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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5A_880/2012 
 
Urteil vom 7. Januar 2013 
II. zivilrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Marazzi, von Werdt, 
Gerichtsschreiber Möckli. 
 
1. Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
2. Y.________, 
 
gegen 
 
Betreibungsamt Seeland, Dienststelle Biel/Bienne. 
 
Gegenstand 
Herabsetzung der anrechenbaren Wohnkosten, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern als kantonale Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen vom 19. November 2012. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
In der gegen Y.________ für die Pfändungsgruppe Nr. xxxx verfügten Lohnpfändung setzte das Betreibungsamt Seeland, Dienststelle Biel, mit Verfügung vom 7. September 2012 die zulässigen bzw. anrechenbaren Wohnkosten per 1. April 2013 auf Fr. 1'500.-- herab. 
 
B. 
Die hiergegen erhobene Beschwerde von Y.________ und X.________ wies das Obergericht des Kantons Bern als kantonale Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen mit Entscheid vom 19. November 2012 ab. 
 
C. 
Gegen diesen Entscheid haben Y.________ und X.________ am 26. November 2012 beim Bundesgericht eine Beschwerde eingelegt. Mit Schreiben vom 4. Dezember 2012 haben sie sinngemäss um unentgeltliche Rechtspflege ersucht. Es wurden keine Vernehmlassungen eingeholt. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Gegen den Entscheid der (oberen) Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen ist streitwertunabhängig die Beschwerde in Zivilsachen gegeben (Art. 72 Abs. 2 lit. a, Art. 74 Abs. 2 lit. c BGG und Art. 75 Abs. 1 BGG). Die zehntägige Beschwerdefrist (Art. 100 Abs. 2 lit. a BGG) ist gewahrt. 
In rechtlicher Hinsicht überprüft das Bundesgericht den angefochtenen Entscheid frei (Art. 106 Abs. 1 BGG). Hingegen ist es an den von der kantonalen Aufsichtsbehörde festgestellten Sachverhalt gebunden (Art. 105 Abs. 1 BGG). Diesbezüglich könnte einzig eine Verfassungsverletzung, insbesondere eine Verletzung von Art. 9 BV bei der Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung, geltend gemacht werden, wobei hierfür das strenge Rügeprinzip gilt (Art. 97 Abs. 1 i.V.m. Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.4.2 S. 255). 
 
2. 
Die Aufsichtsbehörde befand, der Mietzins von Fr. 2'150.-- netto bzw. Fr. 2'350.-- brutto für das gemietete Einfamilienhaus sei angesichts des ehelichen Einkommens von total Fr. 5'572.05 und vor dem Hintergrund der laufenden Betreibungen zu hoch, und sie kam zum Schluss, dass die erforderliche Herabsetzung der Wohnkosten nicht erst auf den vertraglichen Kündigungstermin vom 1. Juli 2016 erfolgen könne, sondern ein Nachmieter zu suchen sei, zumal der Mietvertrag am 31. Mai 2011 und damit in Kenntnis der laufenden Betreibungen und Pfändungen abgeschlossen worden sei, weshalb das Betreibungsamt die Herabsetzung des anrechenbaren Mietzinses sogar fristlos hätte verfügen dürfen. Indem das Betreibungsamt die Herabsetzung gemäss Verfügung vom 7. September 2012 erst auf den 1. April 2013 wirksam werden lasse, habe es eine vernünftige Frist gewährt und eine angemessene Lösung gefunden. 
Die gegen einen Umzug vorgebrachten Einwände der Schuldnerin liess die Aufsichtsbehörde nicht gelten. Sie erwog, dass in A.________ selbst und noch mehr im Raum A.________ viele Wohnungen in Preissegment von Fr. 1'200.-- bis Fr. 1'400.-- angeboten würden, unter anderem auch solche mit Lift oder im Parterre bzw. 1. Obergeschoss, womit den geltend gemachten Beschwerden beim Treppensteigen Rechnung getragen sei. Mit Bezug auf das Vorbringen der Schuldnerin, sie könne aus psychologischer Sicht (Panikattacken, Kontrollzwang, Angststörung, Vertrauensprobleme) nicht in ein Mehrfamilienhaus ziehen, hat die Aufsichtsbehörde auf ein Schreiben der Ärztin der Beschwerdeführerin vom 16. Mai 2012 hingewiesen, wonach die Prognose gut stehe. Weiter hat die Aufsichtsbehörde befunden, weder das Halten von Haustieren noch die vorhandenen Betreibungsregistereinträge sprächen gegen einen Umzug in ein günstigeres Wohnobjekt. Sodann übersteige bereits der für die verbleibenden Monate des Pfändungsjahres aus der Wohnkostenreduktion resultierende Überschuss die Umzugskosten; abgesehen davon gehe es aber auch um die künftigen Pfändungsgruppen, mit denen angesichts der konkreten Verhältnisse zu rechnen sei. 
 
3. 
Die Beschwerdeführer stellen die Ausführungen der Aufsichtsbehörde zu den rechtlichen Aspekten (Grundsätze und Fristen bei der Wohnkostenanpassung im Pfändungsverfahren) nicht in Frage; zu Recht bestreiten sie auch nicht, dass der Mietzins angesichts der hängigen Einkommenspfändung unangemessen hoch ist. Vielmehr wiederholen sie, weshalb ihnen ein Umzug in eine günstigere Wohnung nicht möglich sei, wobei ausschliesslich Sachverhaltsumstände vorgebracht werden: Es werden körperliche Erkrankungen wie Belastungsasthma, Bluthochdruck, gebrochene Lendenwirbel, starke Schmerzen, Taubheit in den Beinen, Blutungen, Haarausfall, Kreislaufprobleme, Übelkeit, Atemnot, Erschöpfung, Müdigkeit, Fieberschübe, Herzrasen, Gelenkschmerzen, Kraftlosigkeit, brennende Hände, Kopfschmerzen, Gesichtsblässe, Infektionsanfälligkeit sowie als "psychologisch" bezeichnete Erkrankungen wie Angststörung, Zwangsstörungen, Essstörung, Kontrollzwang und Vertrauensprobleme aufgelistet, welche einen Wohnungsumzug angeblich verunmöglichen würden. Mit diesen Einwänden hat sich die Aufsichtsbehörde aber bereits beschäftigt und es werden im Zusammenhang mit der Feststellung, diese Umstände würden, soweit überhaupt erwiesen, einen Umzug nicht ausschliessen, keine verfassungsmässigen Rechte angerufen. 
Neu und damit gemäss Art. 99 Abs. 1 BGG unzulässig ist die Behauptung, entgegen dem Schreiben der Ärztin vom 16. Mai 2012 "könnten die Probleme momentan nicht geheilt werden". Ebenfalls unzulässig ist der Beweisantrag, bei der zwischenzeitlich hinzugezogenen Psychologin sei allenfalls ein Lagebericht einzuholen; das Bundesgericht nimmt grundsätzlich keine Beweise in der Sache ab (Urteile 5A_451/2011 vom 25. Juli 2011 E. 2.5; 5A_674/2011 vom 31. Oktober 2011 E. 2.5; 5D_174/2011 vom 1. Februar 2012 E. 1.4). Soweit vorgebracht wird, man habe einen solchen Lagebericht bereits der Aufsichtsbehörde angeboten, aber diese habe sich nicht gemeldet, ist die Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen gemäss Art. 20a Abs. 2 Ziff. 2 SchKG angesprochen. Diese Norm verpflichtet die Aufsichtsbehörde, von sich aus tätig zu werden, um den rechtserheblichen Sachverhalt festzustellen. Sie muss aber nicht allen entfernten Hinweisen nachgehen, sondern darf sich darauf beschränken, diejenigen Sachumstände abzuklären, die sie für rechtswesentlich hält (vgl. 123 III 328 E. 3 S. 329; 131 I 153 E. 3 S. 157). Dies trifft für die allgemeine Aussage, man könne aus "psychologischen Gründen" nicht in einem Mehrfamilienhaus leben, nicht zu: Abgesehen davon, dass die Behauptung unglaubwürdig wirkt, besteht kein Anspruch, aus Gründen des persönlichen Wohlbefindens auf Kosten der Gläubiger in einem Einfamilienhaus zu leben. 
Das Vorbringen, die Hunde und der Betreibungsregisterauszug seien ein Problem bei der Wohnungssuche, beschlägt wiederum den Sachverhalt, ohne dass mit Bezug auf die Feststellung, dies stehe einem Umzug nicht entgegen, Verfassungsrügen erhoben würden. Appellatorisch und deshalb nicht zu hören ist ferner die Behauptung, die Vermieterin drehe ihnen den Hals um, wenn sie jetzt mit einer Auflösung des Mietverhältnisses kämen, sowie die weitere Behauptung, es sei äusserst schwierig, einen Nachmieter zu finden, weil es im Haus keinen Platz für Kinder gebe, weil die Vermieterin nur Mieter mit Hunden dulde, weil man die auf das Grundstück gerichteten Kameras der Nachbarin ertragen müsse und weil der Ex-Freund der Vermieterin ständig betrunken vor der Tür stehe oder durch den Garten laufe. 
Nichts zur Sache tut das Vorbringen, bei Unterzeichnung des Mietvertrages sei das Einkommen höher gewesen; selbst wenn dies zuträfe, vermöchte das den Grundsatz, dass bei laufender Einkommenspfändung ein übersetzter Mietzins zu reduzieren ist, nicht aufzuheben. Was schliesslich die Umzugskosten anbelangt, so ist wiederum die Sachverhaltsfeststellung angesprochen, ohne dass Verfassungsrügen erhoben würden. Die Aufsichtsbehörde hat verbindlich festgestellt, dass der sich aus der Mietzinsherabsetzung ergebende Überschuss höher sei als die Umzugkosten, und im Übrigen darauf hingewiesen, dass auch die nachfolgenden Pfändungsgruppen an einer Herabsetzung interessiert seien. 
 
4. 
Zusammenfassend ergibt sich, dass keine falsche Rechtsanwendung ersichtlich ist und mit Bezug auf den Sachverhalt lediglich appellatorische Ausführungen gemacht, aber keine Verfassungsrügen erhoben werden. Im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen ist die Begründetheit der in Betreibung gesetzten Forderung, worauf bereits die Vorinstanz hingewiesen hat. Die Beschwerde in Zivilsachen ist somit abzuweisen, soweit überhaupt auf sie eingetreten werden kann. 
Wie die vorstehenden Erwägungen zeigen, muss die Beschwerde als von Anfang an aussichtslos bezeichnet werden, weshalb es an den materiellen Voraussetzungen für die unentgeltliche Rechtspflege fehlt (Art. 64 Abs. 1 BGG). Die besonderen Umstände rechtfertigen es jedoch, auf die Erhebung von Gerichtskosten zu verzichten (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde in Zivilsachen wird abgewiesen, soweit auf sie eingetreten werden kann. 
 
2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3. 
Es werden keine Kosten erhoben. 
 
4. 
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, dem Betreibungsamt Seeland, Dienststelle Biel, und dem Obergericht des Kantons Bern als kantonale Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 7. Januar 2013 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Escher 
 
Der Gerichtsschreiber: Möckli