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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
9C_456/2020  
 
 
Urteil vom 6. Mai 2021  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Parrino, Präsident, 
Bundesrichter Stadelmann, 
Bundesrichterin Moser-Szeless, 
Gerichtsschreiber Grünenfelder. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Stiftung Auffangeinrichtung BVG, Recht & Compliance, 
Elias-Canetti-Strasse 2, 8050 Zürich, 
vertreten durch Advokatin Simone Emmel, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Vorsorge A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Daniel Staffelbach, 
Beschwerdegegnerin, 
 
1.       Pensionskasse B.________, 
       vertreten durch Prof. Dr. Marc Hürzeler, 
2.       C.________, 
       vertreten durch Rechtsdienst Inclusion Handicap. 
 
Gegenstand 
Berufliche Vorsorge, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 16. Dezember 2019 (BV.2019.1). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Die 1973 geborene C.________ arbeitete von Oktober 2006 bis Ende Juni 2009 (Freistellung ab Anfang März 2009) bei der X.________ AG und war bei der Vorsorge A.________ berufsvorsorgeversichert. Per 1. Mai 2009 fand sie bei der Gesellschaft Y.________ eine neue Stelle, welche sie bis am 28. Februar 2010 innehatte, und war für die berufliche Vorsorge bei der Pensionskasse B.________ versichert. In der Folge bezog C.________ vom 8. April 2010 bis 31. März 2012 Arbeitslosentaggelder. Während dieser Zeit war sie bei der Stiftung Auffangeinrichtung BVG (nachfolgend: Auffangeinrichtung) angeschlossen.  
 
A.b. Am 19. Januar 2011 meldete sich C.________ bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Zürich sprach ihr ab 1. Mai 2012 eine ganze Invalidenrente zu (Verfügung vom 17. Januar 2013).  
 
A.c. Die Auffangeinrichtung erbrachte unter Hinweis, dass die Vorsorge A.________ zuständig sei, die gesetzlichen Vorleistungen (Schreiben vom 28. April 2015). Mit Schreiben vom 1. März 2018 bestritt die Pensionskasse B.________ ihre Leistungspflicht.  
 
B.   
Am 1. Februar 2019 erhob die Auffangeinrichtung Klage und beantragte, die Vorsorge A.________ sei zu verpflichten, ihr Fr. 73'712.54 zuzüglich Zins zu 2,75 % vom 4. Mai bis 31. Dezember 2015, Zins zu 2,25 % vom 1. bis 31. Dezember 2016 und Zins zu 2 % seit 1. Januar 2017 zu bezahlen (Klageänderung vom 23. August 2019). Mehrforderungen für die seit 1. Januar 2019 erbrachten Vorleistungen vorbehalten. Vorfrageweise sei festzustellen, dass die Vorsorge A.________ gegenüber ihrer ehemaligen Versicherten C.________ leistungspflichtig sei. Eventualiter sei die Pensionskasse B.________ zu verpflichten, ihr Fr. 73'712.54 zuzüglich Zins von 2,75 % vom 4. Mai bis 31. Dezember 2015, Zins zu 2,25 % vom 1. bis 31. Dezember 2016 und Zins zu 2 % seit 1. Januar 2017 zu bezahlen. Mehrforderungen für die seit 1. Januar 2019 erbrachten Vorleistungen vorbehalten. Vorfrageweise sei festzustellen, dass die Pensionskasse B.________ gegenüber ihrer ehemaligen Versicherten C.________ leistungspflichtig sei. 
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt hiess die Klage mit Entscheid vom 16. Dezember 2019 insoweit gut, als es die Vorsorge A.________ zur Rückerstattung der nach Art. 26 Abs. 4 BVG erbrachten Vorleistungen an die Klägerin verpflichtete. Hingegen verneinte das kantonale Gericht die Ausrichtung eines Verzugszinses sowie die Verzinsung der Vorleistung. Die Klage gegen die Pensionskasse B.________ wies es gleichfalls ab. 
 
C.   
Die Auffangeinrichtung führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt, in teilweiser Aufhebung des angefochtenen Entscheides sei die Vorsorge A.________ zu verpflichten, zusätzlich zu den zurückzuerstattenden Vorleistungen einen Zins von 2,75 % vom 4. Mai bis 31. Dezember 2015, einen Zins von 2,25 % vom 1. Januar bis 31. Dezember 2016 und einen Zins von 2 % seit 1. Januar 2017 zu bezahlen. Eventualiter sei die Sache zur Bemessung der Verzinsung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Sodann sei das vorliegende Verfahren bis zum Abschluss der Verfahren 9C_63/2020 und 9C_185/2020 zu sistieren. 
Die Vorsorge A.________ beantragt unter Hinweis auf die durch das am 7. Januar 2021 ergangene Urteil 9C_63/2020 (publ. in: BGE 147 V 10) inzwischen geklärte Zinsfrage, es sei in Anwendung von Art. 66 Abs. 1 BGG auf die Erhebung von Gerichtskosten zu verzichten und ihr gemäss Art. 68 Abs. 3 BGG keine Parteientschädigung aufzuerlegen. C.________ und das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2.  
 
2.1. Es steht fest, dass die Beschwerdegegnerin der Versicherten Invalidenleistungen auszurichten hat (vgl. Art. 23 BVG), nachdem die relevante gesundheitsbedingte Leistungseinbusse unbestritten im Sommer 2008 eintrat und der zeitliche Konnex in der Folge nie unterbrochen war. Folglich hat die Beschwerdegegnerin die von der Beschwerdeführerin erbrachten Vorleistungen nach Art. 26 Abs. 4 Satz 2 BVG zurückzuerstatten.  
Streitig und zu prüfen ist einzig, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzt hat, indem sie auf den vorgeleisteten Betrag keinen Zins gewährte. 
 
2.2. Das kantonale Gericht hat diesbezüglich auf BGE 145 V 18 verwiesen und erwogen, danach habe die definitiv leistungspflichtige Vorsorgeeinrichtung der vorleistungspflichtigen Vorsorgeeinrichtung auf den zurückzuerstattenden Betrag keinen Verzugszins zu bezahlen. Die vorliegende Streitigkeit beziehe sich denn auch auf eine Regressforderung. Zudem sehe Art. 26 Abs. 4 BVG keine Verzinsung vor, welcher Art auch immer. Eine solche lasse sich weder aus dem Wortlaut noch aus der Entstehungsgeschichte oder den Materialien ableiten. Das Bundesgericht habe die Zinsfrage in BGE 145 V 18 somit nicht offen gelassen, sondern es habe explizit auf den Wortlaut des Art. 26 Abs. 4 BVG und das Fehlen einer darin statuierten Verzinsung abgestellt. Daran ändere auch Art. 7 der Verordnung über die Freizügigkeit in der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (FZV; SR 831.425) nichts.  
 
3.  
 
3.1. Wohl verneinte das Bundesgericht in BGE 145 V 18 eine Verzugszinspflicht der definitiv leistungspflichtigen Trägerin nach Art. 26 Abs. 4 BVG. In der nicht publizierten Erwägung 2.4 dieses, am 30. Januar 2019 ergangenen Urteils trat es indes entgegen der Auffassung der Vorinstanz auf das Begehren betreffend Verzinsung der Rückgriffsforderung aus prozessualen Gründen ausdrücklich nicht ein und entschied in der Folge einzig über die Verzugszinspflicht. Dementsprechend änderte die Beschwerdeführerin ihre Rechtsbegehren in der vorinstanzlichen Replik insoweit ab, als sie nicht mehr Verzugszins, sondern Verzinsung der Rückgriffsforderung beantragte, unter Hinweis darauf, dass Verzugszins und der eigentliche Zins zu unterscheiden sind (BGE 147 V 10 E. 4.1 mit Hinweisen).  
 
3.2. In BGE 147 V 10 hat das Bundesgericht die Zinspflicht im vorliegend interessierenden Kontext geprüft. Gemäss Erwägung 4.3 verleiht Art. 26 Abs. 4 BVG der Vorsorgeeinrichtung, welche Vorleistungen erbracht hat, in diesem Umfang unmittelbar von Gesetzes wegen einen Regressanspruch gegen die letztlich leistungspflichtige Vorsorgeeinrichtung. Die vorleistungspflichtige Vorsorgeeinrichtung soll nach Ausübung ihres Regressrechts so gestellt sein, wie wenn sie nie eine Vorleistung bezahlt hätte. Sind vorleistende und definitiv leistungspflichtige Vorsorgeeinrichtung nicht identisch, so beläuft sich der Schaden der Ersteren auf sämtliches Kapital, das sie durch die Vorleistungspflicht nicht zur Verfügung hat, wohingegen die eigentlich leistungspflichtige Vorsorgeträgerin das entsprechende Guthaben in dieser Zeit gewinn- resp. zinsbringend anlegen kann. Dieser Zinsverlust ist auf dem Regressweg auszugleichen. Mithin liegt eine zu Art. 50 f. OR ähnliche Situation vor. Es besteht insoweit Anspruchskonkurrenz, als der Anspruch der versicherten Person - welche die vorleistungspflichtige Trägerin nach Art. 26 Abs. 4 BVG ins Recht gefasst hat - im Umfang der Vorleistung gegenüber der effektiv leistungspflichtigen Vorsorgeeinrichtung erlischt. Gleichzeitig erlangt die vorleistungspflichtige Einrichtung einen Regressanspruch, den sie direkt gegen die definitiv leistungspflichtige Vorsorgeeinrichtung durchsetzen kann, womit Regress- bzw. Schadenszins zu Gunsten der vorleistungspflichtigen Vorsorgeeinrichtung anfällt. Die Höhe des anwendbaren Zinssatzes richtet sich, wie der Erwägung 5 des oberwähnten Urteils zu entnehmen ist, nach dem BVG-Mindestzinssatz (Art. 15 Abs. 2 BVG in Verbindung mit Art. 12 der Verordnung über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge [BVV 2; SR 831.41.1]) plus ein Prozent.  
 
3.3. Nachdem hier - wie auch im Verfahren 9C_185/2020 - eine identische Sach- und Rechtslage besteht, ist eine Zinspflicht der Beschwerdegegnerin zu Gunsten der Beschwerdeführerin im Umfang der erbrachten Vorleistungen ohne Weiteres zu bejahen. Angesichts des die strittige Rechtsfrage umfassend klärenden BGE 147 V 10 beläuft sich der geschuldete Zins vorliegend unbestritten auf 2,75 % vom 4. Mai bis 31. Dezember 2015, auf 2,25 % vom 1. Januar bis 31. Dezember 2016 auf 2 % seit 1. Januar 2017 (vgl. Art. 107 Abs. 1 BGG). Die Beschwerde ist begründet.  
 
4.   
Mit Vorliegen von BGE 147 V 10 und des Urteils 9C_185/2020 vom 13. April 2021 wird das Sistierungsbegehren der Beschwerdeführerin gegenstandslos. 
 
5.   
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind die Gerichtskosten der Beschwerdegegnerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Besondere Umstände, welche einen Verzicht auf die Erhebung von Gerichtskosten nach Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG rechtfertigen könnten, sind nicht zu ersehen. Als mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauter Organisation ist der Beschwerdeführerin keine Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird gutgeheissen und Dispositiv-Absatz 1 des Entscheides des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 16. Dezember 2019 wie folgt abgeändert: 
 
"In Gutheissung der Klage wird die Beklagte 1 zur Rückerstattung der erbrachten Vorleistungen gemäss Art. 26 Abs. 4 BVG an die Klägerin verpflichtet, samt Zins von 2,75 % vom 4. Mai bis 31. Dezember 2015, von 2,25 % vom 1. Januar bis 31. Dezember 2016 und von 2 % seit 1. Januar 2017." 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 6000.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, der Pensionskasse B.________, C.________, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 6. Mai 2021 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Parrino 
 
Der Gerichtsschreiber: Grünenfelder