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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6B_696/2011 
 
Urteil vom 6. März 2012 
Strafrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Mathys, Präsident, 
Bundesrichter Schneider, Schöbi, 
Gerichtsschreiberin Horber. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Stössel, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Tätlichkeiten; Willkür, Grundsatz "in dubio pro reo", rechtliches Gehör, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Strafkammer, vom 23. August 2011. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
X.________ wird vorgeworfen, am 27. März 2010 ca. um 16.00 Uhr im Keller des von ihr bewohnten Hauses ihre Nachbarin A.________ mehrmals geschlagen und getreten zu haben. Sie habe dieser mit einem Holzscheit leicht auf den Kopf geschlagen, was eine Prellung seitlich am Hinterkopf verursacht habe. Als A.________ darauf in Richtung Lift weggelaufen sei, habe sie X.________ gegen das Gesäss getreten. Beim Lift angekommen sei A.________ stehen geblieben, worauf sie X.________ erneut mit dem Holzscheit habe schlagen wollen. Da A.________ ihre linke Hand schützend über den Kopf gehalten habe, habe sie aufgrund des Schlags eine Abschürfung sowie einen Bluterguss am Daumen der linken Hand erlitten. Anschliessend habe sie X.________ erneut gegen das Gesäss getreten, was einen Bluterguss zur Folge gehabt habe. 
 
B. 
Das Obergericht des Kantons Zürich sprach X.________ am 23. August 2011 in Bestätigung des Urteils des Bezirksgerichts Dietikon vom 8. März 2011 der Tätlichkeit schuldig. Es verurteilte sie zu einer Busse von Fr. 1'000.--. 
 
C. 
X.________ erhebt Beschwerde in Strafsachen. Sie beantragt, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben, und sie sei freizusprechen. Eventualiter sei die Sache zur neuen Beurteilung an das Obergericht zurückzuweisen. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Die Beschwerdeführerin wirft der Vorinstanz eine offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellung (Art. 9 BV), einen Verstoss gegen den Grundsatz "in dubio pro reo" als Beweislast- und Beweiswürdigungsregel (Art. 10 Abs. 3 StPO) sowie eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) vor (Beschwerde, S. 3 f. N. 8 ff.). 
 
2. 
2.1 Die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; vgl. auch Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG). Offensichtlich unrichtig ist sie, wenn sie willkürlich ist (BGE 136 II 304 E. 2.4 mit Hinweis; vgl. zum Begriff der Willkür BGE 137 I 1 E. 2.4 mit Hinweisen). Die Rüge der Willkür muss in der Beschwerde anhand des angefochtenen Entscheids präzise vorgebracht und begründet werden, ansonsten darauf nicht eingetreten wird (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 137 IV 1 E. 4.2.3 mit Hinweis). 
Bildeten ausschliesslich Übertretungen Gegenstand des erstinstanzlichen Hauptverfahrens, so kann mit der Berufung nur geltend gemacht werden, das Urteil sei rechtsfehlerhaft oder die Feststellung des Sachverhalts sei offensichtlich unrichtig oder beruhe auf einer Rechtsverletzung (Art. 398 Abs. 4 StPO). Ist die Kognition der kantonalen Vorinstanz in Sachverhaltsfragen auf Willkür beschränkt, so prüft das Bundesgericht frei, ob die Vorinstanz auf eine gegen das erstinstanzliche Urteil vorgebrachte Rüge der willkürlichen Beweiswürdigung hin zu Unrecht Willkür verneint und diese Verfassungsverletzung nicht behoben hat. Diese Prüfung läuft regelmässig darauf hinaus zu beurteilen, ob die erste Instanz die Beweise willkürlich gewürdigt hat. Trifft dies zu, hätte die Vorinstanz Willkür bejahen müssen. Bei der Begründung der Rüge, die Vorinstanz habe Willkür zu Unrecht verneint, muss sich der Beschwerdeführer daher auch mit den Erwägungen der ersten Instanz auseinandersetzen. Er darf sich indes nicht auf eine blosse Wiederholung der vor der Vorinstanz gegen das erstinstanzliche Urteil erhobenen Rügen beschränken, sondern hat zugleich auf die Begründung der Vorinstanz einzugehen. Andernfalls genügt seine Beschwerde den Begründungsanforderungen nicht (Urteil 6S.46/2005 vom 2. Februar 2006 E. 2.3, nicht publ. in: BGE 132 IV 70; Urteil 6B_643/2011 vom 26. Januar 2012 E. 1.1.2). 
 
2.2 Ebenfalls unter dem Gesichtspunkt der Willkür prüft das Bundesgericht, inwiefern das Sachgericht den Grundsatz "in dubio pro reo" als Beweiswürdigungsregel verletzt hat. Ob dieser Grundsatz als Beweislastregel verletzt ist, prüft es hingegen mit freier Kognition. Diese aus der Unschuldsvermutung (Art. 10 Abs. 1 StPO, Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK) abgeleiteten Maximen wurden wiederholt dargelegt, worauf zu verweisen ist (BGE 127 I 38 E. 2a mit Hinweisen). 
 
2.3 Das rechtliche Gehör gemäss Art. 29 Abs. 2 BV verlangt, dass die Behörde die Vorbringen des vom Entscheid in seiner Rechtsstellung Betroffenen auch tatsächlich hört, prüft und in der Entscheidfindung berücksichtigt. Daraus folgt die Verpflichtung der Behörde, ihren Entscheid zu begründen. Dabei ist es nicht erforderlich, dass sie sich mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegt. Vielmehr kann sie sich auf die für den Entscheid wesentlichen Punkte beschränken. Die Begründung muss so abgefasst sein, dass sich der Betroffene über die Tragweite des Entscheids Rechenschaft geben und ihn in voller Kenntnis der Sache an die höhere Instanz weiterziehen kann. In diesem Sinne müssen wenigstens kurz die Überlegungen genannt werden, von denen sich die Behörde hat leiten lassen und auf die sich ihr Entscheid stützt (BGE 134 I 83 E. 4.1 mit Hinweisen). 
 
3. 
Die erste Instanz stützte sich in ihrer Beweiswürdigung auf die Aussagen der Beschwerdeführerin, der Zeugin A.________ sowie auf zwei Fotografien, auf denen ein Bluterguss am Gesäss und Abschürfungen sowie ein Bluterguss am linken Daumen der Zeugin zu sehen sind. Sie gelangte zur Ansicht, die Aussagen der Zeugin seien glaubhafter als diejenigen der Beschwerdeführerin. Insbesondere seien sie mit den Fotografien in Einklang zu bringen, mithin einem objektiven Beweismittel. Die Aussagen der Beschwerdeführerin seien als Schutzbehauptungen zu werten (kantonale Akten, act. 40 E. II.5.2 ff. S. 4 ff.). Die Vorinstanz schützt diese Beweiswürdigung, soweit sie überhaupt auf die Einwände der Beschwerdeführerin eintritt (Urteil, E. III.1.1 ff. S. 5 ff.). 
 
4. 
4.1 Soweit die Beschwerdeführerin moniert, die Vorinstanz fälle ihr Urteil, ohne eine erneute Beweiswürdigung vorzunehmen (Beschwerde, S. 4 N. 9), geht ihr Einwand offensichtlich an der Sache vorbei. Die Kognition der Vorinstanz ist in Sachverhaltsfragen auf Willkür beschränkt (E. 2.1 hievor). Sie durfte und musste sich darauf beschränken zu prüfen, ob die erste Instanz die Beweise willkürlich würdigte, ohne eine erneute Beweiswürdigung vorzunehmen. 
 
4.2 Weiter geht die Beschwerdeführerin mit ihrem Vorbringen fehl, die Vorinstanz stelle zu Unrecht fest, sie habe in der Berufung keine offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellung und willkürliche Beweiswürdigung geltend gemacht (Beschwerde, S. 4 N. 11 f.). Die Vorinstanz erwägt lediglich, die Beschwerdeführerin begnüge sich über weite Strecken damit, die Sachverhaltserstellung der ersten Instanz an sich zu kritisieren und dieser ihre eigene Beweiswürdigung entgegenzustellen, ohne darzulegen, inwiefern die erste Instanz eine offensichtlich unrichtige Feststellung des Sachverhalts und willkürliche Beweiswürdigung vorgenommen habe. Auf die vorinstanzlichen Ausführungen kann verwiesen werden (Urteil, E. III.1.1 S. 5 f.). Es ist nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz auf die appellatorische Kritik der Beschwerdeführerin am erstinstanzlichen Urteil nicht eintritt. Soweit diese erneut dieselben Rügen vorbringt (Beschwerde, insbesondere S. 5 N. 13 f. und S. 7 N. 20 ff.), ist sie nicht zu hören. Wenn sie in diesem Zusammenhang geltend macht, die Vorinstanz verletze ihren Anspruch auf rechtliches Gehör, da sie ihre Einwände gegen das erstinstanzliche Urteil nicht beachte (Beschwerde, S. 4 N. 9, S. 5 N. 14), ist ihr Vorbringen unbegründet. Die Vorinstanz begeht dadurch, dass sie auf gewisse Rügen berechtigterweise nicht eintritt, keine Gehörsverweigerung. 
 
4.3 Die Beschwerdeführerin bringt vor, es sei nicht möglich, dass die Kopfverletzungen auf die Weise entstanden seien, wie von der Zeugin behauptet. Diese sei gemäss eigenen Aussagen mit dem Rücken zur Wand gestanden. Demnach hätte sie sich auf sehr ungewöhnliche Art und Weise reflexartig um beinahe 180 Grad drehen müssen, um aufgrund eines Schlages mit einem Holzscheit eine Verletzung am Hinterkopf zu erleiden. Die Vorinstanz habe dieses Argument zu Unrecht nicht beachtet (Beschwerde, S. 7 N. 18 f.). 
Die Beschwerdeführerin unterlässt es, sich mit den diesbezüglichen vorinstanzlichen Erwägungen auseinanderzusetzen. Die Vorinstanz begründet ausführlich, weshalb sie die erstinstanzliche Schlussfolgerung, es sei naheliegend, dass die Zeugin versucht habe, dem Schlag auszuweichen oder den Kopf reflexartig abzuwenden, was die Beule seitlich bzw. hinten am Kopf erkläre, nicht als willkürlich erachtet. Auf die zutreffenden Erwägungen kann verwiesen werden (Urteil, E. III.1.2.2). 
Weiter beschränkt sich die Beschwerdeführerin auf appellatorische Kritik, wenn sie geltend macht, die erstinstanzliche Beweiswürdigung sei einseitig und stets zu ihren Ungunsten ausgefallen, was die Vorinstanz zu Unrecht als nicht willkürlich erachte (Beschwerde, S. 9 N 25 ff.). Diese erwägt, die Beschwerdeführerin versuche Unstimmigkeiten in der Argumentation der ersten Instanz zu konstruieren, indem sie ausführe, die erste Instanz erachte ihre Aussagen wie auch diejenigen der Zeugin als konsequent und kaum mit Widersprüchen behaftet. Indes lasse sie diesen Umstand lediglich der Zeugin zu Gute kommen. Die Vorinstanz berichtigt, die erste Instanz habe das konsequente Aussageverhalten auch zu Gunsten der Beschwerdeführerin gewürdigt, zugleich aber festgestellt, es sei zu berücksichtigen, dass das konsequente Bestreiten eines Sachverhalts in der Regel wenig Raum für Widersprüche und Diskontinuitäten biete. Dieser Auffassung der ersten Instanz könne gefolgt werden (Urteil, III.1.2.1 S. 6 f.). Schliesslich erwägt die Vorinstanz, die erstinstanzliche Ausführung, wonach es schwer wiege, dass die Aussagen der Beschwerdeführerin in diametralem und unauflösbarem Widerspruch zu denjenigen der Zeugin stünden, sei zwar nicht nachvollziehbar. Indes vermöge diese Ungereimtheit im erstinstanzlichen Urteil alleine keine willkürliche Sachverhaltsfeststellung darzutun. Die Beschwerdeführerin beschränkt sich darauf, die bereits vor der Vorinstanz erhobene Kritik an der erstinstanzlichen Beweiswürdigung zu erneuern und setzt sich mit den vorinstanzlichen Erwägungen nicht auseinander. Damit genügt sie den Begründungsanforderungen nicht (E. 2.1 hievor). 
 
4.4 Die Beschwerdeführerin rügt, ihre Verurteilung stütze sich lediglich auf Aussagen von zwei sich widersprechenden Personen und Fotografien von beliebigen Verletzungen. Es sei zu Unrecht kein Arztzeugnis eingeholt worden, das Auskunft über die Entstehung der Verletzungen geben könne. Es sei möglich, dass diese Tage später bei einem Sturz oder Ähnlichem entstanden seien (Beschwerde, S. 10 N. 28 f.). 
Die erste Instanz erwog hierzu, die Fotografien der Verletzungen stünden in Einklang mit den Aussagen der Zeugin. Zudem sei schwer vorstellbar, was für ein Sturz oder welche Tätigkeit derartige Verletzungen hätten verursachen können. Der Bluterguss in der Analfalte lasse sich durch den Fusstritt erklären und die Abschürfungen und der Bluterguss am Daumen der linken Hand würden mit der Schilderung übereinstimmen, wonach die Zeugin ihre Hand über ihren Kopf erhoben habe, um sich vor dem Schlag zu schützen (kantonale Akten, act. 40 E. II.6.3 S. 8). Demnach ist es vertretbar, dass die erste Instanz in antizipierter Beweiswürdigung von der Erhebung weiterer Beweise, insbesondere eines Arztberichts, absah (vgl. zur antizipierten Beweiswürdigung BGE 134 I 140 E. 5.3 mit Hinweisen). Insgesamt vermag die Beschwerdeführerin nicht aufzuzeigen, inwiefern die Vorinstanz die erstinstanzliche Beweiswürdigung unzulässigerweise schützt bzw. Willkür zu Unrecht verneint. 
 
5. 
Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, die Vorinstanz verstosse gegen den Grundsatz "in dubio pro reo" als Beweislastregel, indem sie von ihr verlange, ihre Unschuld zu beweisen, begründet sie ihr Vorbringen nicht (Beschwerde, S. 6 N. 16). Es ist denn auch nicht ersichtlich, inwiefern ihr die Vorinstanz die Beweislast überbindet und die Unschuldsvermutung verletzt. 
 
6. 
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die bundesgerichtlichen Kosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 2 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 6. März 2012 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Mathys 
 
Die Gerichtsschreiberin: Horber