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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
5A_379/2017  
   
   
 
 
 
Urteil vom 5. Dezember 2017  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter von Werdt, Präsident, 
Bundesrichter Marazzi, Schöbi, 
Gerichtsschreiber von Roten. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Marc Dörflinger, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Burgerliche Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (bKESB). 
 
Gegenstand 
vorsorgliche Massnahmen (Vertretungsbeistandschaft; Beträge zur freien Verfügung), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern, Kindes- und Erwachsenenschutzgericht, vom 11. April 2017 (KES 16 881). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Mit Entscheid vom 6. Februar 2014 erliess die burgerliche Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (bKESB) vorsorgliche Massnahmen gegenüber A.________ (Beschwerdeführerin), ohne die am Verfahren beteiligten Personen anzuhören. Die bKESB ordnete eine Vertretungsbeistandschaft mit Einkommens- und Vermögensverwaltung an, umschrieb die Aufgaben des Beistandes und entzog der Beschwerdeführerin in näher bestimmtem Umfang die Handlungsfähigkeit. Die dagegen erhobenen Beschwerden blieben erfolglos (zuletzt: Urteil 5A_268/2014 vom 19. Juni 2014).  
 
A.b. Am 14. Februar 2014 hörte die bKESB die Beschwerdeführerin an, die sich von ihrem Anwalt und von ihrer Tochter begleiten liess. Am 19.ds. besprach die bKESB die Angelegenheit mit dem Anwalt der Beschwerdeführerin und deren drei Kindern in Begleitung ihrer Anwälte. Mit Entscheid vom 22. April 2014 erliess die bKESB vorsorgliche Massnahmen im Sinne der bereits zuvor getroffenen Anordnungen. Beschwerden hatten keinen Erfolg (zuletzt: Urteile 5A_704/2014 und 5A_721/2014 vom 17. September 2014).  
 
A.c. Im Hinblick auf das Hauptverfahren unterbreitete die Beschwerdeführerin der bKESB verschiedene Anträge mit dem Ziel, die vorsorglichen Massnahmen aufzuheben und widrigenfalls die Aufgaben des Beistandes neu zu umschreiben. Die bKESB entschied über die Anträge am 15. und 21. September 2015. Die dagegen erhobene Beschwerde wies zuletzt das Bundesgericht ab, soweit darauf einzutreten war (Urteil 5A_211/2016 vom 19. Mai 2016).  
 
A.d. Gestützt auf den Beistandsbericht für die Zeit vom 6. Februar 2014 bis 31. Dezember 2015 bestätigte die bKESB die Anordnung des Beistands vom 11. November 2016, die Limiten für die Bargeld- und die Kreditkartenbezüge der Beschwerdeführerin von je Fr. 10'000.-- auf je Fr. 5'000.-- monatlich zu kürzen. Begründet wurde die Kürzung mit gestiegenen Lebenshaltungskosten (rund Fr. 143'000.--), mit der Abnahme des Vermögens von 6.43 Mio. Fr. um knapp Fr. 600'000.-- und mit fehlenden Angaben zum Budget der Barauslagen (Entscheid vom 28. November 2016).  
 
A.e. Eine endgültige Erwachsenenschutzmassnahme wurde bis heute offenbar noch nicht getroffen. Die Beschwerdeführerin soll medizinisch begutachtet werden.  
 
B.   
Gegen die Kürzung der Bezugslimiten legte die Beschwerdeführerin am 23. Dezember 2016 Beschwerde ein. Das Obergericht des Kantons Bern erteilte der Beschwerde die aufschiebende Wirkung (Verfügung vom 29. Dezember 2016) und führte den Schriftenwechsel durch. Es wies die Beschwerde ab und erteilte der UBS Switzerland AG die Weisung, die Limite für Bargeldbezüge und die Limite auf der Kreditkarte der Beschwerdeführerin ab 1. Mai 2017 auf je Fr. 5'000.-- pro Monat festzusetzen (Entscheid vom 11. April 2017). 
 
C.   
Mit Eingabe vom 15. Mai 2017 beantragt die Beschwerdeführerin dem Bundesgericht, die Entscheide des Obergerichts und der bKESB aufzuheben. Ihr Gesuch um aufschiebende Wirkung hat der Präsident der II. zivilrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts abgewiesen (Verfügung vom 1. Juni 2017). Mit Einschreibebrief vom 5. Juli 2017 lässt die Beschwerdeführerin neue Tatsachen vortragen und neue Beweismittel einreichen. Es sind die kantonalen Akten, hingegen keine Vernehmlassungen eingeholt worden. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Der angefochtene Entscheid betrifft die Höhe der Beträge zur freien Verfügung der Beschwerdeführerin als verbeiständete Person (Art. 409 ZGB) und damit eine öffentlich-rechtliche Angelegenheit, die in unmittelbarem Zusammenhang mit Zivilrecht steht (Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff. 6 BGG). Es geht um eine vermögensrechtliche Frage mit einem Streitwert von mehr als Fr. 30'000.-- (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG), die das Obergericht kantonal letztinstanzlich (Art. 75 Abs. 2 BGG) entgegen den Anträgen der Beschwerdeführerin beantwortet hat (Art. 76 Abs. 1 BGG).  
 
1.2. Das Erwachsenenschutzverfahren befindet sich auf der Stufe vorsorglicher Massnahmen (E. IV/21.2 S. 7 des angefochtenen Entscheids), so dass der bloss vorsorglich eingesetzte Beistand die Beträge zur freien Verfügung der Beschwerdeführerin auch nur vorsorglich festsetzt (Art. 409 i.V.m. Art. 445 ZGB). Nicht bloss die Einsetzung des Beistands ist vorsorgliche Massnahme, sondern auch die daran anschliessende Amtsführung (vgl. Urteile 5P.214/1996 vom 28. Juni 1996 Bst. A und E. 1a, in: Rep. 1996 S. 3 f., zu aArt. 386 Abs. 2 ZGB; 5A_813/2014 vom 24. November 2014 E. 1, betreffend Erbenvertretung). Der daherige Massnahmenentscheid unterliegt folglich als Zwischenentscheid nur der Beschwerde, wenn er einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG; Urteil 5A_683/2013 vom 11. Dezember 2013 E. 1.3; BGE 137 III 324 E. 1.1 S. 327 ff.). Da mit der Kürzung der bisher zur freien Verfügung der Beschwerdeführerin stehenden Beträge ihre Handlungsfähigkeit erneut und zusätzlich eingeschränkt wird, besteht offenkundig ein Nachteil, der auch mit einem günstigen Endentscheid in Zukunft nicht oder nicht gänzlich behoben werden kann (Urteil 5A_237/2009 vom 10. Juni 2009 E. 1.1; allgemein: BGE 143 III 140 E. 4.3 S. 148).  
 
1.3. Obwohl Begehren in der Sache zu stellen sind (Art. 42 Abs. 1 BGG; BGE 134 III 379 E. 1.3 S. 383; 137 II 313 E. 1.3 S. 317), begnügt sich die Beschwerdeführerin mit Aufhebungsanträgen. Indessen ergibt sich aus der Beschwerdebegründung in Verbindung mit dem angefochtenen Entscheid ohne Weiteres, dass sie die ersatzlose Aufhebung der Kürzung und die Wiederherstellung ihrer bisherigen Bezugslimiten von je Fr. 10'000.-- monatlich begehrt (vgl. zur Auslegung: BGE 134 III 235 E. 2 S. 236 f.; 137 III 617 E. 6.2 S. 622; 143 III 111 E. 1.2 S. 112).  
 
1.4. Der angefochtene Entscheid wurde der Beschwerdeführerin am 13. April 2017 und damit während des Fristenstillstands vom siebten Tag vor bis und mit dem siebten Tag nach Ostern (Art. 46 Abs. 1 lit. a BGG) eröffnet. Da der Fristenstillstand im Verfahren betreffend vorsorgliche Massnahmen (E. 1.2 oben) nicht gilt (Art. 46 Abs. 2 BGG; BGE 135 III 430 E. 1.1 S. 431; 139 III 78 E. 4.4.5 S. 82), hat die Beschwerdeführerin ihre Eingabe am 15. Mai 2017 rechtzeitig der Post aufgegeben (Art. 100 Abs. 1 i.V.m. Art. 45 Abs. 1 BGG).  
 
1.5. Mit unaufgefordert zugestellter Eingabe vom 5. Juli 2017 hat die Beschwerdeführerin dem Bundesgericht neue Tatsachen vorgetragen und neue Beweismittel eingereicht. Selbst wenn der Ausnahmetatbestand gemäss Art. 99 Abs. 1 BGG erfüllt sein sollte, ist die Noveneingabe nach Ablauf der Beschwerdefrist (E. 1.4 oben) - wie unter der Herrschaft des Bundesrechtspflegegesetzes von 1943 (BGE 113 Ia 407 E. 1 S. 408) - unzulässig (Urteile 6B_736/2016 vom 9. Juni 2017 E. 1.3; 2C_630/2016 vom 6. September 2016 E. 7.2; 4A_733/2011 vom 16. Juli 2012 E. 1.3; 8C_524/2008 vom 2. April 2009 E. 3.1; vgl. DONZALLAZ, Loi sur le Tribunal fédéral, Commentaire, 2008, Rz. 4062 S. 1477; KÄLIN, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, 2. Aufl. 1994, S. 369 bei/in Anm. 148).  
 
2.   
Ist eine vorsorgliche Festsetzung der Beträge zur freien Verfügung der Beschwerdeführerin durch den vorsorglich eingesetzten Beistand für die Dauer des ordentlichen Erwachsenenschutzverfahrens streitig (E. 1.2 oben), kann mit der Beschwerde nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden (Art. 98 BGG). 
 
2.1. Eine Verletzung verfassungsmässiger Rechte prüft das Bundesgericht nur insofern, als eine solche Rüge vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG). Der Grundsatz der gerichtlichen Rechtsanwendung von Amtes wegen (Art. 106 Abs. 1 BGG) kommt in diesem Bereich nicht zum Tragen (BGE 133 III 589 E. 2 S. 591; 140 III 571 E. 1.5 S. 576). Erforderlich sind klar und detailliert erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen; auf ungenügend begründete Rügen und rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 142 III 364 E. 2.4 S. 368). Der blosse Verweis (z.B. S. 4, 5, 6 und 8 der Beschwerdeschrift) auf Ausführungen in anderen Rechtsschriften oder auf die Akten genügt zur Begründung von Verfassungsrügen nicht (BGE 133 II 396 E. 3.1 S. 400; 141 V 416 E. 4 S. 421).  
 
2.2. Obwohl sie selber festhält, das Verfahren stehe immer noch im Stadium der vorsorglichen Massnahmen (S. 9 ad Ziff. 21.1), und obwohl sie die Sonderregelung über die Fristen zur Anfechtung vorsorglicher Massnahmen beachtet hat (E. 1.4 oben), erhebt und begründet die anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin keine Verfassungsrügen. Sie ergeht sich vielmehr in einem Abhaken der einzelnen Entscheid-Ziffern als "bestritten", "teilweise bestritten", "nicht bestritten" oder "nicht grundsätzlich bestritten" und begründet in bestrittenen Punkten eine Verletzung von Bundesrecht so, wie es in einem appellatorischen Verfahren, wo dem Gericht freie Prüfungsbefugnis zusteht, allenfalls genügte, nicht hingegen in einem auf die Beurteilung von Verfassungs-, insbesondere Willkürrügen beschränkten Verfahren (BGE 134 II 349 E. 3 S. 352).  
 
2.3. Begriffe wie "willkürlich" oder "überspitzt formalistisch" verwendet die Beschwerdeführerin zwar im Zusammenhang mit der Berücksichtigung von Gelegenheitsgeschenken (S. 10 ff. ad Ziff. 22 und Ziff. 23). Formell genügend begründet sie damit aber keine Verfassungsrügen.  
Das Obergericht hat festgehalten, dass bei der Beurteilung der Frage, welcher Geldbetrag der Beschwerdeführerin unter Berücksichtigung von Gelegenheitsgeschenken im konkreten Fall zu überlassen sei, auch die Persönlichkeit und Lebensphilosophie der Beschwerdeführerin, insbesondere deren sozial geprägter Charakter und deren Gefallen, Personen einzuladen und Schenkungen auszurichten, zu beachten sei (E. IV/23 S. 8 des angefochtenen Entscheids). In diesem Punkt stimmt die Beschwerdeführerin den obergerichtlichen Darlegungen zu, so dass nicht ersichtlich ist, worin eine Verfassungsverletzung bestehen soll. 
Das Obergericht hat daraus geschlossen, dass die Behörden auf Angaben der Beschwerdeführerin angewiesen seien, in welchem Umfang sie gelegentlich Schenkungen vornehme, so dass diese in die Berechnung miteinbezogen werden könnten. Insofern sei es an der Beschwerdeführerin aufzuzeigen, welche Ausgaben sie für Schenkungen sowie auch für sich selber beanspruche. Solange sich die Beschwerdeführerin weigere, ihre Ausgaben offen zu legen, stehe es im freien Ermessen der Behörden, die ihr zur freien Verwendung überlassenen Mittel festzusetzen (E. IV/23 S. 8 des angefochtenen Entscheids). Mit dieser entscheidenden Schlussfolgerung setzt sich die Beschwerdeführerin nicht ansatzweise auseinander, so dass es sich mangels Verfassungsrügen auf die Frage einzugehen erübrigt, mit welcher Summe die Gelegenheitsgeschenke in der Festsetzung des Betrags zur freien Verfügung gemäss Art. 409 ZGB zu berücksichtigen sind. 
 
2.4. Als "willkürlich" (S. 12 ad Ziff. 24) rügt die Beschwerdeführerin die Herabsetzung des Betrags zur freien Verfügung gegenüber der Festlegung am 22. April 2014, weil seither keine neuen Tatsachen bestünden. Gegen die Feststellungen, dass und wie sich die Verhältnisse nach der erstmaligen Bestimmung der Beträge im Sinne von Art. 409 ZGB geändert haben (Bst. A.d oben), erhebt und begründet die Beschwerdeführerin indessen keine Verfassungs-, namentlich keine Willkürrügen.  
 
2.5. Insgesamt ist auf die Beschwerde nicht einzutreten.  
 
3.   
Bei diesem Ergebnis wird die Beschwerdeführerin kosten-, hingegen nicht entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Burgerlichen Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (bKESB) und dem Obergericht des Kantons Bern, Zivilabteilung, Kindes- und Erwachsenenschutzgericht, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 5. Dezember 2017 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: von Werdt 
 
Der Gerichtsschreiber: von Roten