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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
4D_45/2014  
   
   
 
 
 
Urteil vom 5. Dezember 2014  
 
I. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Klett, Präsidentin, 
Bundesrichterin Niquille, 
nebenamtlicher Bundesrichter Berti, 
Gerichtsschreiber Luczak. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
B.________ AG, 
vertreten durch Rechtsanwalt Fred Hofer, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Täuschungsanfechtung; Zulässigkeit von Noven, 
 
Verfassungsbeschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau, Zivilgericht, 1. Kammer, vom 22. April 2014. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________ (Beklagter und Beschwerdeführer) und dessen Ehefrau schlossen mit der B.________ AG (Klägerin und Beschwerdegegnerin) einen Vertrag über die Erstellung eines Einfamilienhauses. Im Zusammenhang damit machte die Klägerin vor dem Gerichtspräsidium Baden gegenüber dem Beklagten eine Restforderung von Fr. 13'111.65 nebst Zins und Kosten geltend, wobei sie sich eine Erhöhung um Fr. 5'000.-- vorbehielt und im Umfang der Klagegutheissung die Beseitigung des Rechtsvorschlages in der von ihr angestrengten Betreibung beantragte. 
 
B.  
Das Gerichtspräsidium hiess die Klage im Umfang von Fr. 13'111.65 nebst Zins und Kosten gut und beseitigte den Rechtsvorschlag in diesem Umfang. Die dagegen erhobene Berufung schützte das Obergericht des Kantons Aargau teilweise. Es hiess die Klage lediglich im Umfang von Fr. 9'628.05 nebst Zins und reduzierten Kosten gut und hob den Rechtsvorschlag in diesem Umfang auf. 
 
C.  
Mit subsidiärer Verfassungsbeschwerde beantragt der Beklagte dem Bundesgericht im Wesentlichen, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Obergericht zurückzuweisen, beziehungsweise die Klage abzuweisen. Die Beschwerdegegnerin schliesst auf kostenfällige Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei, während das Obergericht auf Vernehmlassung verzichtet. Der Beschwerdeführer hat unaufgefordert eine Replik eingereicht. Die Beschwerdegegnerin hat auf Gegenbemerkungen verzichtet. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Das Bundesgericht beurteilt Verfassungsbeschwerden gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen, soweit keine Beschwerde nach den Artikeln 72-89 zulässig ist (Art. 113 BGG). Diese Voraussetzung ist mit Blick auf die Streitwertgrenze der Beschwerde in Zivilsachen (Art. 74 BGG) gegeben. 
 
1.1. Da die Verfassungsbeschwerde nur gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen offensteht (Art. 113 BGG), ist auf die Beschwerde grundsätzlich nicht einzutreten, soweit der Beschwerdeführer darin den erstinstanzlichen Entscheid kritisiert. Nur im Rahmen der Auseinandersetzung mit dem letztinstanzlichen Entscheid ist die Bezugnahme auf den erstinstanzlichen zulässig.  
 
1.2. Mit der Verfassungsbeschwerde kann nur die Verletzung von verfassungsmässigen Rechten gerügt werden (Art. 116 BGG). Die beschwerdeführende Partei muss angeben, welches verfassungsmässige Recht verletzt wurde, und substanziiert darlegen, worin die Verletzung besteht (BGE 134 V 138 E. 2.1 S. 143; 133 III 439 E. 3.2 S. 444 mit Hinweis). Das Bundesgericht kann die Verletzung eines Grundrechtes nur insofern prüfen, als eine solche Rüge in der Beschwerde präzise vorgebracht und begründet worden ist (Art. 117 i.V.m. Art. 106 Abs. 2 BGG).  
 
1.3. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 118 BGG). Es kann davon nur abweichen, wenn die Sachverhaltsfeststellung unter Verletzung eines verfassungsmässigen Rechts zustande kam (Art. 118 Abs. 2 und Art. 116 BGG), was in der Beschwerde präzise geltend zu machen ist (Art. 117 i.V.m. Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 133 III 439 E. 3.2 S. 445 mit Hinweis).  
 
1.4. Soweit der Beschwerdeführer in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht eine Verletzung des Willkürverbots (Art. 9 BV) geltend macht, ist zu beachten, dass ein Entscheid nach konstanter Rechtsprechung nicht schon dann willkürlich ist, wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre. Das Bundesgericht hebt einen kantonalen Entscheid wegen Willkür vielmehr nur auf, wenn er offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Dabei genügt es nicht, wenn sich nur die Begründung des angefochtenen Entscheides als unhaltbar erweist. Eine Aufhebung rechtfertigt sich nur dann, wenn der Entscheid auch im Ergebnis verfassungswidrig ist (BGE 140 III 16 E. 2.1 S. 18 f. mit Hinweisen). Auf die Beschwerde ist daher von Vornherein nicht einzutreten, soweit der Beschwerdeführer willkürliche tatsächliche Feststellungen rügt, ohne rechtsgenüglich darzulegen, inwiefern sich diese Feststellungen auf das Entscheidergebnis ausgewirkt haben, so namentlich, wenn er die Feststellungen, die Parteien hätten einen Generalunternehmervertrag geschlossen und er habe die Bauleitung innegehabt, als willkürlich rügt.  
 
2.  
Am 10. Januar 2012 hat der Beschwerdeführer anlässlich einer Besprechung betreffend Arbeiten an den Stützmauern ein mit "Ausmass Nr. 1" betiteltes Dokument unterzeichnet, in dem nach Vornahme von Korrekturen und Abzug einer Akontozahlung der noch ausstehende Betrag mit Fr. 58'111.65 angegeben wird. 
 
2.1. Der Beschwerdeführer führt zu diesem Dokument vor Bundesgericht im Wesentlichen aus, die Arbeiten an den Stützmauern hätten aufgrund von Regierapporten rund Fr. 51'000.-- betragen. Um diesen Betrag mit dem Ausmass rechtfertigen zu können, habe C.________ von der D.________ AG, der für die Beschwerdegegnerin das Ausmass erstellt habe, dieses mit Zusatzfaktoren ergänzt. Damit sei der Beschwerdeführer nicht einverstanden gewesen, da eine Abrechnung nach Einheitspreisen vereinbart gewesen sei. Als Basis für die von ihm angestrebte Vergleichslösung habe er die Beschwerdegegnerin gefragt, wie viel die Stützmauer im Minimum nach Ausmass gekostet hätte. Die Beschwerdegegnerin habe angegeben, die Stützmauer berechnet zu Einheitspreisen und gemäss Ausmass hätte mindestens Fr. 30'000.-- gekostet. Diese Zahl habe der Beschwerdeführer der Beschwerdegegnerin geglaubt. In Sinne eines Entgegenkommens habe er ihr freiwillig Fr. 10'000.-- zugestanden, damit eine Einigung habe erzielt werden können. Entsprechend habe er für die Stützmauern einen Betrag von Fr. 40'000.-- angenommen. Erst nach der Sitzung, am 18. Januar 2012, habe er selbst das Ausmass der Stützmauer erstellt und sei dabei lediglich auf Fr. 22'179.45 gekommen. In den gemäss seiner Darstellung von der Beschwerdegegnerin genannten Fr. 30'000.-- erblickt er eine Täuschung. Er ist der Auffassung, dass diesbezüglich ein Beweisverfahren hätte durchgeführt werden müssen, und rügt eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör. In Bezug auf die Täuschung, den Inhalt der Besprechung und die Anfechtung des Ergebnisses dieser Besprechung beruft er sich auf das Novenrecht nach Art. 317 ZPO. Er macht geltend, er habe die Vereinbarung vom 10. Januar 2012 konkludent angefochten, indem er sich widersetzt habe, die Leistung auszuführen.  
 
2.2. Der Beschwerdeführer selbst behauptet, er sei anlässlich der Besprechung bereit gewesen, vergleichsweise mehr zu bezahlen, als er gemäss der ursprünglichen Vereinbarung hätte bezahlen müssen. Unter diesem Gesichtspunkt ist es nicht zu beanstanden, wenn die kantonalen Instanzen davon ausgingen, die Beschwerdegegnerin könne grundsätzlich den anlässlich der Besprechung vereinbarten Betrag beanspruchen.  
 
2.3. Der Beschwerdeführer macht allerdings geltend, er sei an dieser Besprechung getäuscht worden, und wirft der Vorinstanz im Zusammenhang mit der Beurteilung der Täuschung eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV) vor.  
 
2.3.1. Der aus Art. 29 Abs. 2 BV fliessende Anspruch auf rechtliches Gehör dient einerseits der Sachaufklärung und stellt anderseits ein persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht beim Erlass eines Entscheids dar, der in die Rechtsstellung des Einzelnen eingreift. Dazu gehört insbesondere das Recht des Betroffenen, sich vor Erlass eines solchen Entscheids zur Sache zu äussern, erhebliche Beweise beizubringen, Einsicht in die Akten zu nehmen, mit erheblichen Beweisanträgen gehört zu werden und an der Erhebung wesentlicher Beweise entweder mitzuwirken oder sich zumindest zum Beweisergebnis zu äussern, wenn dieses geeignet ist, den Entscheid zu beeinflussen (BGE 135 I 187 E. 2.2 S. 190; 127 I 54 E. 2b mit Hinweis). Dem Mitwirkungsrecht entspricht die Pflicht der Behörde, die Argumente und Verfahrensanträge der Partei entgegenzunehmen und zu prüfen sowie die ihr rechtzeitig und formrichtig angebotenen Beweismittel abzunehmen, es sei denn, diese beträfen eine nicht erhebliche Tatsache oder seien offensichtlich untauglich, über die streitige Tatsache Beweis zu erbringen (BGE 124 I 241 E. 2 S. 242 mit Hinweisen).  
 
2.3.2. Wenn ein Vertragschliessender durch absichtliche Täuschung seitens des anderen zum Vertragsabschluss verleitet worden ist, so ist der Vertrag für den Getäuschten gemäss Art. 28 Abs. 1 OR auch dann nicht verbindlich, wenn der erregte Irrtum kein wesentlicher war (BGE 132 II 161 E. 4.1 S. 165). Wenn der durch Täuschung beeinflusste Teil binnen Jahresfrist weder dem anderen eröffnet, dass er den Vertrag nicht halte, noch eine schon erfolgte Leistung zurückfordert, gilt der Vertrag als genehmigt. Die Frist beginnt mit der Entdeckung der Täuschung (Art. 31 OR).  
Ob der Beschwerdeführer tatsächlich getäuscht wurde, ist nur prozessrelevant, wenn keine Genehmigung nach Art. 31 OR erfolgte, wenn also der Beschwerdeführer der Beschwerdegegnerin binnen Jahresfrist ab der von ihm behaupteten Entdeckung der Täuschung eröffnet hat, dass er den Vertrag nicht halte, oder eine schon erfolgte Leistung zurückgefordert hat. Da unter der ZPO grundsätzlich die Verhandlungsmaxime gilt (Art. 55 Abs. 1 ZPO), ist zudem nötig, dass der Beschwerdeführer die Anfechtung wegen Willensmangels prozesskonform behauptet hat. 
 
2.3.3. Die Vorinstanz erachtete die schlichte, erstmals im Rechtsmittelverfahren vorgebrachte Behauptung der Täuschung als nicht hinreichend substanziiert und unter novenrechtlichen Gesichtspunkten für unzulässig. Nach Art. 317 ZPO werden neue Tatsachen und Beweismittel im Rechtsmittelverfahren nur noch berücksichtigt, wenn sie ohne Verzug vorgebracht werden und trotz zumutbarer Sorgfalt nicht schon vor erster Instanz vorgebracht werden konnten. Die Vorinstanz ging unter Hinweis auf eine Literaturstelle davon aus, der Umstand, dass eine Partei erst aufgrund des erstinstanzlichen Urteils Klarheit darüber gewinne, welche Tatsachen und Beweismittel von prozessentscheidender Bedeutung seien, vermöge das Novenrecht im Rechtsmittelverfahren nicht zu begründen.  
Der Beschwerdeführer rügt, diese Auffassung sei "falsch". Die unrichtige Anwendung von Bundesrecht begründet für sich allein aber noch keine Verletzung verfassungsmässiger Rechte (Art. 116 BGG). Der Beschwerdeführer ist allerdings der Auffassung, die Vorinstanz habe einen klaren Rechtsgrundsatz des Novenrechts verletzt. Er macht geltend, ein zureichender Grund für das Vorbringen eines Novums könne darin liegen, dass erst der angefochtene Entscheid dazu Anlass gebe. Nach den Feststellungen der Vorinstanz hat sich die Beschwerdegegnerin indessen schon in der Klage auf den am 10. Januar 2012 vom Beschwerdeführer unterschriftlich anerkannten Betrag berufen. Wollte sich der Beschwerdeführer auf dieser Anerkennung nicht behaften lassen, hätte bereits in diesem Zeitpunkt Anlass bestanden, sich auf die Ungültigkeit des Vertrages infolge Täuschung zu berufen und eine rechtzeitige (allenfalls konkludente) Täuschungsanfechtung zu behaupten. Wenn die Vorinstanz dem Beschwerdeführer insoweit kein Novenrecht zubilligte, kann von Willkür keine Rede sein. 
 
2.4. Da die Vorinstanz erstmalige Vorbringen zur Täuschungsanfechtung im Rechtsmittelverfahren als verspätet betrachten durfte, fällt insoweit eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht in Betracht. Dass er diesbezüglich bereits vor erster Instanz hinreichende Behauptungen aufgestellt hätte, zeigt er nicht auf. Damit ist es im Ergebnis nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz mangels rechtzeitiger substanziierter Behauptungen nicht auf die Frage einging, ob der Beschwerdeführer tatsächlich getäuscht wurde und ob in seinem Verhalten allenfalls nach Treu und Glauben eine konkludente Anfechtungserklärung gesehen werden kann. Denn diese Frage stellt sich nur, wenn sich der Beschwerdeführer im Prozess rechtzeitig und prozesskonform auf eine konkludente Anfechtung der getroffenen Vereinbarung wegen Willensmangels berufen hat.  
 
3.  
Damit ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend wird der Beschwerdeführer kosten- und entschädigungspflichtig. Die Beschwerde ist weder besonders umfangreich noch stellen sich komplizierte Rechtsfragen. Mit Blick auf den geringen Streitwert erscheinen die vom Rechtsvertreter der Beschwerdegegnerin in seiner Honorarnote verlangten Fr. 2'910.05, welche die vom Bundesgericht in derartigen Fällen praxisgemäss zugesprochene Summe übersteigen, unangemessen. Die Parteientschädigung ist daher auf Fr. 2'500.-- zu reduzieren. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Der Beschwerdeführer hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Zivilgericht, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 5. Dezember 2014 
 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Klett 
 
Der Gerichtsschreiber: Luczak