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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1B_96/2008 
 
Urteil vom 6. Mai 2008 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Féraud, Präsident, 
Bundesrichter Aeschlimann, Eusebio, 
Gerichtsschreiber Forster. 
 
Parteien 
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Roger Vago, 
 
gegen 
 
Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich, Molkenstrasse 15/17, Postfach, 8026 Zürich. 
 
Gegenstand 
Untersuchungshaft, 
 
Beschwerde gegen die Verfügung vom 28. März 2008 des Bezirksgerichts Zürich, Haftrichter. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Die Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich führt eine Strafuntersuchung gegen X.________ wegen (Mittäterschaft oder Teilnahme an) versuchter bzw. vollendeter Körperverletzung, evtl. versuchter Tötung. Der Angeschuldigte befindet sich seit 7. September 2007 in Untersuchungshaft. Ein Haftentlassungsgesuch vom 25. März 2008 wies die Haftrichterin des Bezirksgerichtes Zürich (auf Antrag der Staatsanwaltschaft vom 26. März 2008) mit Verfügung vom 28. März 2008 ab. 
 
B. 
Gegen die Verfügung der Haftrichterin vom 28. März 2008 gelangte X.________ mit Beschwerde in Strafsachen vom 18. April 2008 an das Bundesgericht. Er beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheides und seine unverzügliche Haftentlassung. 
 
Die Staatsanwaltschaft verweist mit Eingabe vom 25. April 2008 auf ihren Haftverlängerungsantrag vom 26. März 2008, während die Haftrichterin am 24. April 2008 auf eine Vernehmlassung verzichtet hat. Der Beschwerdeführer hat am 5. Mai 2008 auf eine Replik verzichtet. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Die Eintretenserfordernisse von Art. 78 ff. BGG (vgl. BGE 133 I 270 E. 1.1 S. 272 f. mit Hinweisen) geben hier zu keinen Bemerkungen Anlass. 
 
2. 
Nach Zürcher Strafverfahrensrecht darf Untersuchungshaft nur angeordnet bzw. fortgesetzt werden, wenn der Angeschuldigte eines Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtig ist und ausserdem ein besonderer Haftgrund (wie etwa Kollusions- oder Fluchtgefahr) vorliegt (§ 58 Abs. 1 StPO/ZH). 
 
3. 
Dem Beschwerdeführer wird von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen, er habe sich am 5. September 2007 an einem Gewaltdelikt beteiligt. Im Rahmen einer Auseinandersetzung mit fünf Kontrahenten habe er einem Mitangeschuldigten ein Hackbeil übergeben und diesen aufgefordert, die Kontrahenten zu schlagen. Der Beschwerdeführer habe den (ebenfalls tamilisch sprechenden) Mitangeschuldigten auf tamilisch angefeuert mit dem Wort "vettu!", was auf deutsch so viel bedeute wie "schneide ihn!" oder "steche ihn!". In der Folge habe der Mitangeschuldigte mit dem Hackbeil mehrmals gegen den Kopf eines Kontrahenten geschlagen. Der Geschädigte sei am linken Arm, den er sich schützend über den Kopf gehalten habe, verletzt worden. Er habe einen Bruch (Abtrennung) der Elle im Ellbogenbereich erlitten. Der Beschwerdeführer habe im Rahmen seiner Tatbeteiligung in Kauf genommen, dass der Geschädigte lebensgefährliche Kopfverletzungen hätte erleiden können. 
 
3.1 Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass er dem Mitangeschuldigten ein "Hackmesser" (das als Küchen- und Metzgereigerät insbesondere dazu dient, Fleisch und Knochen zu zertrennen) übergeben und ihn "gebeten" habe, einen Kontrahenten "zu schneiden". Er habe ihn jedoch nicht aufgefordert, dem Kontrahenten den Kopf abzuschneiden" oder ihm die Halsschlagader zu öffnen. Er stellt sich auf den Standpunkt es sei "vernünftigerweise von einer einfachen Körperverletzung" auszugehen. Damit bestreitet der Beschwerdeführer den dringenden Tatverdacht eines Vergehens (im Sinne von § 58 Abs. 1 StPO/ZH i.V.m. Art. 10 Abs. 3 und Art. 123 StGB) mit Recht nicht. Er rügt jedoch, angesichts des Verdachtes der einfachen Körperverletzung sei "längstens das Stadium von Überhaft eingetreten". 
 
3.2 Die Rüge der übermässigen Haftdauer (Art. 31 Abs. 3 BV) erweist sich als unbegründet: Angesichts der Verletzung, die der Geschädigte erlitt, der verwendeten Tatwaffe, der belastenden Aussagen von Zeugen und der Aussagen des Beschwerdeführers kann im gegenwärtigen Verfahrensstadium ohne Verfassungsverletzung vom dringenden Tatverdacht (der Mittäterschaft oder Teilnahme an) einer vollendeten oder versuchten schweren Körperverletzung ausgegangen werden. Der Beschwerdeführer befindet sich seit 7. September 2007 in Untersuchungshaft. Mittäterschaft bzw. Teilnahme an schwerer Körperverletzung kann mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren bestraft werden (Art. 122 StGB). Die Strafobergrenze für einfache Körperverletzung liegt bei drei Jahren Freiheitsentzug (Art. 123 StGB). Die bisherige Haftdauer von ca. acht Monaten ist noch nicht in grosse Nähe der freiheitsentziehenden Sanktion gerückt, die dem Beschwerdeführer im Falle einer strafrechtlichen Verurteilung wegen Teilnahme am untersuchten Gewaltdelikt droht (vgl. BGE 133 I 270 E. 3.4.2 S. 281 f. mit Hinweisen). 
 
4. 
Die Staatsanwaltschaft legt in ihrem Haftverlängerungsantrag vom 26. März 2008 dar, weshalb ihrer Ansicht nach die besonderen Haftgründe der Kollusionsgefahr, der Fluchtgefahr und der Wiederholungsgefahr erfüllt seien. Im angefochtenen Entscheid bejahte die Haftrichterin das Bestehen von Verdunkelungsgefahr; ob zusätzlich auch noch Flucht- oder Wiederholungsgefahr gegeben seien, liess sie offen. In ihrer Eingabe vom 25. April 2008 verwies die Staatsanwaltschaft nochmals ausdrücklich auf ihren Haftverlängerungsantrag vom 26. März 2008 bzw. die dort dargelegten Haftgründe. Der Beschwerdeführer erhielt Gelegenheit zur Replik. 
 
4.1 Die Staatsanwaltschaft begründet die Annahme von Fluchtgefahr (§ 58 Abs. 1 Ziff. 1 StPO/ZH) wie folgt: Der Beschwerdeführer sei Tamile und Staatsangehöriger von Sri Lanka. Seine fünf Geschwister, zu denen er ein gutes Verhältnis pflege, lebten in seiner Heimat. Von seiner Ehefrau sei er getrennt. Es würde ihm leicht fallen, sich nach Sri Lanka abzusetzen und dort unterzutauchen. Ausserdem drohe ihm im Falle einer Verurteilung eine empfindliche Freiheitsstrafe. 
 
4.2 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes braucht es für die Annahme von Fluchtgefahr eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass sich der Angeschuldigte, wenn er in Freiheit wäre, der Strafverfolgung und dem Vollzug der Strafe durch Flucht entziehen würde. Die Schwere der drohenden Strafe darf als ein Indiz für Fluchtgefahr gewertet werden. Sie genügt jedoch für sich allein nicht, um den Haftgrund zu bejahen. Vielmehr müssen die konkreten Umstände des betreffenden Falles, insbesondere die gesamten Lebensverhältnisse des Angeschuldigten, in Betracht gezogen werden (BGE 125 I 60 E. 3a S. 62; 117 Ia 69 E. 4a S. 70, je mit Hinweisen). So ist es zulässig, die familiären und sozialen Bindungen des Häftlings, dessen berufliche Situation und Schulden sowie Kontakte ins Ausland und Ähnliches mitzuberücksichtigen. Konkrete Anhaltspunkte für eine besondere Unberechenbarkeit und Impulsivität des Inhaftierten können ebenfalls auf eine Neigung zu unüberlegten Reaktionen wie Flucht (oder weitere Delinquenz) hinweisen (vgl. BGE 123 I 268 E. 2e S. 271-273). Auch bei einer befürchteten Ausreise in ein Land, das den Angeschuldigten grundsätzlich an die Schweiz ausliefern bzw. stellvertretend verfolgen könnte, ist die Annahme von Fluchtgefahr nicht ausgeschlossen (BGE 123 I 31 E. 3d S. 36 f.). 
 
4.3 Bei Beschwerden, die gestützt auf das verfassungsmässige Recht der persönlichen Freiheit (Art. 10 Abs. 2, Art. 31 BV) wegen der Ablehnung eines Haftentlassungsgesuches erhoben werden, prüft das Bundesgericht im Hinblick auf die Schwere des Eingriffes die Auslegung und Anwendung des entsprechenden kantonalen Rechtes frei. Soweit jedoch reine Sachverhaltsfragen und damit Fragen der Beweiswürdigung zu beurteilen sind, greift das Bundesgericht nur ein, wenn die tatsächlichen Feststellungen der kantonalen Instanz offensichtlich unrichtig sind oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen (Art. 97 Abs. 1 i.V.m. Art. 105 Abs. 2 BGG; vgl. auch BGE 132 I 21 E. 3.2.3 S. 24 mit Hinweisen). 
 
4.4 Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass er aus Sri Lanka stammt und enge familiäre Verbindungen in seine Heimat hat, wo seine fünf Geschwister wohnhaft sind. Angesichts der Tatsache, dass in der Schweiz und in Westeuropa viele Tamilen leben, wäre auch der Möglichkeit eines Untertauchens in der Schweiz oder im benachbarten Ausland Rechnung zu tragen. Dem Beschwerdeführer wird die Teilnahme an einem schweren Gewaltdelikt vorgeworfen. Im Falle einer Verurteilung wegen Mittäterschaft oder Teilnahme an (versuchter oder vollendeter) schwerer Körperverletzung droht ihm eine empfindliche freiheitsentziehende Sanktion. Nach den Darlegungen der Untersuchungsbehörde bestehe beim Beschwerdeführer eine "Alkoholproblematik"; nach Alkoholkonsum neige er zu aggressiven Impulsdurchbrüchen bzw. Kurzschlusshandlungen. Gemäss Untersuchungsakten ist der Beschwerdeführer wegen Sachbeschädigung vorbestraft; es bestehen ausserdem polizeiliche Vorakten betreffend Drohung, sexuelle Belästigung und Tätlichkeiten. Am 5. Februar 2008 hat die Staatsanwaltschaft ein psychiatrisches Gutachten in Auftrag gegeben, welches insbesondere über den psychischen Gesundheitszustand des Beschwerdeführers und die Frage des Rückfallrisikos Aufschluss geben soll. 
 
4.5 Bei Würdigung der bisherigen Untersuchungsergebnisse bestehen im gegenwärtigen Verfahrensstadium ausreichend konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr. 
 
5. 
Es kann offen bleiben, ob neben der Fluchtgefahr auch noch die separaten besonderen Haftgründe der Kollusions- oder der Wiederholungsgefahr (§ 58 Abs. 1 Ziff. 2-4 StPO/ZH) zu bejahen wären. 
 
Für eine Begrenzung der Untersuchungshaft auf 30 Tage und für die Anordnung von zusätzlichen Beweismassnahmen durch das Bundesgericht (im Sinne des Eventualstandpunktes des Beschwerdeführers) besteht keine Veranlassung. 
 
6. 
Die Beschwerde ist als unbegründet abzuweisen. 
 
Der Beschwerdeführer stellt ein Gesuch um unentgeltliche Prozessführung und Rechtsverbeiständung. Da die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt erscheinen (und insbesondere die finanzielle Bedürftigkeit des Gesuchstellers sich aus den Akten ergibt), kann dem Gesuch entsprochen werden (Art. 64 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird gutgeheissen: 
 
2.1 Es werden keine Kosten erhoben. 
 
2.2 Dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers, Rechtsanwalt Roger Vago, wird für das Verfahren vor Bundesgericht aus der Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 1'500.-- ausgerichtet. 
 
3. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich und dem Bezirksgericht Zürich, Haftrichterin, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 6. Mai 2008 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Féraud Forster