Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6B_350/2017  
   
   
 
 
 
Urteil vom 6. November 2017  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Bundesrichter Oberholzer, Rüedi, 
Gerichtsschreiber Matt. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Marco Del Fabro, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8090 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Revision, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Strafkammer, vom 19. Januar 2017 (SR160022). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Staatsanwaltschaft Limmattal/Albis verurteilte X.________ mit Strafbefehl vom 14. Januar 2016 wegen grober Verletzung der Verkehrsregeln unter Auferlegung der Verfahrenskosten zu einer bedingten Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu Fr. 200.-- sowie einer Busse von Fr. 400.--. Der Strafbefehl erwuchs in Rechtskraft. 
 
B.  
Mit Revisionsgesuch vom 12. September 2016 beantragte X.________, der Strafbefehl vom 14. Januar 2016 sei aufzuheben und er sei freizusprechen. Das Obergericht des Kantons Zürich trat am 19. Januar 2017 auf das Gesuch nicht ein und auferlegte X.________ eine Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.--. 
 
C.  
X.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, der obergerichtliche Beschluss sei aufzuheben. Die Angelegenheit sei zur materiellen Prüfung des Revisionsgesuchs an das Obergericht zurückzuweisen und die Kosten des obergerichtlichen Verfahrens von Fr. 1'000.-- seien dem Kanton Zürich aufzuerlegen. Die Kosten des bundesgerichtlichen Beschwerdeverfahrens seien dem Kanton Zürich aufzuerlegen und dem Beschwerdeführer sei eine Parteientschädigung zuzusprechen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 410 Abs. 1 lit. a, Art. 412 und Art. 413 StPO sowie eine aktenwidrige Sachverhaltsfeststellung durch die Vorinstanz.  
 
1.2.  
 
1.2.1. Wer durch ein Strafurteil oder einen Strafbefehl beschwert ist, kann nach Art. 410 Abs. 1 lit. a StPO die Revision verlangen, wenn neue, vor dem Entscheid eingetretene Tatsachen oder neue Beweismittel vorliegen, die geeignet sind, einen Freispruch oder eine wesentlich mildere Bestrafung der verurteilten Person herbeizuführen. Unter Tatsachen sind Umstände zu verstehen, die im Rahmen des dem Urteil zu Grunde liegenden Sachverhalts von Bedeutung sind. Mit Beweismitteln wird der Nachweis von Tatsachen erbracht (BGE 137 IV 59 E. 5.1.1 S. 66). Tatsachen und Beweismittel sind neu, wenn das Gericht im Zeitpunkt der Urteilsfällung keine Kenntnis von ihnen hatte, das heisst, wenn sie ihm nicht in irgendeiner Form unterbreitet worden sind (BGE 137 IV 59 E. 5.1.2 S. 66 f.; 130 IV 72 E. 1 S. 73). Nach der Rechtsprechung kann ein neues Gutachten unter anderem eine Revision rechtfertigen, wenn es geeignet ist, eine neue Tatsache zu beweisen (BGE 137 IV 59 E. 5.1.2 S. 67; 101 IV 247 E. 2 S. 249; siehe auch Urteil 6B_539/2008 vom 8. Oktober 2008 E. 1.3). Neue Tatsachen und Beweismittel sind erheblich, wenn sie geeignet sind, die tatsächlichen Feststellungen, auf die sich die Verurteilung stützt, zu erschüttern, und wenn die so veränderten Tatsachen einen deutlich günstigeren Entscheid zugunsten des Verurteilten ermöglichen (BGE 137 IV 59 E. 5.1.4 S. 68; 130 IV 72 E. 1 S. 73). Die Revision ist zuzulassen, wenn die Abänderung des früheren Urteils wahrscheinlich ist. Der Nachweis einer solchen Wahrscheinlichkeit darf nicht dadurch verunmöglicht werden, dass für die neue Tatsache ein Beweis verlangt wird, der jeden begründeten Zweifel ausschliesst (BGE 116 IV 353 E. 4e S. 360 f.).  
 
1.2.2. Das Revisionsverfahren gemäss StPO gliedert sich grundsätzlich in zwei Phasen, nämlich eine Vorprüfung (Art. 412 Abs. 1 und 2 StPO) sowie eine materielle Prüfung der geltend gemachten Revisionsgründe (Art. 412 Abs. 3 und 4 sowie Art. 413 StPO). Es handelt sich um ein zweistufiges Verfahren, für welches das Berufungsgericht zuständig ist (Art. 412 Abs. 1 und 3 StPO).  
Gemäss Art. 412 Abs. 2 StPO tritt das Gericht auf das Revisionsgesuch nicht ein, wenn es offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist oder mit den gleichen Vorbringen schon früher gestellt und abgelehnt wurde. Bei dieser vorläufigen und summarischen Prüfung sind grundsätzlich die formellen Voraussetzungen zu klären. Das Gericht kann jedoch auf ein Revisionsgesuch auch nicht eintreten, wenn die geltend gemachten Revisionsgründe offensichtlich unwahrscheinlich oder unbegründet sind (Urteile 6B_545/2014 vom 13. November 2014 E. 1.2; 6B_1163/2013 vom 7. April 2014 E. 1.2; 6B_415/2012 vom 14. Dezember 2012 E. 1.1 mit Hinweisen). 
 
1.2.3. Ein Gesuch um Revision eines Strafbefehls muss als missbräuchlich qualifiziert werden, wenn es sich auf Tatsachen stützt, die dem Verurteilten von Anfang an bekannt waren, die er ohne schützenswerten Grund verschwieg und die er in einem ordentlichen Verfahren hätte geltend machen können, welches auf Einsprache hin eingeleitet worden wäre. Demgegenüber kann die Revision eines Strafbefehls in Betracht kommen wegen wichtiger Tatsachen oder Beweismittel, die der Verurteilte im Zeitpunkt, als der Strafbefehl erging, nicht kannte oder die schon damals geltend zu machen für ihn unmöglich war oder keine Veranlassung bestand (BGE 130 IV 72 E. 2.3 S. 75 f.). Rechtsmissbrauch ist nur mit Zurückhaltung anzunehmen. Es ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob unter den gegebenen Umständen das Revisionsgesuch dazu dient, den ordentlichen Rechtsweg zu umgehen (vgl. BGE 130 IV 72 E. 2.2 S. 74 und E. 2.4 S. 76; Urteile 6B_1163/2013 vom 7. April 2014 E. 1.3 und 6S.61/2002 vom 16. Mai 2003 E. 3.4).  
 
1.3.  
 
1.3.1. Der Beschwerdeführer und die Vorinstanz gehen übereinstimmend davon aus, dass die Untersuchungsakten ein Rotüberfahrprotokoll vom 9. Oktober 2015 enthielten, welches dem Beschwerdeführer bei der Einvernahme durch die Staatsanwaltschaft vom 14. Januar 2016 nicht vorgehalten wurde.  
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass ihm am Ende der Einvernahme die Möglichkeit gegeben wurde, Einsicht in die vollständigen Untersuchungsakten zu nehmen, und dass er darauf verzichtete. Die Vorinstanz schliesst aus diesem Umstand zu Recht, dass das Rotüberfahrprotokoll kein neues Beweismittel darstellt, zumal ausser Zweifel steht, dass die Staatsanwaltschaft den Strafbefehl in Kenntnis des Rotüberfahrprotokolls erliess. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ändert daran nichts, dass ihm während der Einvernahme andere Aktenstücke vorgelegt wurden. 
 
1.3.2. Die Vorinstanz führt aus, der Beschwerdeführer habe seinen Rechtsvertreter mandatiert, nachdem die Einsprachefrist abgelaufen und das Administrativmassnahmeverfahren in die Wege geleitet worden sei. Dieser habe die Häufung von langen Rotüberfahrzeiten im Rotüberfahrprotokoll bemerkt, was Zweifel an der Verlässlichkeit des Berichts über die Prüfung und Auswertung der Lichtsignalsteuerung habe aufkommen lassen. Der Beschwerdeführer habe darauf einen Experten beauftragt, welcher sein Gutachten am 24. August 2016 erstattet habe. Die Vorinstanz erwägt, dieses Privatgutachten sei eine neue Tatsache bzw. ein neues Beweismittel, da es bei Erlass des Strafbefehls noch nicht existierte. Aus dem Strafbefehl ergebe sich, dass der Beschwerdeführer mit seinem Personenwagen ein Rotlicht überfahren habe, welches bereits seit 17.6 Sekunden auf Rot gestanden sei. In seinem Revisionsgesuch mache er geltend, er habe das Lichtsignal nicht bei Rot überfahren. Im Strafbefehl sei gerade beurteilt worden, ob er bei Rot über die Kreuzung gefahren sei, weshalb der Beschwerdeführer hätte Einsprache erheben und diese Behauptungen im Verfahren nach Art. 355 und Art. 356 StPO einbringen können. Wie die Vorinstanz zutreffend erwägt, ist nicht verständlich, weshalb der Beschwerdeführer von einer Einsprache absah und auf die Möglichkeit verzichtete, seine Einwände in einem gerichtlichen Verfahren vorzubringen.  
 
1.3.3. Im Urteil 6B_864/2014 vom 16. Januar 2015, welches der Beschwerdeführer anruft, war unklar, ob der dortige Beschwerdeführer erst nach Erlass des Strafbefehls durch Zeitungsberichte, eine Interpellation eines Grossrats und der Antwort des Regierungsrats des Kantons Aargau auf die allgemeine Unzuverlässigkeit von Drogenschnelltests aufmerksam geworden war (vgl. dort E. 1.4 f.). Demgegenüber steht vorliegend ausser Zweifel, dass der Beschwerdeführer die Akten mit dem Rotüberfahrprotokoll hätte einsehen und auf die Häufung von langen Rotüberfahrzeiten stossen können. Wie die Vorinstanz willkürfrei feststellt, bewog ihn erst das Administrativmassnahmeverfahren mit einem Führerausweisentzug von 12 Monaten, einen Rechtsanwalt aufzusuchen und weitere Abklärungen zu treffen. Unter diesen Umständen erscheint das Revisionsgesuch als Mittel, um den ordentlichen Rechtsweg zu umgehen. Ob der Beschwerdeführer bei Konsultation des Rotüberfahrprotokolls ohne weiteres auf die langen Rotüberfahrzeiten aufmerksam geworden wäre oder ob die Staatsanwaltschaft diese bemerkt hatte, ist unerheblich. Jedenfalls kann nicht gesagt werden, dass es für den Beschwerdeführer unmöglich gewesen wäre, Einsprache zu erheben und das Privatgutachten eher in Auftrag zu geben.  
 
1.4. Die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung kann nur gerügt werden, wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; vgl. auch Art. 105 Abs. 2 BGG). Nach dem Gesagten ist ohne Belang, ob der Beschwerdeführer vor der Rechtskraft des Strafbefehls tatsächlich Kenntnis von der Häufung von langen Rotüberfahrzeiten hatte, weshalb auf seine diesbezügliche Sachverhaltsrüge nicht einzutreten ist.  
 
2.  
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Der unterliegende Beschwerdeführer hat die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 6. November 2017 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Der Gerichtsschreiber: Matt