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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
8C_233/2010 
 
Urteil vom 7. Januar 2011 
I. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Ursprung, Präsident, 
Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Niquille, Bundesrichter Maillard, 
Gerichtsschreiber Jancar. 
 
Verfahrensbeteiligte 
P.________, 
handelnd durch ihre Mutter und diese 
vertreten durch Rechtsdienst Integration Handicap, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
IV-Stelle des Kantons Aargau, 
Kyburgerstrasse 15, 5000 Aarau, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Hilflosenentschädigung), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 26. Januar 2010. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Die 1998 geborene P.________ leidet an einem allgemeinen kognitiven Entwicklungsrückstand, motorischer Ungeschicklichkeit bei Muskelhypotonie und Makrozephalie. Am 29. April/26. Mai 1998 meldete sie sich bei der Invalidenversicherung (IV) zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Aargau gewährte ihr medizinische Massnahmen, Sonderschulmassnahmen und Ergotherapie. Am 24. Januar 2008 verlangte die Versicherte die Ausrichtung von Hilflosenentschädigung. Mit Verfügung vom 11. März 2009 sprach ihr die IV-Stelle ab 1. Januar 2007 (für die der Anmeldung vorangehenden 12 Monate) bis 31. Januar 2012 (Revision) eine Hilflosenentschädigung wegen mittelschwerer Hilflosigkeit zu. 
 
B. 
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 26. Januar 2010 ab. 
 
C. 
Mit Beschwerde beantragt die Versicherte, in Aufhebung des kantonalen Entscheides sei ihr eine Hilflosenentschädigung auch fünf Jahre rückwirkend vom Anmeldedatum, frühestens aber ab Anspruchsbeginn zu erbringen. 
 
Die IV-Stelle schliesst auf Beschwerdeabweisung. Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) verzichtet vernehmlassungsweise auf einen Antrag. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Immerhin prüft es, unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG) und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Dies ist aufgrund der Vorbringen in der Beschwerde zu prüfen (nicht publ. E. 1 des Urteils BGE 135 V 306, in SVR 2009 IV Nr. 52 S. 161 [8C_763/2008]). 
 
Rechtsfrage ist die richtige Auslegung und Anwendung des Rechtsbegriffs der Hilflosigkeit, die Beachtung des Untersuchungsgrundsatzes und der Beweiswürdigungsregeln nach Art. 43 Abs. 1 und Art. 61 lit. c ATSG sowie der Anforderungen an den Beweiswert von Arztberichten (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232) und Abklärungsberichten an Ort und Stelle (Art. 69 Abs. 2 IVV; BGE 133 V 450 E. 11.1.1 S. 468). Die auf einen Abklärungsbericht gestützten Feststellungen über Einschränkungen in bestimmten Lebensverrichtungen sind - analog zu den medizinischen Angaben über gesundheitliche Beeinträchtigungen (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 398 f.) - Sachverhaltsfeststellungen. Die konkrete Beweiswürdigung betrifft eine Tatfrage (nicht publ. E. 1 des Urteils BGE 135 V 306; Urteil 8C_30/2010 vom 8. April 2010 E. 1). 
 
2. 
2.1 
2.1.1 Gemäss Art. 24 Abs. 1 ATSG (in Kraft seit 1. Januar 2003) erlischt der Anspruch auf ausstehende Leistungen oder Beiträge fünf Jahre nach dem Ende des Monats, für welchen die Leistung, und fünf Jahre nach dem Ende des Kalenderjahres, für welches der Beitrag geschuldet war. Diese Norm regelt die Verwirkungsfrist bei der Festsetzung von Leistungen und Beiträgen, wobei sich der darin enthaltene Ausdruck "Anspruch auf ausstehende Leistungen" auf die einzelnen Betreffnisse und nicht auf das Leistungsstammrecht bezieht (BGE 133 V 9 E. 3.5 S. 12, 131 V 4 E. 3.3 S. 6; Urteil I 721/05 vom 12. Mai 2006 E. 2.3). 
2.1.2 Nach aArt. 48 IVG in der vom 1. Januar 2003 bis 31. Dezember 2007 gültig gewesenen Fassung galt - vom hier nicht interessierenden Abs. 3 abgesehen - Folgendes: Abs. 1: Der Anspruch auf Nachzahlung richtet sich nach Art. 24 Abs. 1 ATSG. Abs. 2: Meldet sich ein Versicherter mehr als zwölf Monate nach Entstehen des Anspruchs an, so werden die Leistungen in Abweichung von Art. 24 Abs. 1 ATSG lediglich für die zwölf der Anmeldung vorangehenden Monate ausgerichtet. Weitergehende Nachzahlungen werden erbracht, wenn der Versicherte den anspruchsbegründenden Sachverhalt nicht kennen konnte und die Anmeldung innert zwölf Monaten nach Kenntnisnahme vornimmt. Vor dem 1. Januar 2003 beinhaltete aArt. 48 IVG die gleiche Regelung, aber ohne Bezugnahme auf Art. 24 Abs. 1 ATSG
 
2.2 Am 1. Januar 2008 sind die Änderungen des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung (IVG) und anderer Erlasse wie des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2006 (5. IV-Revision, AS 2007 5129 ff.) in Kraft getreten. In diesem Rahmen wurde aArt. 48 IVG aufgehoben. In der bundesrätlichen Botschaft vom 22. Juni 2005 wurde diesbezüglich Folgendes ausgeführt: Diese Bestimmung kann aufgrund der neuen Anmelde- und Anspruchsvoraussetzungen gestrichen werden. Sofern sich Fragen im Zusammenhang mit Nachzahlungen von Leistungen ergeben, gilt grundsätzlich Artikel 24 ATSG. Es braucht keine abweichenden Regelungen mehr im IVG (BBl 2005 S. 4570). Rz. 1033 des BSV-Kreisschreibens über das Verfahren in der IV (KSVI, gültig ab 1. Januar 2008 und 1. Januar 2010) enthält hierzu folgende Ausführungen: Der Anspruch auf Nachzahlung erlischt auf jeden Fall spätestens mit Ablauf von 5 Jahren nach Ende des Monats, für welchen die Leistung geschuldet war (Art. 24 Abs. 1 ATSG); zum Anspruch auf Nachzahlung siehe auch RWL (BSV-Wegleitung über die Renten in der Eidgenössischen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung). Rz. 10405 RWL (Stand 1. Januar 2008 und 1. Januar 2009) statuiert Folgendes: Die Nachzahlungsfrist bei Hilflosenentschädigungen der IV richtet sich nach Artikel 24 Absatz 1 ATSG. Der Anspruch erlischt nach 5 Jahren. 
 
3. 
3.1 Mit Verfügung vom 11. März 2009 sprach die IV-Stelle der Versicherten die Hilflosenentschädigung gestützt auf aArt. 48 Abs. 2 Satz 1 IVG rückwirkend für die zwölf der Anmeldung vom 24. Januar 2008 vorangehenden Monate, mithin ab 1. Januar 2007 zu. Die Vorinstanz hat dies bestätigt und im Wesentlichen erwogen, laut Bericht vom 27. Oktober 2008 über die Abklärung an Ort und Stelle vom 7. Oktober 2008 bestehe Hilflosigkeit bei der Notdurftverrichtung ab April 2002, bei der Fortbewegung ab April 2003, beim Essen ab Oktober 2003 sowie beim Ankleiden, bei der Körperpflege und bei der persönlichen Überwachung ab April 2004 und insgesamt ein Anspruch auf Hilflosenentschädigung wegen mittelschwerer Hilflosigkeit ab Juli 2004. Übergangsrechtlich gelte aArt. 48 IVG, da der Eintritt des Versicherungsfalles das anwendbare Recht bestimme. Der Zeitpunkt des Einspracheentscheides definiere hingegen den für die Beurteilung massgebenden Sachverhalt, der aufgrund des obigen Berichts vom 27. Oktober 2008 feststehe. 
 
3.2 Die Versicherte wendet ein, der Gesetzgeber habe aArt. 48 IVG, der eine Ausnahmebestimmung zur üblichen ATSG-Verwirkungsfrist dargestellt habe, ersatzlos streichen und die Neuregelung per sofort einführen wollen. Die Botschaft bringe den Systemwechsel klar zum Ausdruck und erkläre Art. 24 ATSG (wie im übrigen Sozialversicherungsrecht) als anwendbar. Eine Übergangsfrist sei weder dem Gesetzeswortlaut noch der Botschaft zu entnehmen. Diese Absicht des Gesetzgebers gehe aus Gesetzestext und Systematik einwandfrei hervor. Der Gesetzgeber wolle denn auch im Rahmen einer künftigen Gesetzesrevision den Zustand vor Inkrafttreten der 5. IV-Revision wiederherstellen (vgl. den erläuternden Bericht des Bundesrates vom 17. Juni 2009 betreffend Invalidenversicherung - 6. IV-Revision, erstes Massnahmepaket). Aus dem Gesagten gehe klar hervor, dass der Gesetzgeber mit der 5. IV-Revision eine fünfjährige Leistungsrückgewährungsfrist der IV eingeführt habe. Unerheblich sei, dass dies offenbar versehentlich passiert sei. Die Gesetze seien so anzuwenden, wie sie bei Verfügungserlass Geltung hätten. Vorliegend sei nicht auf den Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls abzustellen, da es nicht um die Frage gehe, ob die Voraussetzungen für eine spezifische IV-Leistung erfüllt seien. Vielmehr sei die Frage zu beantworten, ob an sich unbestrittene IV-Leistungen einem Nachzahlungsanspruch unterlägen. Der Rechtsanspruch sei daher vom in casu strittigen Nachzahlungsanspruch zu unterscheiden, wobei Letzterer hier den Tatbestand darstelle und per definitionem erst nach Eintritt des Versicherungsfalles entstehe und (gemäss der alten gesetzlichen Regelung) zeitlich an das Anmelde- bzw. an das Verfügungsdatum gebunden sei. Demnach habe sich der Tatbestand nicht mit dem Entstehen des Leistungsanspruchs, sondern mit dem Anmelde- oder allenfalls dem Verfügungsdatum verwirklicht. Da bei beiden Daten das neue Recht in Kraft gewesen sei, sei dieses anzuwenden. Für die Anwendung von aArt. 48 IVG bestehe demnach kein Raum, was sich auch aus Rz. 1030 ff. KSVI und Rz. 10405 RWL ergebe, wo einzig auf Art. 24 ATSG verwiesen werde. Die IV-Stelle bringe vor, durch eine rückwirkende Auszahlung länger als zwölf Monate würde eine Ungleichbehandlung zu Personen entstehen, die in der gleichen Zeitperiode gestützt auf das vormalige Recht keine Leistungen erhalten hätten. Sie verkenne, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nur Fälle betreffe, die auf gleicher gesetzlicher Grundlage beruhten, was hier nicht der Fall sei, da aArt. 48 IVG in der Zwischenzeit abgeschafft worden sei. 
 
3.3 Das BSV bringt vor, massgeblich seien diejenigen Rechtssätze, die bei Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes Geltung gehabt hätten. Daran änderten weder das KSVI noch die RWL etwas, da sie nur den aktuellen Gesetzesstand abbildeten. Wie sich auch aus dem BSV-Rundscheiben Nr. 253 vom 12. Dezember 2007 betreffend 5. IV-Revision und Intertemporalrecht ergebe, sei dasjenige Recht anzuwenden, das bei Eintritt des Versicherungsfalles gegolten habe; es komme nicht auf zufällige externe Faktoren wie Anmeldungs- oder Verfügungszeitpunkt an. Der Versicherungsfall sei in casu unbestrittenermassen vor dem 1. Januar 2008 eingetreten. Ab April 2003 habe in mindestens zwei Lebensbereichen Hilflosigkeit vorgelegen, womit das Wartejahr im April 2004 abgelaufen sei. Somit sei der Anspruch auf eine Entschädigung bei leichter Hilflosigkeit und damit der Eintritt des Versicherungsfalles auf April 2004 zu datieren. Drei Monate später (Art. 88a Abs. 2 IVV) wäre die Entschädigung für leichte Hilfslosigkeit auf eine solche für mittlere Hilflosigkeit zu erhöhen gewesen. Dies entgegen der Ansicht der IV-Stelle, die lediglich einen Anspruch auf eine mittlere Entschädigung ab Juli 2004 festgestellt habe. Da der Versicherungsfall aber so oder so im Jahre 2004 eingetreten sei, sei aArt. 48 Abs. 2 IVG anzuwenden. Diesbezüglich seien die streitige Verfügung und der kantonale Entscheid zu schützen. Indessen sei zu beachten, dass die versicherte Person mit der IV-Anmeldung grundsätzlich alle bis zum Verfügungszeitpunkt bestehenden Leistungsansprüche wahre. Die Versicherte habe sich bei der IV bereits im Mai 1998 angemeldet. Es frage sich, ob diese anlässlich der Abklärungen für eine der Folgeverfügungen (medizinische Massnahmen, Sonderschulung) hätte merken müssen, dass ein Anspruch auf Hilflosenentschädigung im Bereich des Möglichen gelegen habe. Sollte dies zutreffen, was dem Urteil des Bundesgerichts überlassen werde, könnten die Leistungen grundsätzlich ab April 2004 gezahlt werden. Auf einen Antrag werde verzichtet. 
 
4. 
4.1 Es steht fest und ist unbestritten, dass kein Übergangsrecht betreffend die Aufhebung des aArt. 48 IVG per 31. Dezember 2007 erlassen wurde. Intertemporalrechtlich ergibt sich auch nichts aus Rz. 1033 KSVI und Rz 10405 RWL. Diese Kreisschreiben äussern sich nicht zu übergangsrechtlichen Fragen, sondern geben den aktuellen Stand der Gesetze wieder. Die Beschwerdeführerin kann auch nichts aus der Botschaft des Bundesrats vom 22. Juni 2005 ableiten. Zwar trifft zu, dass dort ausgeführt wurde, sofern sich Fragen mit Nachzahlungen von Leistungen ergäben, gelte grundsätzlich Art. 24 ATSG; es brauche daher keine abweichenden Regelungen mehr im IVG (vgl. auch E. 2.2 hiervor). Auch diese Formulierung bezieht sich aber nicht auf die hier zu beurteilende übergangsrechtliche Frage, wenn der Leistungsanspruch vor dem 31. Dezember 2007 entstanden ist, die Anmeldung aber erst nach dem 1. Januar 2008 erfolgte, sondern einfach allgemein auf die neue Regelung. 
 
Unbehelflich ist schliesslich auch die Berufung der Versicherten auf den erläuternden Bericht des Bundesrates vom 17. Juni 2009 betreffend Invalidenversicherung - 6. IV-Revision, erstes Massnahmepaket, worin ausgeführt wurde, mit dem neuen Art. 48 IVG werde für den rückwirkenden Anspruch auf Nachzahlung der Hilflosenentschädigung, medizinische Massnahmen und Hilfsmittel der Zustand vor der 5. IV-Revision wiederhergestellt, der mit dieser Revision ungewollt beziehungsweise irrtümlich geändert worden sei; auch hierin wurde nämlich nicht zu übergangsrechtlichen Fragen betreffend die Aufhebung von aArt. 48 IVG Stellung genommen. 
 
4.2 Die übergangsrechtliche Frage ist daher aufgrund der Natur des geltend gemachten Anspruchs zu entscheiden. 
4.2.1 Die Beschwerdegegnerin, die Vorinstanz und das BSV stellen darauf ab, wann der Leistungsanspruch entstanden ist, nämlich vor dem 31. Dezember 2007. Diesen Standpunkt nimmt das BSV auch in seinem Rundschreiben Nr. 253 "5. IV-Revision und Intertemporalrecht" (Allgemeine Bemerkungen) ein. Demgegenüber macht die Beschwerdeführerin geltend, der Rechtsanspruch sei vom hier strittigen Nachzahlungsanspruch zu unterscheiden. Letzterer sei zeitlich an das Anmeldedatum gebunden. Der zu Rechtsfolgen führende Tatbestand sei demnach nicht mit dem Entstehen des Leistungsanspruchs, sondern mit dem Entstehen des Nachzahlungsanspruchs gleichzusetzen. Dieser sei erst nach dem 1. Januar 2008 entstanden. Der Nachzahlungsanspruch sei somit vom Rechtsanspruch zu unterscheiden. 
4.2.2 Nach allgemeinen intertemporalrechtlichen Regeln sind diejenigen Rechtssätze massgebend, die bei Verwirklichung des zu materiellen Rechtsfolgen führenden Sachverhalts galten (BGE 132 V 215 E. 3.1.1 S. 220, 130 V 445 E. 1 S. 446 f. mit Hinweis u.a. auf BGE 130 V 329; Urteil 8C_373/2008 vom 28. August 2008 E. 2.1). Bei zusammengesetzten (mehrgliedrigen) Tatbeständen, d.h. bei Rechtsnormen, welche den Eintritt der in ihnen vorgesehenen Rechtsfolge von der Verwirklichung mehrerer subsumtionsrelevanter Sachverhaltselemente abhängig machen, hat die Rechtsprechung erkannt, dass für die Entscheidung der intertemporalrechtlichen Anwendbarkeit massgeblich ist, unter der Herrschaft welcher Norm sich der Sachverhaltskomplex schwergewichtig ereignet hat (BGE 126 V 134 E. 4.b S. 136 mit Hinweisen; Urteil H 24/02 vom 11. März 2003 E. 3.2 f., zitiert in Anwaltsrevue 2003 S. 272; Ulrich Meyer-Blaser/Peter Arnold, Intertemporales Recht, ZSR NF 2005 I, 115 ff., S. 128 bei FN 77). 
 
Die Anwendung des ab 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Rechts ist nur möglich, soweit die Ansprüche nicht bereits in diesem Zeitpunkt verwirkt waren. Ob dies der Fall war, wird durch aArt. 48 IVG bestimmt. Es trifft zu, dass der Begriff Nachzahlung den Eindruck erwecken kann, dass es sich hier um einen eigenständigen Anspruch handelt. Indessen regelt aArt. 48 IVG einzig die Frage, wie lange nach Entstehen eines Anspruchs dieser noch eingefordert werden kann, mithin die Frage der Verwirkung. Auch aArt. 48 Abs. 2 Satz 1 IVG regelt die Verwirkung. Diese Bestimmung sieht vor, dass lediglich für die zwölf der Anmeldung vorangehenden Monate Leistungen ausbezahlt werden. Dies bedeutet, dass der unangemeldete Anspruch zwölf Monate nach seinem Entstehen erlischt (André Holzer, Verjährung und Verwirkung der Leistungsansprüche im Sozialversicherungsrecht, 2005, S. 90). Die zwölfmonatige Frist von aArt. 48 Abs. 2 IVG beginnt in dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Anspruch auf die einzelne IV-Leistung entstanden ist und der Versicherte den anspruchsbegründenden Sachverhalt kennen kann (Holzer, a.a.O., S. 91). AArt. 48 Abs. 1 wird in diesem Sinn durch aArt. 48 Abs. 2 IVG eingeschränkt. 
4.2.3 Im vorliegenden Fall bedeutet dies was folgt. Bis zum 1. Januar 2008, dem Inkrafttreten des neuen Rechts, war keine Anmeldung des Anspruchs auf Hilflosenentschädigung erfolgt. Ab diesem Zeitpunkt galt die Verwirkungsfrist von aArt. 48 Abs. 2 IVG nicht mehr. Am 31. Dezember 2007 waren gestützt auf diese Bestimmung alle Ansprüche verwirkt, die bis zum 1. Januar 2007 entstanden waren. Im Ergebnis - wenn auch nicht in der Begründung - trifft somit die Auffassung der Beschwerdegegnerin zu. Massgeblich ist nicht das Datum der nach dem 1. Januar 2008 erfolgten Anmeldung, sondern die Aufhebung der Verwirkungsregelung von aArt. 48 Abs. 2 IVG per 31. Dezember 2007; auch bei einer Anmeldung beispielsweise erst Mitte 2008 wären die Ansprüche nur bis zum 1. Januar 2007 verwirkt und nicht bis Mitte 2007. Aus der Aufhebung von aArt. 48 Abs. 2 IVG per 31. Dezember 2007 kann die Beschwerdeführerin somit nichts für ihren Standpunkt ableiten. 
 
5. 
5.1 Zu prüfen bleibt, ob sie - worauf das Bundesamt für Sozialversicherungen hinweist - allenfalls mit einer früheren, allgemeinen, nicht spezifisch auf Hilflosenentschädigung bezogenen Anmeldung ihre Ansprüche wahren konnte. Praxisgemäss wahrt die versicherte Person mit ihrer Anmeldung nicht nur jene Ansprüche, die sie ausdrücklich auf dem Anmeldeformular aufzählt. Vielmehr umfasst eine Anmeldung alle Ansprüche, die nach Treu und Glauben mit dem angemeldeten Risikoeintritt in Zusammenhang stehen. Die im Anschluss an ein Leistungsgesuch durchzuführenden Abklärungen der Verwaltung erstrecken sich jedoch nur auf die vernünftigerweise mit dem vorgetragenen Sachverhalt und allfälligen bisherigen oder neuen Akten in Zusammenhang stehenden Leistungen. Wird später geltend gemacht, es bestehe noch Anspruch auf eine andere Versicherungsleistung, so ist nach den gesamten Umständen des Einzelfalles im Lichte von Treu und Glauben zu prüfen, ob jene frühere ungenaue Anmeldung auch den zweiten, allenfalls später substanziierten Anspruch umfasst. Dabei ist ein solcher Zusammenhang relativ grosszügig anzunehmen (BGE 132 V 286 E. 4.3 S. 296, 121 V 195 E. 2 S. 196 f.; Urteile 9C_92/2008 vom 24. November 2008 E. 3, 8C_236/2008 vom 14. Oktober 2008 E. 7.1, M 12/06 vom 23. November 2007 E. 5.4 und I 581/05 vom 6. Januar 2006 E. 1). 
 
Damit die versicherte Person, die darauf vertraut, durch die rechtzeitige Anmeldung ihre Ansprüche gewahrt zu haben, nicht in unbilliger Weise ihre Ansprüche durch Zeitablauf verliert, dürfen an eine Neuanmeldung nicht allzu strenge formelle Voraussetzungen geknüpft werden. So hat jedes unmissverständliche Beharren der versicherten Person, dass der Versicherungsträger ihr weitere Leistungen schulde, als sinngemässe Neuanmeldung zu gelten (Urteil M 12/06 E. 5.5). 
 
Übersieht ein Versicherungsträger eine hinreichend substantiierte Anmeldung, werden nur die Leistungen der letzten fünf Jahre vor der Neuanmeldung nachbezahlt, weiter zurückliegende sind untergegangen. Diese Rechtsprechung gilt im Rahmen von Art. 24 Abs. 1 ATSG und aArt. 48 Abs. 2 IVG, die insofern eine absolute Verwirkungsfrist beinhalten (BGE 129 V 433 E. 7 S. 438, 121 V 195 E. 5d S. 202; Urteile 9C_92/2008 E. 3 und M 12/06 E. 5.3). 
 
5.2 IV-Stelle und Vorinstanz hatten sich mit diesem vom BSV aufgeworfenen Aspekt (vgl. E. 3.3 hievor) nicht befasst. Da die Sache diesbezüglich jedoch spruchreif ist, ist von einer Rückweisung der Sache zur Neubeurteilung abzusehen (vgl. BGE 9C_848/2009 vom 6. Januar 2010 E. 1.2; Urteil 8C_257/2010 vom 1. Juni 2010 E. 4.1). 
5.3 
5.3.1 Die Versicherte meldete sich am 29. April/26. Mai 1998 bei der IV zum Leistungsbezug an und verlangte die Gewährung medizinischer Massnahmen. Die IV-Stelle übernahm am 20. November 1998 die Behandlung des Geburtsgebrechens Nr. 498 (schwere neonatale metabolische Störungen) im Sinne einer Intensivpflege im Spital und einer Nachkontrolle sowie am 18. März/13. Juli 1999 die Behandlung des Geburtsgebrechens Nr. 395 (leichte cerebrale Bewegungsstörungen, Behandlung bis Ende des 2. Lebensjahres). Am 19. Mai 2000 beantragte die Versicherte die Kostenübernahme für heilpädagogische Früherziehung ab 12. April 2000. Am 30. Mai 2000 sprach ihr die IV-Stelle Sonderschulmassnahmen vom 12. April 2000 bis 30. April 2002 im Sinne heilpädagogischer Früherziehung im vorschulpflichtigen Alter zu; auf Antrag hin verlängerte sie diese Massnahme am 5. April 2002 vom 1. Mai 2002 bis 31. Juli 2005. Am 10. April 2003 beantragte die Versicherte Kostengutsprache für externe Sonderschulung, Mittagsverpflegung, Transport, Schulverlegung, pädagogisch-therapeutische Massnahmen ab 11. August 2003 bis vorläufig 31. Juli 2005; der Schularzt Dr. med. W.________ stellte folgende Diagnosen: einen allgemeinen kognitiven Entwicklungsrückstand (Entwicklungsalter ca. 3 - 3 ½ Jahre), leichte motorische Ungeschicklichkeit und Makrozephalie. Am 1. Mai 2003 gewährte die IV-Stelle der Versicherten ab 11. August 2003 bis 31. Juli 2005 Sonderschulmassnahmen im Externat und allenfalls Entschädigung für notwendige pädagogisch-therapeutische Massnahmen gemäss IV-Tarif. Mit Verfügung vom 4. Dezember 2003 verneinte sie den Anspruch auf Ergotherapie; einspracheweise wurden Berichte des Kantonsspitals Baden vom 16. Dezember 2003 und der Frau Dr. med. Strebel Caflisch vom 22. Januar 2003 eingereicht; Letztere diagnostizierte einen allgemeinen kognitiven Entwicklungsrückstand, motorische Ungeschicklichkeit bei Muskelhypotonie und Makrozephalie. Mit Entscheid vom 11. Mai 2004 übernahm die IV-Stelle die Kosten für die Ergotherapie. Am 7. Juli 2005 sprach sie der Versicherten ab 8. August 2005 bis 31. Juli 2007 Sonderschulmassnahmen im Externat und allenfalls Entschädigung für notwendige pädagogisch-therapeutische Massnahmen gemäss IV-Tarif zu; am 8. August 2007 verlängerte sie diese Massnahme bis 31. Juli 2008. Am 24. Januar 2008 meldete sich die Versicherte bei der IV zum Bezug der Hilflosenentschädigung an. 
5.3.2 Wie die folgenden Erwägungen zeigen kann offen bleiben, ob bereits die erste Anmeldung der Versicherten vom 29. April/26. Mai 1998 nach Treu und Glauben auch eine allfällige spätere Hilflosenentschädigung umfasste. 
 
Im Rahmen ihres Antrags vom 10. April 2003 - worin auf die Diagnosen des allgemeinen kognitiven Entwicklungsrückstands (Entwicklungsalter ca. 3 - 3 ½ Jahre), der leichten motorischen Ungeschicklichkeit und der Makrozephalie sowie auf die Notwendigkeit von externer Sonderschulung, heilpädagogisch-therapeutischen Massnahmen und Ergotherapie hingewiesen wurde - bestanden aufgrund der Akten im Lichte von Treu und Glauben genügend Anhaltspunkte, welche die IV-Stelle hätten veranlassen müssen, auch die Hilfsbedürftigkeit der Versicherten zu prüfen (vgl. BGE 121 V 195 E. 3a S. 198, 101 V 111 E. 3b S. 113). Der Anspruch auf Hilflosenentschädigung an die Versicherte bestand ab 1. April 2004 (Ablauf des Wartejahres; E. 6 hienach). Die absolute fünfjährige Verwirkungsfrist für die Nachzahlung lief somit am 1. April 2009 ab (vgl. E. 5.1 hievor). Mit ihrer Neuanmeldung am 24. Januar 2008 hat sie diese gewahrt. 
 
6. 
6.1 Im Abklärungsbericht an Ort und Stelle vom 27. Oktober 2008 wurde ausgeführt, die Versicherte sei wie folgt in den alltäglichen Lebensverrichtungen nicht altersgemäss regelmässig in erheblicher Weise auf die Hilfe Dritter angewiesen: ab April 2002 bei der Notdurftverrichtung, ab April 2003 zusätzlich bei der Fortbewegung [im oder aus Haus]/Kontaktaufnahme, ab Oktober 2003 zudem beim Essen und ab April 2004 zusätzlich beim Ankleiden und bei der Körperpflege. Ab April 2004 habe kumulativ dazu persönliche Überwachungsbedürftigkeit bestanden. 
 
6.2 Auf diesen Abklärungsbericht hat die Vorinstanz abgestellt, was unbestritten und im Rahmen der sachverhaltsmässig eingeschränkten Kognition (E. 1 hievor) nicht zu beanstanden ist. Gestützt hierauf lag bei der Versicherten - wie das BSV richtig ausgeführt hat - ab April 2003 Hilflosigkeit in mindestens zwei alltäglichen Lebensbereichen vor, womit das Wartejahr zu laufen begann (Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG in Verbindung mit Art. 42 Abs. 4 IVG in der bis 31. Dezember 2007 gültig gewesenen Fassung; BGE 111 V 226, 105 V 66). Es bestand ab 1. April 2004 (Ablauf des Wartejahres) leichte Hilflosigkeit und ab 1. Juli 2004 (Art. 88a Abs. 2 IVV) bis zum Verfügungserlass am 11. März 2009 mittelschwere Hilflosigkeit (Art. 36 IVV in der bis Ende 2003 gültig gewesenen und Art. 37 IVV in der ab 1. Januar 2004 geltenden Fassung; BGE 133 V 450 E. 7.2 S. 462, 121 V 88 E. 3a und b S. 90). Demnach ist festzustellen, dass die Versicherte ab 1. April 2004 Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung wegen leichter und ab 1. Juli 2004 wegen mittelschwerer Hilflosigkeit hat. 
 
7. 
Die unterliegende IV-Stelle hat die Gerichtskosten zu tragen und der Versicherten eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 66 Abs. 1, Art. 68 Abs. 2 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 26. Januar 2010 und die Verfügung der IV-Stelle des Kantons Aargau vom 11. März 2009 werden aufgehoben. Es wird festgestellt, dass die Beschwerdeführerin 1. April 2004 Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung wegen leichter und ab 1. Juli 2004 wegen mittelschwerer Hilflosigkeit hat. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
 
3. 
Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2800.- zu entschädigen. 
 
4. 
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des vorangegangenen Verfahrens an das Versicherungsgericht des Kantons Aargau zurückgewiesen. 
 
5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
Luzern, 7. Januar 2011 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Ursprung Jancar