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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1B_320/2008 
 
Urteil vom 7. Januar 2009 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Féraud, Präsident, 
Bundesrichter Reeb, Eusebio, 
Gerichtsschreiber Forster. 
 
Parteien 
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Alexander Kunz, 
 
gegen 
 
Bezirksamt Rheinfelden, Kirchplatz 2, Postfach, 
4310 Rheinfelden, 
Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau, 
Frey-Herosé-Strasse 12, 5001 Aarau. 
 
Gegenstand 
Vorzeitiger Massnahmenvollzug, 
 
Beschwerde gegen die Verfügung vom 7. November 2008 des Obergerichtes des Kantons Aargau, Präsidium der Beschwerdekammer. 
Sachverhalt: 
 
A. 
Das Bezirksamt Rheinfelden führt eine Strafuntersuchung gegen X.________ wegen mehrfachen qualifizierten Raubes und Tötungsversuches. Er wurde am 15. Februar 2008 verhaftet und befindet sich seither (mit kurzen Unterbrüchen) in strafprozessualer Haft. 
 
B. 
Mit Eingaben vom 26. September bzw. 23. Oktober 2008 stellte der Angeschuldigte beim Bezirksamt Rheinfelden den Antrag, es sei ihm der vorzeitige Massnahmenvollzug im "Arxhof" zu bewilligen; eventualiter sei er aus der Untersuchungshaft zu entlassen. Am 27. Oktober 2008 überwies das Bezirksamt die Eingaben an die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau zur Kenntnisnahme und Weiterleitung an das Obergericht. Am 30. Oktober 2008 beantragte die Staatsanwaltschaft beim Präsidium der Beschwerdekammer des Obergerichtes des Kantons Aargau die Nichtbewilligung des vorzeitigen Massnahmenantrittes. Mit Verfügung vom 7. November 2008 wies der Vizepräsident der Beschwerdekammer das Gesuch um vorzeitigen Massnahmenvollzug (und das eventualiter gestellte Haftentlassungsgesuch) ab. 
 
C. 
Gegen den Entscheid des kantonalen Haftrichters vom 7. November 2008 gelangte X.________ mit Beschwerde vom 10. Dezember 2008 an das Bundesgericht. Er beantragt, die angefochtene Verfügung sei aufzuheben und es sei ihm der vorzeitige Massnahmenvollzug zu bewilligen; eventualiter sei die Streitsache an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Die Staatsanwaltschaft und der kantonale Haftrichter haben auf Vernehmlassungen je ausdrücklich verzichtet, während vom Bezirksamt keine Stellungnahme eingegangen ist. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Angefochten ist ein strafprozessualer (kantonal letztinstanzlicher) Zwischenentscheid. Streitig ist im Verfahren vor Bundesgericht nur noch die Nichtbewilligung des vorzeitigen Massnahmenantrittes; ein Gesuch um Entlassung aus der strafprozessualen Haft stellt der Beschwerdeführer nicht mehr. 
Die Sachurteilsvoraussetzungen (von Art. 78 ff. i.V.m. Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG) sind grundsätzlich erfüllt. 
 
Nicht eingetreten werden kann auf materiellstrafrechtlich-sanktionenrechtliche Vorbringen, die nicht Prüfungsgegenstand des angefochtenen strafprozessualen Zwischenentscheides bilden. 
 
2. 
Im angefochtenen Entscheid wird erwogen, mit einer Anordnung von vorzeitigem Massnahmenvollzug könnte die durch das Strafgericht (im Falle einer Verurteilung) zu bestimmende Sanktion "faktisch präjudiziert" werden. Praxisgemäss seien daher eindeutige Verhältnisse vorauszusetzen. Der Massnahmenvollzug müsse dringlich und die Entwicklung des Angeschuldigten (bei einer Fortdauer der Untersuchungshaft) gefährdet erscheinen. Zwar empfehle das Gutachten der Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel vom 26. August 2008 als strafrechtliche Sanktion die Einweisung des Beschwerdeführers in eine Einrichtung für junge Erwachsene (gemäss Art. 61 StGB). Weder aus dem Gutachten noch aus den übrigen Akten ergebe sich jedoch ein Hinweis darauf, dass der Vollzug einer solchen Massnahme dringlich wäre. Hinzu komme, dass die Anklageerhebung und Verhandlung vor Bezirksgericht innert absehbarer Zeit erfolgen könnten. Das erkennende Strafgericht habe die zulässige und gebotene Sanktion dannzumal einlässlich zu prüfen. 
 
3. 
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Bundesrecht. Weder das kantonale Strafprozessrecht noch das StGB setzten als Voraussetzung des vorzeitigen Massnahmenantrittes eine Dringlichkeit voraus. Gemäss Art. 58 Abs. 1 StGB sei erforderlich, dass eine Massnahme (insbesondere nach Art. 61 StGB) zu erwarten ist. Aus dem psychiatrischen Gutachten und dem angefochtenen Entscheid selbst werde ersichtlich, dass sich in seinem Fall eine Massnahme nach Art. 61 StGB (Einweisung in eine Einrichtung für junge Erwachsene) aufdränge. Dass die Vorinstanz (ohne vorherigen Hinweis darauf bzw. ohne seine diesbezügliche Anhörung) die Frage geprüft habe, ob der vorzeitige Massnahmenantritt dringlich sei, verletze sein rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV). Zwar sei er, der Beschwerdeführer, bereits zwei Mal aus einer offenen Strafanstalt ausgerissen, und während seiner zweiten Flucht habe er erneut delinquiert. Seit seiner letzten Versetzung in die Untersuchungshaft seien jedoch keine weiteren Fluchtversuche erfolgt. Durch deren Fortdauer werde seine Gesundheit unnötigerweise einem Risiko ausgesetzt. Am 17. November 2008 habe er ohne Rücksprache mit seinem Verteidiger einen Antrag auf Versetzung in den vorzeitigen Strafvollzug (in der Strafanstalt Lenzburg) gestellt, den er jedoch wieder zurückgezogen habe. Die Verweigerung des vorzeitigen Massnahmenantrittes sei willkürlich und unverhältnismässig; sie verletze ausserdem Art. 58 Abs. 1 i.V.m. Art. 61 StGB
 
4. 
Nach aargauischem Strafprozessrecht kann anstelle von Untersuchungshaft der vorzeitige Vollzug einer strafrechtlichen Massnahme gestattet oder angeordnet werden. Die Staatsanwaltschaft ist vor der Bewilligung des vorzeitigen Massnahmenantrittes anzuhören (§ 75 Abs. 5 StPO/AG). Art. 58 Abs. 1 StGB sieht vor, dass "dem Täter" gestattet werden könne, den Vollzug einer Massnahme (nach den Artikeln 59-61 bzw. 63 StGB) vorzeitig anzutreten, falls die richterliche Anordnung einer entsprechenden Sanktion zu erwarten ist. 
 
5. 
Im Verfahren vor Bundesgericht bestreitet der Beschwerdeführer die Voraussetzungen der Weiterdauer der strafprozessualen Haft in Form des vorzeitigen Massnahmenantrittes nicht. Dementsprechend stellt er keinen Haftentlassungsantrag, und er räumt (unter dem Gesichtspunkt des strafprozessualen Haftgrundes der Fluchtgefahr) auch ein, dass er bereits "zwei Mal aus einer offenen Strafanstalt ausgerissen" sei. Er stellt sich aber auf den Standpunkt, er habe einen bundes- bzw. verfassungsrechtlichen Anspruch auf Versetzung aus der Untersuchungshaft in den vorzeitigen Massnahmenvollzug. 
 
5.1 Zu prüfen ist, ob das kantonale Prozessrecht (betreffend Fortdauer der Untersuchungshaft bzw. Nichtversetzung in den vorzeitigen Massnahmenvollzug) verfassungs- und bundesrechtskonform angewendet wurde. 
 
5.2 Für die hier streitige strafprozessuale Haft enthält § 67 StPO/AG eine ausreichende gesetzliche Grundlage (im Sinne von Art. 31 Abs. 1 und Art. 36 Abs. 1 BV). Die Voraussetzungen der Untersuchungshaft (soweit sie mit denjenigen des vorzeitigen Massnahmenantrittes übereinstimmen) werden vom Beschwerdeführer nicht bestritten. Die Nichtbewilligung des vorzeitigen Massnahmenvollzuges erscheint im aktuellen Verfahrensstadium sachlich vertretbar und verhältnismässig. Die Strafverfolgungsbehörden haben schwere Delikte zu untersuchen (Tötungsversuch an einer jungen Frau durch Würgen bis zur Bewusstlosigkeit sowie mehrfachen qualifizierten Raub). Die Versetzung des Beschwerdeführers aus dem früheren vorzeitigen Sanktionsvollzug (in der offenen Strafanstalt Schöngrün) in die Untersuchungshaft ist unbestrittenermassen auf sein mehrfaches Ausreissen bzw. auf seine Fluchtaktionen und die dabei begangenen weiteren Straftaten zurückzuführen. Nach den vorliegenden Akten und den Darlegungen der kantonalen Behörden kann eine Anklageerhebung vor dem erkennenden Strafgericht bald erwartet werden. Es drängen sich (auch angesichts des am 17. November 2008 gestellten und unterdessen wieder zurückgezogenen Gesuches des Beschwerdeführers um vorzeitigen Strafantritt) zudem Fragen zur Massnahmenbereitschaft des Beschwerdeführers auf, die im psychiatrischen Gutachten vom 26. August 2008 (Seite 30) nur kursorisch geprüft wurden. Bei Würdigung sämtlicher Umstände ist hier weder eine verfassungswidrige Anwendung des kantonalen Strafprozessrechts ersichtlich, noch eine Verletzung bzw. Vereitelung von Bundesstrafrecht. 
 
5.3 Dass die Vorinstanz bei der Anwendung des kantonalen Strafprozessrechts unter anderem erwogen hat, es ergebe sich weder aus dem psychiatrischen Gutachten, noch aus den übrigen Akten, dass der (vorzeitige) Massnahmenvollzug dringlich erschiene, verletzt den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) offensichtlich nicht. Wie sich aus den Verfahrensakten ergibt, hatte er im kantonalen Verfahren ausreichend Gelegenheit, sich zum Gutachten und zu den übrigen relevanten Beweismitteln zu äussern. 
 
5.4 Nicht eingetreten werden kann auf weitere materiellstrafrechtlich-sanktionenrechtliche Vorbringen, die nicht Prüfungsgegenstand des streitigen strafprozessualen Zwischenentscheides bilden. Im angefochtenen Entscheid war die Frage zu beurteilen, ob die Voraussetzungen der strafprozessualen Haft (insbesondere in Form eines vorzeitigen Massnahmenantrittes) erfüllt sind. Über eine allfällige strafrechtliche Sanktion wurde nicht entschieden. Diese wird (bei einer Anklageerhebung und Verurteilung) vom erkennenden Strafgericht zu prüfen sein. Insofern ist dem Strafrichter hier nicht vorzugreifen. 
 
6. 
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten wird. Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht zuzusprechen (Art. 68 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten ist. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Bezirksamt Rheinfelden sowie der Staatsanwaltschaft und dem Obergericht des Kantons Aargau, Präsidium der Beschwerdekammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 7. Januar 2009 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Féraud Forster