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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
8C_495/2020  
 
 
Urteil vom 6. Januar 2021  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichter Wirthlin, Bundesrichterin Viscione, 
Gerichtsschreiberin Kopp Käch. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Kaspar Gehring, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, 
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (vorinstanzliches Verfahren), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 26. Mai 2020 (IV.2019.00567). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die 1961 geborene A.________ hatte sich im Juli 2015 zum Bezug von Leistungen der Invalidenversicherung angemeldet. Die IV-Stelle des Kantons Zürich tätigte medizinische sowie erwerbliche Abklärungen und veranlasste die Haushaltsabklärung vom 21. Februar 2019. Nach durchgeführtem Vorbescheidverfahren verneinte sie mit Verfügung vom 14. Juni 2019 einen Rentenanspruch. 
 
B.   
A.________ liess hiegegen Beschwerde erheben und die Zusprechung einer ganzen Rente ab Juli 2016, eventualiter die Rückweisung der Sache an die IV-Stelle zur Einholung weiterer medizinischer Abklärungen beantragen. In verfahrensrechtlicher Hinsicht stellte sie in der Replik den Antrag auf Durchführung einer öffentlichen Schlussverhandlung. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies die Beschwerde mit Entscheid vom 26. Mai 2020 ohne Durchführung einer öffentlichen Verhandlung ab. 
 
C.   
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A.________ beantragen, in Aufhebung des angefochtenen Entscheids sei ihr eine ganze Rente ab Juli 2016 zuzusprechen, eventualiter sei die Sache zur Durchführung einer öffentlichen Gerichtsverhandlung und Abnahme der notwendigen Beweise in Form einer Parteibefragung an die Vorinstanz zurückzuweisen, subeventualiter sei die Sache zur Vornahme weiterer medizinischer Abklärungen zurückzuweisen. 
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das kantonale Gericht und das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann wegen Rechtsverletzungen gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. 
 
2.   
Die Beschwerdeführerin rügt in formeller Hinsicht, das kantonale Gericht habe Art. 6 Ziff. 1 EMRK verletzt, indem es trotz entsprechendem Antrag keine öffentliche Gerichtsverhandlung durchführte. 
 
2.1. Nach Art. 6 Ziff. 1 EMRK hat jedermann Anspruch darauf, dass seine Sache in billiger Weise öffentlich und innerhalb einer angemessenen Frist von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht gehört wird, das über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen oder über die Stichhaltigkeit der gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Anklage zu entscheiden hat. Die Öffentlichkeit des Verfahrens soll dazu beitragen, dass die Garantie auf ein "faires Verfahren" tatsächlich umgesetzt wird (BGE 142 I 188). Vorliegend sind zivilrechtliche Ansprüche im Sinne dieser Norm streitig (BGE 122 V 47 E. 2a S. 50). Das kantonale Gericht, welchem es primär obliegt, die Öffentlichkeit der Verhandlung zu gewährleisten (BGE 136 I 279 E. 1 S. 281; 122 V 47 E. 3 S. 54), hat bei Vorliegen eines klaren und unmissverständlichen Parteiantrags grundsätzlich eine öffentliche Verhandlung durchzuführen (BGE 136 I 279 E. 1 S. 281; SVR 2014 UV Nr. 11 S. 37, 8C_273/2013 E. 1.2 mit Hinweisen). Ein während des ordentlichen Schriftenwechsels gestellter Antrag gilt dabei als rechtzeitig (BGE 134 I 331; vgl. zum Ganzen: SVR 2017 UV Nr. 30   S. 99, 8C_723/2016 E. 2.1 und 2.2 mit Hinweisen).  
 
2.2. Von einer ausdrücklich beantragten öffentlichen Verhandlung kann abgesehen werden, wenn der Antrag der Partei als schikanös erscheint oder auf eine Verzögerungstaktik schliessen lässt und damit dem Grundsatz der Einfachheit und Raschheit des Verfahrens zuwiderläuft oder sogar rechtsmissbräuchlich ist. Gleiches gilt, wenn sich ohne öffentliche Verhandlung mit hinreichender Zuverlässigkeit erkennen lässt, dass eine Beschwerde offensichtlich unbegründet oder unzulässig ist. Als weiteres Motiv für die Verweigerung einer beantragten öffentlichen Verhandlung fällt die hohe Technizität der zur Diskussion stehenden Materie in Betracht, was etwa auf rein rechnerische, versicherungsmathematische oder buchhalterische Probleme zutrifft, wogegen andere dem Sozialversicherungsrecht inhärente Fragestellungen materiell- oder verfahrensrechtlicher Natur wie die Würdigung medizinischer Gutachten in der Regel nicht darunterfallen. Schliesslich kann das kantonale Gericht von einer öffentlichen Verhandlung absehen, wenn es auch ohne eine solche aufgrund der Akten zum Schluss gelangt, dass dem materiellen Rechtsbegehren der bezüglich der Verhandlung Antrag stellenden Partei zu entsprechen ist (BGE 136 I 279 E. 1 S. 281 mit Hinweis auf BGE 122 V 47 E. 3b/ee und 3b/ff. S. 57 f.; vgl. zum Ganzen: SVR 2017 UV Nr. 30 S. 99, 8C_723/2016 E. 2.3 mit Hinweisen).  
 
3.  
 
3.1. Der Antrag auf Durchführung einer öffentlichen Verhandlung im Sinne der EMRK wurde in der im vorinstanzlichen Verfahren eingereichten Replik unbestrittenermassen rechtzeitig gestellt. Das kantonale Gericht entsprach diesem Begehren nicht mit der Begründung, die Beschwerdeführerin beantrage eine Befragung bezüglich der sprachlichen Schwierigkeiten sowie des Verständnisses der anlässlich der Haushaltsabklärung gestellten Fragen. Dabei handle es sich um einen blossen Beweisantrag.  
 
3.2. Von der beantragten öffentlichen Verhandlung hätte das Gericht nur bei Vorliegen von in Erwägung 2.2 hiervor genannten Gründen absehen dürfen. Dass ein solcher Grund gegeben wäre, hat die Vorinstanz zu Recht nicht erwogen und ist auch nicht ersichtlich. Soweit das kantonale Gericht im Ersuchen der Beschwerdeführerin lediglich den Antrag auf eine Parteibefragung sieht, kann ihm nicht gefolgt werden. Im Rahmen ihrer replikweise ergänzten Rechtsbegehren zuhanden der Vorinstanz ersuchte die Beschwerdeführerin ausdrücklich um eine öffentliche Schlussverhandlung. Damit liegt ein klarer und unmissverständlicher Parteiantrag vor, wie ihn die Rechtsprechung im gegebenen Zusammenhang verlangt (vgl. E. 2.1). Soweit in der Begründung der Replik bezüglich Abklärungspflicht bei der Qualifikationsfrage für den Fall, dass das Gericht den Ausführungen der IV-Stelle folgen sollte, eine Befragung der Beschwerdeführerin als unabdingbar bezeichnet wurde, kann darin zwar zugleich ein Beweisantrag auf persönliche Befragung erblickt werden. Von einem ausschliesslich auf eine Beweisabnahme gerichteten Begehren, worauf der Öffentlichkeitsgrundsatz tatsächlich keinen Anspruch einräumt (vgl. Urteil 8C_221/2020 vom 2. Juli 2020 E. 3.2 mit Hinweis), kann unter den gegebenen Umständen jedoch nicht ausgegangen werden. Im Übrigen wäre die Vorinstanz zur Rückfrage bei der Beschwerdeführerin gehalten gewesen, wenn sie Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Antrags auf eine öffentliche Verhandlung gehabt hätte (BGE 127 I 44 E. 2e/bb    S. 48 und 8C_221/2020 vom 2. Juli 2020 E. 3.2 mit Hinweisen).  
 
3.3. Zusammenfassend bestand für das kantonale Gericht keine Veranlassung und keine Rechtfertigung, von der grundsätzlichen Verpflichtung zur Durchführung einer öffentlichen Verhandlung ausnahmsweise abzuweichen. Indem die Vorinstanz dennoch auf eine solche verzichtete, wurde der in Art. 6 Ziff. 1 EMRK gewährleisteten Verfahrensgarantie (vgl. auch Art. 30 Abs. 3 BV und Art. 61 lit. a ATSG) nicht Rechnung getragen. Es ist daher unumgänglich, die Sache an das kantonale Gericht zurückzuweisen, damit es diesen Verfahrensmangel behebt und die von der Beschwerdeführerin verlangte öffentliche Verhandlung durchführt. Danach wird es über die Beschwerde materiell neu befinden (vgl. BGE 136 I 279 E. 4 f. S. 284 f.; SVR 2017 UV      Nr. 30 S. 99, 8C_723/2016 E. 3.3 mit Hinweisen).  
 
4.   
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Als unterliegende Partei hat die Beschwerdegegnerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Diese hat der Beschwerdeführerin überdies eine Parteientschädigung zu entrichten (Art. 68 Abs. 1 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 26. Mai 2020 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen wird. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
 
3.   
Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2800.- zu entschädigen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 6. Januar 2021 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Die Gerichtsschreiberin: Kopp Käch