Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
8C_740/2020  
 
 
Urteil vom 7. April 2021  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Abrecht, 
Gerichtsschreiberin Polla. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Kaspar Saner, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva), Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Unfallversicherung (Kausalzusammenhang), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 24. September 2020 (UV.2019.00175). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die 1963 geborene A.________ ist seit Mai 2013 als Zugbegleiterin angestellt und dadurch bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (Suva) gegen die Folgen von Berufs- und Nichtberufsunfällen versichert. Am 28. Juli 2017 wurde sie auf ihrem Motorrad fahrend von einem nachfolgenden Fahrzeug erfasst. Dabei ist sie mit Rücken und Kopf auf die Motorhaube des Fahrzeugs gestürzt und danach mit der Brustwirbelsäule und dem rechten Schulterblatt auf den Boden gefallen (Unfallmeldung vom 3. August 2017; Kurzbericht des Spitals B.________ vom 29. Juli 2017). Gemäss Bericht der Notfallstation des Spitals B.________ vom 29. Juli 2017 wurden anlässlich der Erstuntersuchungen keine Traumafolgen nachgewiesen. Als Diagnosen wurden Auffahrunfall und Hyponatriämie vom 28. Juli 2017 genannt (Bericht des Spitals B.________ vom 29. Juli 2017). Mit Verfügung vom 6. Dezember 2018 stellte die Suva die bis dahin ausgerichteten vorübergehenden Leistungen (Heilbehandlung, Taggeld) auf den 15. Dezember 2018 ein, woran sie mit Einspracheentscheid vom 4. Juni 2019 festhielt. 
 
B.   
Die dagegen geführte Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 24. September 2020 ab. 
 
C.   
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Sache zur Einholung eines medizinischen Gutachtens mit nachfolgender Neubeurteilung an die Vorinstanz, eventualiter an die Suva zurückzuweisen. 
Die Suva schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Gesundheit hat auf eine Stellungnahme verzichtet. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es, unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht im Beschwerdeverfahren (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Vorbringen, sofern allfällige weitere rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236; 138 I 274 E. 1.6 S. 280).  
 
1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).  
 
2.  
 
2.1. Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie die Leistungseinstellung der Suva auf den 15. Dezember 2018 schützte. Im Zentrum steht dabei die Frage, ob der Unfall vom 28. Juli 2017 kausal für die weiterhin geklagten rechtsseitigen Schulterbeschwerden ist.  
 
2.2. Die Vorinstanz hat die Bestimmungen und Grundsätze zum für die Leistungspflicht des obligatorischen Unfallversicherers (Art. 6 UVG) vorausgesetzten natürlichen Kausalzusammenhang zwischen Unfall und Gesundheitsschaden (BGE 142 V 435 E. 1 S. 438; 134 V 109 E. 2.1 S. 111 f.; 129 V 177 E. 3.1 f. S. 181) und die Rechtsprechung zum Erreichen des Status quo sine vel ante (SVR 2016 UV Nr. 18 S. 55, 8C_331/2015 E. 2.1.1) zutreffend dargelegt. Richtig sind auch ihre Erwägungen zum Anspruch auf zweckmässige Behandlung von Unfallfolgen und auf Taggeldleistungen (Art. 10 Abs. 1, Art. 16 Abs. 1 und Art. 17 Abs. 1 UVG), zum Beweiswert und zur Beweiswürdigung medizinischer Berichte und Gutachten (BGE 143 V 124 E. 2.2.2 S. 126 f.; 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3a S. 352 ff., je mit Hinweisen) und zum massgebenden Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 146 V 51 E. 5.1 S. 56). Darauf wird verwiesen.  
Zu betonen ist, dass beratende Ärzte, was den Beweiswert ihrer ärztlichen Beurteilung angeht, versicherungsinternen Ärzten gleichzusetzen sind (vgl. Urteil 8C_608/2015 vom 17. Dezember 2015 E. 3.3.3 mit Hinweis). Deren Berichten kommt nach der Rechtsprechung Beweiswert zu, sofern sie als schlüssig erscheinen, nachvollziehbar begründet sowie in sich widerspruchsfrei sind und keine Indizien gegen ihre Zuverlässigkeit bestehen (BGE 125 V 351 E. 3b/ee S. 353 f. mit Hinweis). Trotz dieser grundsätzlichen Beweiseignung kommt den Berichten versicherungsinterner medizinischer Fachpersonen praxisgemäss nicht dieselbe Beweiskraft zu wie einem gerichtlichen oder im Verfahren nach Art. 44 ATSG vom Versicherungsträger veranlassten Gutachten unabhängiger Sachverständiger. Soll ein Versicherungsfall ohne Einholung eines externen Gutachtens entschieden werden, so sind an die Beweiswürdigung strenge Anforderungen zu stellen. Bestehen auch nur geringe Zweifel an der Zuverlässigkeit und Schlüssigkeit der versicherungsinternen ärztlichen Feststellungen, so sind ergänzende Abklärungen vorzunehmen (BGE 139 V 225 E. 5.2 S. 229; 135 V 465 E. 4.4 S. 469; Urteil 8C_348/2016 vom 9. Dezember 2016 E. 2.4). 
 
3.   
Die Vorinstanz folgte nach eingehender Würdigung der medizinischen Aktenlage der Einschätzung der Kreisärzte Dres. med. C.________ und D.________, Fachärzte für Orthopädie und Traumatologie des Bewegungsapparates, wonach die geklagten Schulterbeschwerden nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit mit dem Unfallereignis vom 28. Juli 2017 zusammenhingen, sondern degenerativer Natur seien (Aktenbeurteilung vom 13. September 2018 und Beurteilung vom 27. November 2018). Dr. med. C.________ führte aus, es sei insbesondere ungewöhnlich, dass es beim geschilderten Unfallmechanismus mit Kopfkontusion und Aufprall der Brustwirbelsäule (BWS) und des rechten Schulterblattes zu einer artikulären, also gelenkseitigen Teilruptur der Supraspinatus- und der Infraspinatussehne gekommen sein soll. Aus orthopädischer Sicht und unter biomechanischen Gesichtspunkten sei eine Rückenkontusion oder eine dorsale Schulterblattkontusion nicht geeignet, eine solche Ruptur zu verursachen. Diese Verletzung sei auch nicht direkt nach dem Unfall diagnostiziert worden. Die Unfähigkeit den Arm heben zu können, oder nur unter stärksten Schmerzen, sei ein typisches klinisches Zeichen einer traumatischen Ruptur der Sehnen am Schultergelenk, welcher Umstand bei der Polytrauma-Untersuchung direkt nach dem Unfall aufgefallen wäre. Sodann lägen gemäss kernspintomografischer Untersuchung der rechten Schulter vom 1. Dezember 2017 mehrere degenerative Veränderungen vor, die einen Verschleiss der Rotatorenmanschetten nach sich ziehen könnten. Die teilgeschädigte Stelle sei keinem direkten Trauma ausgesetzt gewesen, weshalb keine unfallkausale Läsion des Übergangsbereichs zwischen Supraspinatus- und Infraspinatussehne vorliege. Strukturelle, objektivierbare Unfallfolgen seien nicht vorhanden. Die Vorinstanz verneinte daher einen natürlichen Kausalzusammenhang zwischen den rechtsseitigen Schulterbeschwerden und dem Unfallereignis vom 28. Juli 2017. 
 
4.  
 
4.1. Die Vorbringen der Beschwerdeführerin sind nicht geeignet, auch nur geringe Zweifel an der Einschätzung der Kreisärzte zu wecken oder die vorinstanzlichen Ausführungen zu entkräften. Das im letztinstanzlichen Verfahren neu eingereichte Schreiben der Swiss Orthopaedics vom 1. Oktober 2020 ist - wie die entsprechenden Behauptungen in der Beschwerde - als echtes Novum von vornherein unzulässig (Art. 99 Abs. 1 BGG; BGE 143 V 19 E. 1.2 S. 22 f.).  
Vom Novenverbot ausgenommen ist die diesem Schreiben beigeheftete, im Internet zugängliche Publikation von PD Dr. med. ALEXANDRE LÄDERMANN et al., Revidierte Unterscheidungskriterien, Degenerative oder traumatische Läsionen der Rotatorenmanschette, in: Schweizerisches Medizin-Forum 2019 [1516], S. 260 ff. (vgl. Urteil 8C_446/2019 vom 22. Oktober 2019 E. 5.2.2 mit Hinweis auf Urteil 9C_334/2010 vom 23. November 2010 E. 2.1, nicht publ. in: BGE 136 V 395, aber in: SVR 2011 KV Nr. 5 S. 20; siehe auch Urteil 8C_59/2020 vom 14. April 2020 E. 5.4). Die Autoren, worunter Mitglieder der Expertengruppe Schulter- und Ellbogenchirurgie von Swiss Orthopaedics, vertreten darin die Ansicht, dass bei einem Direkttrauma der Schulter ohne explizit ausgestrecktem Arm ebenfalls eine Rotatorenmanschettenläsion entstehen könne. 
 
4.2. Daraus vermag die Beschwerdeführerin indessen nichts für sich zu gewinnen. Zum einen ist diese Meinungsäusserung nicht wissenschaftlich belegt und daher nicht beweiskräftig, zumal die Frage in der medizinischen Literatur kontrovers diskutiert wird (vgl. Urteil 8C_59/2020 vom 4. April 2020 E. 5.4). Zum andern erlitt die Beschwerdeführerin kein direktes Aufpralltrauma an der lädierten Stelle. Sie selbst nennt in der Beschwerde das rechte Schulterblatt und die BWS als Anprallstellen, was sich mit den übrigen Angaben in den Akten deckt. Dementsprechend vermochte Dr. med. C.________ die gelenkseitigen Teilrupturen der Sehnen im Schultergelenk nicht durch den Unfallmechanismus zu erklären. Entgegen dem Einwand in der Beschwerde erachtete der Kreisarzt dabei den Unfallmechanismus nicht als gewichtiges, sondern als ein einzelnes Indiz unter mehreren, das im vorliegenden Fall für die Verneinung von unfallkausalen Sehnenrupturen sprach. So wies er darauf hin, dass erstmals am 2. Dezember 2017, mithin fünf Monate nach dem Unfall, die Diagnose einer Teilruptur der Supraspinatussehne mit Kapsulitis posttraumatisch aufgeführt worden sei (Physiotherapierezept des behandelnden Dr. med. E.________, Facharzt für Orthopädie und Traumatologie). Bis dahin sei die Schulterproblematik trotz fachärztlicher Untersuchung nicht behandelt oder überhaupt klinisch diagnostiziert worden. Wie die Vorinstanz bereits darlegte (E. 3 hiervor), wertete er dies mit Blick auf die klinischen Zeichen einer traumatischen Ruptur der Sehnen ebenso als Kriterium für eine degenerative Schultergelenkserkrankung wie die kernspintomografische Untersuchung der Schulter vom 1. Dezember 2017, welche mehrere degenerative Veränderungen zeigte, die einen Rotatorenmanschettenverschleiss nach sich ziehen könnten. Er mass dem Unfallmechanismus demnach zu Recht keine übergeordnete Bedeutung zu. Denn oftmals, wie auch hier, kann der genaue Unfallhergang nicht mehr rekonstruiert werden, weshalb die diesbezüglichen Ausführungen in der Beschwerde nicht zielführend sind. Daher sind vielmehr die einzelnen für oder gegen eine traumatische Genese sprechenden Aspekte aus medizinischer Sicht zu diskutieren und ein Sachverhalt zu ermitteln, der zumindest überwiegend wahrscheinlich ist (vgl. BGE 144 V 427 E. 3.2 S. 429 f.; 138 V 218 E. 6 S. 221 und Urteil 8C_59/2020 vom 4. April 2020 E. 5.4). Genau dies hat der Kreisarzt getan. Daran ändert nichts, dass er sich nicht mit der gemäss Arthro-MRT der rechten Schulter vom 1. Dezember 2017 fehlenden Atrophie oder fettigen Degeneration der Rotatorenmanschettenmuskulatur auseinandersetzte, wie die Beschwerdeführerin rügt. Dieser Befund schliesst eine - allenfalls nicht besonders weit fortgeschrittene - Degeneration nicht aus, legte doch Dr. med. C.________ dar, dass eine Partialruptur, wie hier, häufig am Beginn einer degenerativen Rotatorenmanschettenruptur stehe. Ebenso wenig ist es zu beanstanden, wenn die Vorinstanz den Umstand, dass der Austrittsbericht des Spitals B.________ vom 29. Juli 2017 keine Hinweise auf eine fehlende oder schmerzhafte Schulterbeweglichkeit enthält, als gegen das Vorliegen einer unfallkausalen Schulterproblematik sprechendes Kriterium wertete (Beurteilung des Kreisarztes Dr. med. C.________ vom 13. September 2018).  
 
4.3. Die Beschwerdeführerin vermag zusammenfassend nicht darzutun, inwieweit mit den angerufenen medizinischen Dokumenten an den kreisärztlichen Schlussfolgerungen auch nur geringe Zweifel begründet werden könnten. Die Vorinstanz durfte daher darauf abstellen und ohne Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes auf weitere Sachverhaltsabklärungen verzichten. Zu verneinen ist schliesslich eine Leistungspflicht der Suva gestützt auf Art. 6 Abs. 2 lit. f UVG, was auch nicht geltend gemacht wird. Während bei einem Unfallereignis im Sinne von Art. 4 ATSG die Leistungspflicht des Unfallversicherers erst entfällt, wenn der Unfall keine auch nur geringe Teilursache der Körperschädigung mehr bildet, ist der Unfallversicherer im Rahmen der unfallähnlichen Körperschädigung bereits dann von seiner Leistungspflicht befreit, wenn die Listenverletzung zu mehr als 50 % auf Abnützung oder Erkrankung zurückzuführen ist (vgl. BGE 146 V 51 S. 68 f.). Dies ist vorliegend mit Blick auf das Dargelegte der Fall. Damit hat es beim vorinstanzlichen Entscheid sein Bewenden.  
 
5.   
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 7. April 2021 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Die Gerichtsschreiberin: Polla