Verfahrenskosten auferlegen. Diese Bestimmung wurde vom Gesetzgeber vor allem im Interesse der Versicherten geschaffen, die mit einem Sozialversicherer im Streit stehen (BGE 126 V 192 Erw. 6). Rechtsprechungsgemäss findet der Grundsatz der Unentgeltlichkeit des Verfahrens vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht keine Anwendung, wenn sich zwei Unfallversicherer (BGE 120 V 494 Erw. 3, 119 V 223 Erw. 4c), eine Krankenkasse und ein Unfallversicherer (BGE 126 V 192 Erw. 6, AHI 1998 S. 110) oder die Invalidenversicherung und der Unfallversicherer (AHI 2000 S. 206 Erw. 2) oder die Krankenkasse und die Invalidenversicherung (Urteil L. vom 28. November 2002, I 92/02) über ihre Leistungspflicht für einen gemeinsamen Versicherten streiten. Folglich hat die CSS als unterliegende Partei die Gerichtskosten zu tragen (Art. 135 in Verbindung mit Art. 156 Abs. 1 und 3 OG). 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne teilweise gutgeheissen, dass der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 19. März 2002 vollständig und die Verwaltungsverfügung vom 3. Juli 2001, soweit das linke Auge betreffend, aufgehoben werden und die Sache an die IV-Stelle des Kantons Aargau zurückgewiesen wird, damit sie, nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen, über das Leistungsgesuch in Bezug auf die am 13. März 2001 durchgeführte Staroperation am linken Auge neu verfüge. 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
3. 
Der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 3'000.- wird der Beschwerdeführerin zurückerstattet. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau, der Ausgleichskasse des Kantons Aargau, dem Bundesamt für Sozialversicherung und A.________ zugestellt. 
 
Luzern, 5. Dezember 2003 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Die Präsidentin der IV. Kammer: Der Gerichtsschreiber: