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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
I 644/02 
 
Urteil vom 7. April 2003 
IV. Kammer 
 
Besetzung 
Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und nebenamtlicher Richter Maeschi; Gerichtsschreiberin Bollinger 
 
Parteien 
P.________, 1955, Beschwerdeführerin, vertreten durch lic. iur. Pollux L. Kaldis, Sozialversicherungs- und Ausländerrecht, Solistrasse 2a, 8180 Bülach, 
 
gegen 
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur 
 
(Entscheid vom 17. Juli 2002) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Die 1955 geborene türkische Staatsangehörige P.________, Ehefrau und Mutter von zwei 1974 und 1976 geborenen Kindern, war von Juli 1989 bis August 1997 als Produktionsmitarbeiterin bei der Firma A.________ AG in B.________ angestellt. Am 13. Februar 1994 erlitt sie eine Kreuzband-Ruptur, einen Meniskus-Längsriss am Hinterhorn lateral sowie eine mediale Seitenband-Ruptur im linken Knie, welche im Spital C.________ operativ behandelt wurden. Wegen chronischer Instabilität des Kniegelenks fand am 6. September 1996 in der Klinik D.________, eine weitere Operation (vordere Kreuzbandersatzplastik) statt. In der Folge kam es zu einem protrahierten Heilungsverlauf und einer funktionellen Überlagerung der organischen Beeinträchtigungen; mehrere Arbeitsversuche scheiterten. Mit Verfügung vom 31. Juli 1997 stellte die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) die Leistungen auf den 31. August 1997 ein mit der Begründung, dass keine leistungsbegründenden organischen Unfallfolgen mehr bestünden und die bestehenden psychischen Beeinträchtigungen nicht adäquat unfallkausal seien. Die hiegegen erhobene Einsprache wies sie mit Entscheid vom 28. November 1997 ab. 
Am 12. November 1997 meldete sich P.________ zum Bezug einer Rente der Invalidenversicherung an. Die IV-Stelle des Kantons Zürich holte Arztberichte sowie einen Bericht der Arbeitgeberin ein, zog die Akten der SUVA bei und ordnete eine gutachterliche Untersuchung in der Medizinischen Abklärungsstelle der Invalidenversicherung (MEDAS) am Spital F.________ an. In dem mit einem orthopädischen und einem psychiatrischen Konsilium ergänzten Bericht der MEDAS vom 17. Mai 2000 gelangten die begutachtenden Ärzte zum Schluss, dass die Versicherte im bisherigen sitzenden, körperlich nicht schweren Beruf sowie in belastungsmässig ähnlichen Tätigkeiten aufgrund der bestehenden physischen und psychischen Einschränkungen zu 40 % arbeitsunfähig sei. Nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens erliess die IV-Stelle am 8. Mai 2001 eine Verfügung, mit welcher sie der Versicherten mit Wirkung ab 1. September 1997 eine Viertelsrente bei einem Invaliditätsgrad von 40 % zusprach. 
 
B. 
Am 17. Juli 2002 wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich die mit dem Begehren um Zusprechung einer ganzen Invalidenrente ab 1. September 1997 erhobene Beschwerde ab. 
C. 
P.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und das vorinstanzlich gestellte Rechtsbegehren erneuern; eventuell sei die Sache zur Vornahme ergänzender Abklärungen und zu neuer Verfügung an die Verwaltung zurückzuweisen. Ferner sei das Verfahren im Hinblick auf ein in Auftrag gegebenes psychiatrisches Gutachten bis zum 29. November 2002 zu sistieren und hierauf ein zweiter Schriftenwechsel anzuordnen. 
Mit Eingabe vom 29. November 2002 lässt die Beschwerdeführerin ein Gutachten des Dr. G.________, Spezialarzt FMH für Psychiatrie und Psychotherapie in H.________, vom 26. November 2002 einreichen. Zudem wird das Beschwerdebegehren dahin geändert, dass eine ganze Rente ab 1. Oktober 1998 zuzusprechen sei. 
Die IV-Stelle beantragt Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Mit der am 29. November 2002 erfolgten Einreichung des psychiatrischen Gutachtens vom 26. November 2002 ist das Sistierungsbegehren gegenstandslos geworden. Zur Anordnung eines zweiten Schriftenwechsels besteht kein Anlass, nachdem sich Verwaltung und Aufsichtsbehörde zu den vollständigen Akten, einschliesslich des nachgereichten psychiatrischen Gutachtens, äussern konnten. 
1.1 Nach bisheriger Rechtsprechung berücksichtigte das Eidgenössische Versicherungsgericht im Verfahren gemäss Art. 132 OG die nach Ablauf der Beschwerdefrist unaufgefordert eingereichten Schriftstücke und Beweismittel, namentlich auch Gutachten, soweit sie für die Beurteilung der Streitsache erheblich schienen (vgl. AHI 2000 S. 303 ff., ZAK 1986 S. 190 Erw. 3b, 1980 S. 439 Erw. 2). In BGE 127 V 353 ff. hat das Gericht eingehend begründet, weshalb an dieser Praxis nicht länger festgehalten werden kann. Im Sinne einer Angleichung an die Rechtsprechung des Bundesgerichts hat es entschieden, dass es - selbst in Verfahren, in denen das letztinstanzliche Gericht nicht an die Feststellung des Sachverhalts gebunden ist (Art. 132 lit. b OG) - im Lichte von Art. 108 Abs. 2 OG grundsätzlich unzulässig ist, nach Ablauf der Beschwerdefrist neue Beweismittel beizubringen, es sei denn, dass ausnahmsweise ein zweiter Schriftenwechsel (Art. 110 Abs. 4 OG) angeordnet wurde (Erw. 3b und 4a). Namentlich ist es nicht zulässig, dass eine Person in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ihre Absicht kundtut, nach Ablauf der Beschwerdefrist ein künftiges Beweismittel einzureichen, oder dass sie zu diesem Zweck die Sistierung des Verfahrens beantragt (Erw. 3b i.f.). Zu berücksichtigen sind in der Regel nur solche Eingaben, welche dem Gericht innert der gesetzlichen Frist (Art. 106 Abs. 1 OG) vorliegen. Anders verhält es sich lediglich dann, wenn nach Ablauf der Beschwerdefrist oder nach Abschluss des Schriftenwechsels unaufgefordert eingereichte Schriftstücke neue erhebliche Tatsachen oder schlüssige Beweismittel enthalten, welche eine Revision im Sinne von Art. 137 lit. b OG zu rechtfertigen vermöchten (Erw. 4b). Nur unter diesem beschränkten Gesichtswinkel ist das von der Beschwerdeführerin nachgereichte psychiatrische Gutachten vom 26. November 2002 zu berücksichtigen. 
2. 
2.1 Im vorinstanzlichen Entscheid werden die für den Rentenanspruch (Art. 28 Abs 1 und 1bis IVG) und die Invaliditätsbemessung (Art. 28 Abs. 2 IVG) geltenden Regeln sowie die Rechtsprechung zum Beweiswert ärztlicher Berichte (BGE 125 V 352 Erw. 3a und b, 122 V 160 Erw. 1c je mit Hinweisen) zutreffend dargelegt, sodass darauf verwiesen werden kann. 
2.2 Zu ergänzen ist, dass das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 im vorliegenden Fall nicht anwendbar ist, da nach dem massgebenden Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verfügung (8. Mai 2001) eingetretene Rechts- und Sachverhaltsänderungen vom Sozialversicherungsgericht nicht berücksichtigt werden (BGE 127 V 467 Erw. 1, 121 V 366 Erw. 1b). 
 
3. 
3.1 Verwaltung und Vorinstanz haben sich bei der Beurteilung der Arbeitsfähigkeit im Wesentlichen auf das Gutachten der MEDAS vom 17. Mai 2000 gestützt. Danach leidet die Beschwerdeführerin an einem chronischen Schmerzsyndrom und an Instabilität des linken Knies nach vorderer Kreuzbandersatzplastik, an Osteochondrose L2/L3 und Spondylose L2-L4 sowie an einer Schmerzverarbeitungsstörung im Rahmen einer dissoziativen Störung mit begleitenden depressiven Verstimmungen. Zur Arbeitsfähigkeit wird ausgeführt, in der bisherigen sitzenden, körperlich nicht beschwerlichen Tätigkeit sei die Versicherte aufgrund der somatischen und psychischen Beeinträchtigungen in zeitlicher Hinsicht zu 40 % in der Arbeitsfähigkeit eingeschränkt. Dies gelte auch für alle andern, gleich wenig belastenden Tätigkeiten. Stehende und körperlich beschwerliche Tätigkeiten seien ihr nicht zumutbar. Der Vorinstanz ist darin beizupflichten, dass keine Veranlassung besteht, von dieser Beurteilung abzugehen. Der MEDAS-Bericht erfüllt die nach der Rechtsprechung für den Beweiswert medizinischer Gutachten geltenden Anforderungen (BGE 125 V 352 Erw. 3a mit Hinweisen) und vermag in den Schlussfolgerungen zu überzeugen. Diese stehen weitgehend im Einklang mit den in den Akten enthaltenen weiteren Arztberichten. So hatte die Neurologin Dr. I.________, unter Berücksichtigung sowohl der somatischen (Gehfunktionsstörung sowie persistierende Kniebeschwerden links) als auch der psychischen Beeinträchtigungen (anhaltende somatoforme Schmerzstörung, depressive Entwicklung) bereits in einem Bericht vom 28. Februar 1998 die Auffassung vertreten, die Versicherte sei längerfristig sicher arbeitsfähig, wobei ihr eine geeignete, wechselbelastende Tätigkeit zunächst im Umfang von 50 % zumutbar sei. Der Bericht der Neurologischen Klinik des Spitals C.________ vom 28. Oktober 1998 über eine Untersuchung der Versicherten im Rahmen der interdisziplinären Schmerzsprechstunde enthält keine näheren Angaben zur Arbeitsfähigkeit; es geht daraus aber hervor, dass ein starker Leidensdruck im Vordergrund stand und von einer medikamentösen Therapie mit psychiatrischer Begleitung eine Besserung zu erwarten war. Eine solche ist in der Folge effektiv eingetreten, wie einem Bericht des Spitals C.________ (Institut für Anästhesiologie; Dr. J.________), vom 8. April 2002 zu entnehmen ist. Was schliesslich die psychiatrische Beurteilung durch med. pract. K.________, vom 30. September 2000 betrifft, wird darin zwar aus psychiatrischer Sicht eine vollständige Arbeitsunfähigkeit für die Zeit von 1998 bis September 2000 angegeben. Es handelt sich jedoch um eine nicht näher begründete retrospektive und offenbar weitgehend auf den subjektiven Angaben der Beschwerdeführerin beruhende Beurteilung, welche zudem davon ausgeht, dass es zu einer deutlichen Verschlechterung des Zustandes gekommen war. Nach den Angaben des Spitals C.________ konnten die Beschwerden dank einer Umstellung in der Medikation ab Juli 2000 indessen deutlich gebessert werden. Dazu kommt, dass sich die Beschwerdeführerin bisher nicht für eine psychiatrische Behandlung entschliessen konnte, obschon hievon eine weitere Besserung des Zustandes zu erwarten gewesen wäre (Bericht Dr. L.________ vom 12. April 2000). Dem Bericht von med. pract. K.________ vom 30. September 2000 kann aus den angeführten Gründen keine entscheidende Bedeutung beigemessen werden. Er gibt auch keinen Anlass zur Vornahme ergänzender Abklärungen, weil der medizinische Sachverhalt aufgrund der umfassenden polydisziplinären (insbesondere auch psychiatrischen) Untersuchung der Beschwerdeführerin hinreichend geklärt ist. 
3.2 Das von der Beschwerdeführerin nachgereichte psychiatrische Gutachten des Dr. G.________ vom 26. November 2002 vermag zu keinem andern Ergebnis zu führen. Es ist nach dem Gesagten nur soweit beachtlich, als es neue erhebliche Tatsachen oder schlüssige Beweise enthält, welche eine Revision im Sinne von Art. 137 lit. b OG zu begründen vermöchten. Dies trifft indessen nicht zu. Das Gutachten enthält eine eingehende Darstellung der bei der Beschwerdeführerin vorhandenen psychischen Beeinträchtigungen und der bestehenden Psychodynamik des Schmerzerlebens; es ergeben sich daraus jedoch keine für die Beurteilung des streitigen Leistungsanspruchs erheblichen neuen Tatsachen. Der Gutachter schliesst sich sowohl hinsichtlich der Diagnose (ängstlich-depressives Syndrom auf dem Boden einer pathologischen, d.h. ängstlich-hypochondrischen Erlebensverarbeitung infolge körperlicher Beeinträchtigung; somatoformes Schmerzsyndrom) als auch bezüglich der Auswirkungen des Gesundheitsschadens auf die Arbeitsfähigkeit den vorhandenen Arztberichten grundsätzlich an. Gegenüber dem Gutachten der MEDAS unterscheidet sich die Beurteilung im Wesentlichen nur darin, dass die Arbeitsfähigkeit nach Auffassung von Dr. G.________ nicht mehr als 30% beträgt. Dabei handelt es sich indessen lediglich um eine abweichende Bewertung des an sich bekannten Sachverhalts, was für eine Revision nicht genügt (BGE 127 V 358 Erw. 5b). Das nachgereichte Gutachten vom 26. November 2002 kann deshalb in die Beurteilung nicht einbezogen werden. 
 
Schliesslich ist die im MEDAS-Gutachten attestierte Restarbeitsfähigkeit von 40 % in körperlich wenig belastenden Tätigkeiten auch praktisch verwertbar, da die der Beschwerdeführerin zumutbaren Arbeiten einerseits Gegenstand von Angebot und Nachfrage auf dem ihr offen stehenden, ausgeglichenen Arbeitsmarkt sind (vgl. BGE 110 V 276 Erw. 4b; ZAK 1991 S. 320 Erw. 3b) und die Versicherte anderseits nicht derart eingeschränkt ist, dass der allgemeine Arbeitsmarkt die entsprechenden Stellen praktisch nicht kennt oder eine Beschäftigung nur unter nicht realistischem Entgegenkommen eines Arbeitgebers möglich wäre (Urteil Z. vom 14. April 2000, U 241/99). 
4. 
Nicht zu beanstanden ist schliesslich der von der Vorinstanz vorgenommene Einkommensvergleich, woraus sich ein Invaliditätsgrad von 46,4 % ergibt. Die Beschwerdeführerin bringt nichts dagegen vor und auch den Akten lässt sich nichts entnehmen, was zu einer anderen Beurteilung zu führen vermöchte, weshalb sich weitere Ausführungen erübrigen. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, der Ausgleichskasse des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
Luzern, 7. April 2003 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Die Präsidentin der IV. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: