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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
9C_889/2013 {T 0/2}  
   
   
 
 
 
Urteil vom 7. März 2014  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Meyer, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichterin Pfiffner, 
Bundesrichter Parrino, 
Gerichtsschreiber R. Widmer. 
 
Verfahrensbeteiligte 
IV-Stelle Zug,  
Baarerstrasse 11, 6300 Zug, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
O.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Petra Oehmke, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug 
vom 14. November 2013. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die 1968 geborene O.________ bezog auf der Grundlage einer Expertise der Medizinischen Abklärungsstelle (MEDAS) vom 18. August 2003 seit 1. August 2001 gemäss Verfügung der IV-Stelle des Kantons Zug vom 30. Januar 2004 bei einem Invaliditätsgrad von 50 % eine halbe Invalidenrente. Nach Durchführung einer Revision teilte die IV-Stelle O.________ am 2. Mai 2007 mit, bei der Überprüfung des Invaliditätsgrades sei keine Änderung festgestellt worden, weshalb sie weiterhin Anspruch auf die bisherige halbe Invalidenrente habe. Im September 2009 meldete die Versicherte der IV-Stelle, sie habe am 1. September 2009 eine Arbeitsstelle als Mitarbeiterin im Reinigungsdienst X.________ in einem 50 %-Pensum angetreten. Sie reichte den Arbeitsvertrag ein. Mit Mitteilung vom 19. Mai 2010 wurde der bisherige Anspruch auf eine halbe Invalidenrente erneut bestätigt. Im Zuge einer im Juni 2012 eingeleiteten Revision ermittelte die IV-Stelle zufolge Zunahme des Erwerbseinkommens einen Invaliditätsgrad von noch 44 %. Es bestehe daher nur noch Anspruch auf eine Viertelsrente. Dementsprechend setzte die IV-Stelle die bisher gewährte halbe Invalidenrente ab 1. August 2013 auf eine Vierteltsrente herab (Verfügung vom 20. Juni 2013). 
 
B.   
In Gutheissung der hiegegen eingereichten Beschwerde hob das Verwaltungsgericht des Kantons Zug die Verfügung vom 20. Juni 2013 auf mit der Feststellung, dass O.________ weiterhin Anspruch auf eine halbe Invalidenrente habe (Entscheid vom 14. November 2013). 
 
C.   
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die IV-Stelle, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben; eventuell sei die Sache zu weiterer Abklärung und neuer Entscheidung an das kantonale Gericht zurückzuweisen. 
Während O.________ auf Abweisung der Beschwerde schliessen lässt, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2.   
Die Vorinstanz hat die Bestimmungen und Grundsätze über den Anspruch auf eine Invalidenrente (Art. 28 Abs. 1 IVG in der von 2004 bis 2007 gültig gewesenen Fassung; Art. 28 Abs. 2 IVG in der seit          1. Januar 2008 in Kraft stehenden Fassung), die Bemessung des Invaliditätsgrades nach der Einkommensvergleichsmethode (Art. 16 ATSG) sowie die Revision der Invalidenrente (Art. 17 Abs. 1 ATSG; BGE 130 V 343 E. 3.5 S. 349) sowie die zeitliche Vergleichsbasis für die Prüfung einer anspruchserheblichen Änderung des Invaliditätsgrades (BGE 133 V 108 E. 5 S. 110 ff.) sowie die Bedeutung einer nach durchgeführten Abklärungen erfolgten Mitteilung gemäss       Art. 74ter lit. f IVV (SVR 2010 IV Nr. 4 S. 7 E. 3.1, 9C_46/2009) zutreffend wiedergegeben. Darauf wird verwiesen. 
 
3.   
Zu prüfen ist, ob der Entscheid der Vorinstanz, in welchem die Voraussetzungen für eine revisionsweise Herabsetzung der halben Invalidenrente der Beschwerdegegnerin auf eine Viertelsrente auf den 1. August 2013 als nicht erfüllt erachtet wurden, bundesrechtskonform ist. 
 
3.1. Das kantonale Gericht begründete seinen Standpunkt damit, dass die Rentenrevision eingeleitet wurde, nachdem die Verwaltung Kenntnis vom Stellenantritt der Versicherten am 1. September 2009 bei der X.________ erhalten habe. Bei einem Triagegespräch am 30. April 2010 habe die Beschwerdegegnerin erklärt, sie würde ohne gesundheitliche Beeinträchtigung vollzeitlich ausser Haus arbeiten. Aus medizinischer Sicht sei sodann keine relevante Verbesserung im Vergleich zum Gutachten festgestellt worden. Nach wie vor sei eine stark verminderte Belastungsfähigkeit zu konstatieren, welche eine Steigerung des Arbeitspensums verunmögliche. Am 19. Mai 2010 habe die IV-Stelle der Beschwerdegegnerin mitgeteilt, dass bei der Überprüfung des Invaliditätsgrades keine Änderung festgestellt wurde. Damit beruhe die Mitteilung vom 19. Mai 2010 auf einer materiellen Prüfung des Rentenanspruchs. Massgebend für die Beurteilung der Frage, ob eine revisionserhebliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen eingetreten ist, seien in zeitlicher Hinsicht somit der 19. Mai 2010 und das Datum der Revisionsverfügung (20. Juni 2013). Zum Zeitpunkt der angefochtenen Verfügung vom 20. Juni 2013 sei weder aufgrund eines veränderten Gesundheitszustandes noch eines anderen Status oder einer anderen Art der Invaliditätsbemessung ein Revisionsgrund gegeben gewesen. Des Weiteren verneinte die Vorinstanz auch die Wiedererwägungsvoraussetzungen und gelangte zum Schluss, dass im Vergleichszeitraum keine relevante Einkommenssteigerung ausgewiesen sei.  
 
3.2. Die IV-Stelle wendet ein, in erwerblicher Hinsicht sei eine Änderung eingetreten. Als Vergleichszeitpunkt könne entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht die Mitteilung vom 19. Mai 2010 herangezogen werden. Zwar treffe zu, dass das Revisionsverfahren 2009 durch den von der Versicherten eingereichten Arbeitsvertrag ausgelöst wurde. Die Beschwerdeführerin habe damals jedoch nur in medizinischer Hinsicht Abklärungen getroffen. Nähere Auskünfte zum Arbeitsverhältnis habe sie nicht eingeholt. Auch sei kein Einkommensvergleich durchgeführt worden. Die Revisionsmitteilung habe daher nicht auf einer vollständigen rechtskonformen materiellen Prüfung der erwerblichen Situation im Hinblick auf eine Veränderung beruht. Sodann müsse die Mitteilung vom 19. Mai 2010 als zweifellos unrichtig bezeichnet werden, weil von den erforderlichen Abklärungen der wirtschaftlichen Situation wie Einholen eines Arbeitgeberberichts und Vornahme eines Einkommensvergleichs abgesehen wurde.  
 
3.3. Die Beschwerdegegnerin schliesst sich der Auffassung des kantonalen Gerichts an. Sie weist darauf hin, aus den Akten der IV-Stelle (Notiz vom 22. Oktober 2009) ergebe sich ausdrücklich, dass aufgrund des neuen Arbeitsvertrags vorzeitig ein Revisionsverfahren eingeleitet wurde. Dass die IV-Stelle 2009/2010 keine zusätzlichen Abklärungen zur Veränderung der erwerblichen Situation vorgenommen hat, sei unrichtig. Der neue Arbeitsvertrag sei Anlass für das vorzeitig eingeleitete Revisionsverfahren gewesen. Die 2009 eingetretenen Veränderungen der erwerblichen Verhältnisse seien mit dem Arbeitsvertrag, aus dem sich Arbeitspensum und Bruttomonatslohn ergaben, ausreichend belegt gewesen. Zusätzliche Abklärungen bezüglich der eingetretenen erwerblichen Veränderungen seien unter diesen Umständen weder nötig noch möglich gewesen. Die Statusfrage sodann spiele keine Rolle, anerkenne die IV-Stelle doch in der Revisionsverfügung vom 20. Juni 2013, dass die Beschwerdegegnerin als vollzeitlich Erwerbstätige zu qualifizieren ist.  
 
4.   
 
4.1. Der Auffassung von Vorinstanz und Beschwerdegegnerin ist beizupflichten. Die Mitteilung der IV-Stelle vom 19. Mai 2010 beruhte in medizinischer und erwerblicher Hinsicht auf hinreichenden materiellen Abklärungen. Eine rentenrevisionserhebliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen hatte sich aus Sicht der IV-Stelle nicht ergeben, weshalb die halbe Rente denn auch - folgerichtig in Form einer Mitteilung gemäss Art. 58 IVG und 74ter lit. f. IVV - weiter ausgerichtet werden konnte. Wie sowohl Vorinstanz und Beschwerdegegnerin darlegen, hatte die IV-Stelle aufgrund des Arbeitsvertrages der Versicherten mit der X.________ das Revisionsverfahren eingeleitet. Dieser Vertrag enthielt sämtliche Angaben wie Arbeitszeit und Lohn, die es der Verwaltung ermöglichten, die neue Erwerbssituation zu überprüfen. Wozu zusätzliche Angaben der X.________ erforderlich gewesen sein sollten, um die veränderten beruflichen Verhältnisse abzuklären, vermag die Beschwerdeführerin nicht zu begründen. Ebenso war gestützt auf die Angaben der Versicherten nunmehr klar, dass von einer hypothetischen Erwerbstätigkeit von 100 % (statt zuvor 95 %) auszugehen war, wie der Revisionsverfügung vom 20. Juni 2013 zu entnehmen ist. Da die Revisionsvoraussetzungen nach Art. 17 Abs. 1 ATSG unter Berücksichtigung von Art. 31 Abs. 1 IVG, in Kraft seit 1. Januar 2008, der die Höhe der für eine Invalidenrentenrevision vorausgesetzte Verbesserung des Erwerbseinkommens umschreibt, nicht erfüllt sind, konnte von einem neuen Einkommensvergleich abgesehen werden, und es bleibt zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Wiedererwägung erfüllt sind.  
 
4.2. Das kantonale Gericht hat unter Bezugnahme auf Art. 53 Abs. 2 ATSG und die zur Wiedererwägung nach dieser Bestimmung ergangene Rechtsprechung (SVR 2010 IV Nr. 5 S. 10; Urteil 9C_575/2007 vom 18. Oktober 2007 E. 2.2; siehe auch Urteile 9C_629/2013 vom 13. Dezember 2013 E. 2, 9C_500/2013 vom       29. November 2013 E. 4) dargelegt, dass eine Wiedererwägung der Mitteilung vom 19. Mai 2010 betreffend Weitergewährung der halben Invalidenrente nicht in Betracht falle. Als zweifellos unrichtig könne die Rentenausrichtung nicht bezeichnet werden. Diese Auffassung ist zutreffend. Die IV-Stelle bringt nicht vor, die vorinstanzlichen Erwägungen beruhten auf einer offensichtlich unrichtigen Feststellung des Sachverhalts; soweit sie geltend macht, der angefochtene Entscheid verletze Art. 53 Abs. 2 ATSG, kann ihr nicht beigepflichtet werden. Der Umstand, dass in Würdigung der tatbeständlichen Elemente ein anderes Ergebnis hätte resultieren können, mag zutreffen, ist aber nicht geeignet, die der Mitteilung zugrunde liegenden Annahmen und die darauf basierende Folgerung, die Versicherte könne nach wie vor eine halbe Invalidenrente beanspruchen, als zweifellos unrichtig erscheinen zu lassen. Die IV-Stelle behauptet im Zusammenhang mit der Mitteilung vom 19. Mai 2010 keine unrichtige Rechtsanwendung. Vielmehr befasst sie sich mit den materiellen Anspruchsvoraussetzungen, deren Beurteilung notwendigerweise Ermessenszüge aufweist. Hier scheidet die Annahme zweifelloser Unrichtigkeit aus, wenn die Beurteilung einzelner Schritte bei der Feststellung solcher Anspruchsvoraussetzungen (Invaliditätsbemessung, Schätzung der Arbeitsunfähigkeit, Beweiswürdigung, Zumutbarkeitsfragen) vor dem Hintergrund der Sach- und Rechtslage, wie sie sich im Zeitpunkt der rechtskräftigen Leistungszusprechung präsentiert hat, als vertretbar erscheint (Urteil 9C_629/2013 vom 13. Dezember 2013 E. 2 mit Hinweisen), wie dies im vorliegenden Fall zutrifft. Ein Grund, die Sache zu ergänzenden Abklärungen und neuem Entscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen, wie die IV-Stelle eventualiter beantragt, liegt nicht vor.  
 
5.   
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten der unterliegenden IV-Stelle aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Diese hat der Beschwerdegegnerin überdies eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1'500.- zu entschädigen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zug, Sozialversicherungsrechtliche Kammer, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 7. März 2014 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Meyer 
 
Der Gerichtsschreiber: Widmer