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«AZA 3» 
4C.188/1999/rnd 
 
 
I. Z I V I L A B T E I L U N G 
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6. April 2000 
 
 
Es wirken mit: Bundesrichterinnen und Bundesrichter Walter, Präsident, Klett, Rottenberg Liatowitsch, Nyffeler, Ersatzrichter Schwager und Gerichtsschreiber Huguenin. 
 
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In Sachen 
 
 
Bernhard K u n z, Hischwil, 8636 Wald, Beklagter und Berufungskläger, vertreten durch Rechtsanwalt Erich Lauener, Schönenbergstrasse 50, 8816 Hirzel, 
 
 
gegen 
 
 
Hans D i g g e l m a n n, Glärnischstrasse 11, 8636 Wald, 
Kläger und Berufungsbeklagter, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Urs Bosshard, Eichwiesstrasse 2, 8630 Rüti ZH, 
 
 
 
betreffend 
Werkvertrag, 
hat sich ergeben: 
 
 
A.- Hans Diggelmann führte in der Zeit von Juli 1992 bis März 1993 Bauarbeiten für die Renovation und den Umbau des Hauses von Bernhard Kunz mit Erstellung eines Anbaus aus. Am 27. April 1993 stellte er Rechnung über insgesamt Fr. 142'599.55, wovon Fr. 36'510.80 auf Akkordarbeiten und Fr. 106'088.75 auf Regiearbeiten entfielen. Bernhard Kunz bezahlte davon insgesamt Fr. 90'000.--. 
 
B.- Auf Begehren von Hans Diggelmann verfügte der Einzelrichter am Bezirksgericht Hinwil am 26. März 1993 die vorläufige Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechtes in der Höhe von Fr. 52'599.55 nebst Zins auf der Liegenschaft von Bernhard Kunz. Darauf reichte Hans Diggelmann am 13. August 1993 beim Bezirksgericht Hinwil gegen Bernhard Kunz Klage ein und verlangte die Zahlung von Fr. 52'599.55 zuzüglich Zins sowie die definitive Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts. Mit Urteil vom 23. Mai 1996 hiess das Bezirksgericht die Forderung im Umfang von Fr. 50'755.65 nebst 5 % Zins seit 29. April 1993 gut und ordnete für diesen Betrag die definitive Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechtes an. Die Abzüge von insgesamt Fr. 1'843.90 bezogen sich alle auf die in Regie ausgeführten Arbeiten. 
 
Die gegen das Urteil des Bezirksgerichts gerichtete Berufung des Beklagten wies das Obergericht des Kantons Zürich (I. Zivilkammer) mit Urteil vom 7. Juli 1997 ab. Gegen dieses Urteil erhob der Beklagte kantonale Nichtigkeitsbeschwerde und eidgenössische Berufung. Mit Beschluss vom 18. Oktober 1998 hiess das Kassationsgericht des Kantons Zürich die Nichtigkeitsbeschwerde gut, hob das Urteil auf und wies die Sache zu neuer Beurteilung im Sinne der Erwägungen an das Obergericht zurück. Die eidgenössische Berufung wurde vom Bundesgericht als gegenstandslos abgeschrieben. Im neuen Urteil vom 29. März 1999 wies das Obergericht die Berufung erneut ab und bestätigte das Urteil des Bezirksgerichts Hinwil. 
 
 
C.- Gegen das Urteil des Obergerichts vom 29. März 1999 führt der Beklagte eidgenössische Berufung mit dem Antrag, das Urteil aufzuheben, die Klage vollumfänglich abzuweisen und das vorsorglich eingetragene Bauhandwerkerpfandrecht aufzuheben; eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung an das Obergericht zurückzuweisen. Der Kläger schliesst auf Abweisung der Berufung. 
 
 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
 
 
1.- Im Verfahren vor Obergericht bildete nur noch die Höhe des Werklohnanspruchs des Klägers für die in Regie abgerechneten Arbeiten Streitgegenstand. Für diesen waren in der Rechnung vom 27. März 1993 76 Rapporte aufgeführt, welche der Kläger mit der Klage auch eingereicht hat. Diese Rapporte halten tageweise unter Angabe der Qualifikation der eingesetzten Arbeiter die aufgewendete Arbeitszeit und das verwendete Material fest mit einer summarischen Umschreibung der ausgeführten Arbeiten. Sie sind weder vom Beklagten persönlich noch von einem Vertreter unterzeichnet. Nach dem Urteil des Obergerichts stellen diese Rapporte eine genügende Substanziierung des effektiven Aufwandes des Klägers für die ausgeführten Arbeiten dar, was seitens des Beklagten in der Berufung unbestritten bleibt. 
 
Über den so vom Kläger behaupteten tatsächlichen Aufwand haben die kantonalen Gerichte keinen Beweis führen lassen, da substanziiert Einwände des Beklagten fehlten. Nach Auffassung des Obergerichts genügte die mehrfach seitens des Beklagten erfolgte pauschale Bestreitung der Rapporte den Anforderungen an die Substanziierungslast nicht. Demgemäss stellte das Obergericht für den tatsächlichen Aufwand des Klägers auf die Regierapporte und den sich daraus ergebenden Gesamtbetrag von Fr. 108'128.20 ab. Die Berufung des Beklagten auf Art. 375 Abs. 2 OR betrachtete das Obergericht als Treu und Glauben widersprechend. 
 
 
2.- In der Berufung wirft der Beklagte dem Obergericht eine Verletzung von Art. 8 ZGB vor, da es seine Bestreitung des vom Kläger behaupteten tatsächlichen Aufwandes zu Unrecht für ungenügend substanziiert betrachtet habe; dies habe zu einer unzulässigen Umkehr der Beweislast geführt. 
 
a) Art. 8 ZGB regelt zunächst die Verteilung der Beweislast. Durch die Rechtsprechung hat diese Bestimmung darüber hinaus die Bedeutung einer allgemeinen bundesrechtlichen Beweisvorschrift erhalten. Der Richter hat nur über bestrittene, rechtlich relevante Tatsachen Beweis abzunehmen (BGE 118 II 366 und 441 E. 1 S. 443). Art. 8 ZGB ist unter anderem verletzt, wenn der kantonale Richter über rechtserhebliche Tatsachen überhaupt nicht Beweis führen lässt oder Behauptungen einer Partei unbekümmert darum, dass sie von der Gegenpartei bestritten worden sind, als richtig hinnimmt (BGE 105 II 143 E. 6a/aa S. 145 mit Hinweisen). Ob Sachvorbringen oder Bestreitungen hinreichend substanziiert sind, um eine Beurteilung nach Bundesrecht zu ermöglichen, ist eine Frage des Bundesrechts. Das kantonale Recht kann hingegen festlegen, welchen Anforderungen die Behauptungen und Bestreitungen der Parteien zu genügen haben und in welchem Zeitpunkt sie in den Prozess einzubringen sind (BGE 108 II 337 E. 2b-d S. 339 f.). An die Substanziierung von Bestreitungen sind indessen nicht die gleichen Anforderungen wie bei Sachbehauptungen zu stellen. Vielmehr genügt es, wenn die Bestreitung ihrem Zweck entsprechend konkretisiert wird, um den Behauptenden zu der ihm obliegenden Beweisführung zu veranlassen (BGE 115 II 1 E. 4 S. 2 f.; 105 II 143 E. 6a/bb S. 146). Insbesondere dürfen die gestellten Anforderungen nicht auf eine Umkehr der Beweislast hinauslaufen. 
 
b) Der Beklagte hat in der Klageantwort seine generelle Bestreitung des vom Kläger mit den Regierapporten behaupteten tatsächlichen Aufwandes ergänzt mit dem Hinweis, dass er diese Rapporte nicht unterzeichnet und erst nach Abschluss der Arbeiten überhaupt gesehen habe. Eine Überprüfung des behaupteten Aufwandes sei ihm daher nicht möglich. In erster Linie betrachtete er die Rapporte allerdings als nicht erheblich, da die darin aufgeführten Arbeiten unter die seinerseits behauptete Pauschalvereinbarung fallen würden. In der Duplik verneinte der Beklagte einen Beweiswert der Rapporte und verwahrte sich gegen eine Umkehr der Beweislast. In der Berufung führte er dann erneut aus, eine Überprüfung, ob der Aufwand tatsächlich so wie in den Regierapporten festgehalten erbracht worden sei, sei ihm nicht möglich. 
 
Damit hat der Beklagte mit genügender Deutlichkeit zu erkennen gegeben, dass er die Höhe des gesamten vom Kläger mit den Regierapporten behaupteten tatsächlichen Aufwandes bestreitet und verlangt, dass der Kläger diesen beweist. Es liegt also nicht bloss eine einmalige generelle Bestreitung sämtlicher Sachbehauptungen der Gegenpartei vor. Inwieweit der Beklagte seine Bestreitung näher hätte konkretisieren sollen und können, wird vom Obergericht nicht dargelegt. Wenn der Beklagte die Gesamtheit des behaupteten Aufwandes bestreiten wollte und dafür einen Beweis forderte, kann von ihm nicht verlangt werden, dass er seine Bestreitung auf bestimmte einzelne Rapporte hätte einschränken müssen. Eine solche Beschränkung auf einzelne Rapporte hätte detaillierte Kenntnisse über den mit den einzelnen Arbeiten normalerweise verbundenen Aufwand vorausgesetzt und hätte sich zum Nachteil des Beklagten auswirken können. Da der Beklagte die Rapporte erst nach Abschluss der Arbeiten erstmals vorgelegt erhalten hatte, hatte er deren Richtigkeit nicht laufend überprüfen und somit auch seine Bestreitung nicht auf einzelne Rapporte einschränken können, bei welchen er Abweichungen festgestellt hatte. Der Kläger hat es seinerseits unterlassen, bei der Substanziierung seiner Forderung den behaupteten Aufwand auf die verschiedenen ausgeführten Arbeiten aufzuschlüsseln, und sich stattdessen mit der in den Rapporten enthaltenen tageweisen Zusammenstellung begnügt. Damit konnte auch vom Beklagten nicht verlangt werden, dass er seine Bestreitung des Gesamtaufwandes entsprechend spezifiziere und konkretisiere. Vom Bestreitenden würde damit eine Widerlegung der Sachvorbringen des Behauptenden verlangt, was auf eine unzulässige Umkehr der Beweislast hinauslaufen würde (BGE 115 II 1 E. 4 S. 2). Im Zusammenhang mit Forderungen auf Schadenersatz hat das Bundesgericht in BGE 105 II 143 E. 6a/bb S. 146 und BGE 115 II 1 E. 4 S. 2 festgehalten, dass es bezüglich Mass und Berechnung von Schadenersatz dem Belangten nicht verwehrt werden kann, vom Kläger den rechtsgenüglichen Nachweis zu verlangen und sich folglich mit blossem Bestreiten zu begnügen. Das Gleiche muss auch gelten bezüglich des tatsächlichen Aufwandes, für welchen ein Unternehmer vom Besteller Vergütung verlangt. 
 
Für seine gegenteilige Auffassung beruft sich das Obergericht zu Unrecht auf BGE 117 II 113 E. 2 S. 114, wonach das kantonale Recht bundesrechtskonform verlangen könne, dass der Besteller detailliert erklärt, welche Positionen er nicht anerkennt, um dem Unternehmer die Möglichkeit zu geben, darüber Beweis zu führen. In jenem Fall ging es nicht um die Bestreitung des vom Unternehmer behaupteten tatsächlichen Aufwandes, sondern um die Bestreitung, dass der Unternehmer alle in Rechnung gestellten Arbeiten auch ausgeführt habe. Wenn der Unternehmer jedoch selbst den von ihm behaupteten Aufwand nicht nach einzelnen Positionen, das heisst ausgeführten Arbeiten spezifiziert, kann auch der Besteller seine Bestreitung nicht entsprechend detaillieren. Wird der behauptete Aufwand im vollen Umfang bestritten, kann für den Richter kein Zweifel darüber bestehen, welche Positionen in welchem Umfang der Belangte nicht gelten lässt (so BGE 105 II 143 E. 6a/bb S. 146 für die Schadensberechnung). Das Obergericht nennt auch keine Vorschrift des kantonalen Prozessrechts, welche eine weitere Spezifizierung der Bestreitung verlangen würde. Die angeführten Kommentarstellen (Frank/Sträuli/Messmer, Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung, 3. Auflage, N. 5 und 7 zu § 113 ZPO) äussern sich zur Substanziierung der Behauptungen und nicht der Bestreitungen. Zur Substanziierung der Bestreitung wird demgegenüber unter Hinweis auf BGE 117 II 113 lediglich ausgeführt, nicht bundesrechtswidrig sei die Forderung, eine Bestreitung so konkret zu halten, dass sich daraus bestimmen lässt, welche einzelnen Behauptungen des Klägers damit bestritten werden sollen (a.a.O., N. 8 zu § 113 ZPO). 
 
c) Das Obergericht hat somit zu Unrecht die Bestreitung des vom Kläger behaupteten tatsächlichen Aufwandes seitens des Beklagten für unbeachtlich gehalten und diesen ohne Beweis seinem Urteil zugrunde gelegt. Damit wurde Art. 8 ZGB verletzt, weshalb das angefochtene Urteil in Gutheissung der Berufung aufzuheben ist. Entgegen der Auffassung des Beklagten kann das Bundesgericht jedoch nicht selbst die streitige Forderung beurteilen, da dafür zuerst über den bestrittenen tatsächlichen Aufwand nach den Bestimmungen des kantonalen Prozessrechts Beweis geführt werden muss. Die Sache ist deshalb zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Diese hat unter Beachtung der Bestimmungen des kantonalen Prozessrechts über den behaupteten tatsächlichen Aufwand für die nach Aufwand zu vergütenden Arbeiten Beweis abzunehmen. Bei der Beweiswürdigung wird sie sich auch zum Beweiswert der nicht unterzeichneten Tagesrapporte zu äussern haben. 
 
 
3.- Die Berufung ist damit gutzuheissen. Ausgangsgemäss wird der Kläger für das Verfahren vor Bundesgericht kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 156 Abs. 1 und Art. 159 Abs. 1 und 2 OG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1.- Die Berufung wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts (I. Zivilkammer) des Kantons Zürich vom 29. März 1999 wird aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
 
2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'500.-- wird dem Kläger auferlegt. 
 
3.- Der Kläger hat den Beklagten für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 4'000.-- zu entschädigen. 
 
4.- Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht (I. Zivilkammer) des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt. 
 
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Lausanne, 6. April 2000 
 
Im Namen der I. Zivilabteilung 
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: