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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
I 227/03 
 
Urteil vom 7. September 2004 
III. Kammer 
 
Besetzung 
Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Lustenberger; Gerichtsschreiber Signorell 
 
Parteien 
J.________, 1972, Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Thomas Laube, Ulrichstrasse 14, 8032 Zürich, 
 
gegen 
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur 
 
(Entscheid vom 3. März 2003) 
 
Sachverhalt: 
Die IV-Stelle des Kantons Zürich lehnte ein Leistungsgesuch (Rente und berufliche Eingliederung) des 1972 geborenen J.________ nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens mit Verfügung vom 12. April 2002 ab. 
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 3. März 2003. 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt J.________ lässt beantragen, es seien ihm berufliche Massnahmen und eine Invalidenrente zuzusprechen. Überdies ersucht er um Bewilligung der unentgeltlichen Verbeiständung. 
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und Grundsätze zum Invaliditätsbegriff (Art. 4 Abs. 1 IVG), zum Anspruch auf berufliche Eingliederungsmassnahmen (Art. 8 Abs. 1 IVG), zu den Voraussetzungen und zum Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 und 1bis IVG [in der bis 31. Dezember 2003 in Kraft gewesenen Fassung]), zur Bemessung des Invaliditätsgrades bei erwerbstätigen Versicherten nach der Einkommensvergleichsmethode (Art. 28 Abs. 1, 1bis und 2 IVG), zur Aufgabe des Arztes und der Ärztin bei der Invaliditätsbemessung (BGE 125 V 261 Erw. 4 mit Hinweisen; AHI 2002 S. 70, 2000 S. 319 Erw. 2b) sowie zur Würdigung ärztlicher Berichte zutreffend dargelegt. Darauf wird ebenso verwiesen wie auf die Erwägung zur Nichtanwendbarkeit des am 1. Januar 2003 in Kraft getretenen Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000. Ergänzend ist festzuhalten, dass die auf den 1. Januar 2004 in Kraft getretenen Bestimmungen gemäss der Änderung des IVG vom 21. März 2003 (4. IVG-Revision) nicht zu berücksichtigen sind. 
2. 
Nachdem die IV-Stelle des Kantons Zürich mit einer ersten Verfügung vom 4. Juni 1996 einen Leistungsanspruch verneint hatte, hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich eine dagegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 10. Dezember 1997 gut und wies die Sache zu weiteren Abklärungen im Sinne der Erwägungen an die Verwaltung zurück. Diese holte in der Folge zunächst einen ärztlichen Zwischenbericht des Hausarztes, Dr. N.________, ein, beauftragte die interne Berufsberatung mit der Erstellung eines Zusatzberichtes und ordnete die psychiatrische Begutachtung des Gesuchstellers an. Auf Grund der Ergebnisse dieser Abklärungen teilte die IV-Stelle dem Versicherten mit Vorbescheid vom 7. Juli 2000 mit, dass das Leistungsbegehren abgewiesen werde. Da dagegen Einwendungen erhoben wurden, beauftragte sie die Medizinische Abklärungsstelle der Kliniken X.________ (MEDAS) mit einer polydisziplinären Begutachtung (Gutachten vom 6. Oktober 2001). Nachdem die Berufsberatungsstelle einen Einkommensvergleich durchgeführt hatte, erliess die IV-Stelle am 27. November 2001 einen erneuten Vorbescheid, gegen den wiederum Einwände erfolgten. Mit Verfügung vom 12. April 2002 wies die IV-Stelle das Leistungsbegehren um Rente und berufliche Massnahmen ab, da der Invaliditätsgrad lediglich bei 17 % liege. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies eine dagegen geführte Beschwerde mit Entscheid vom 3. März 2003 ab. 
3. 
Die Vorinstanz stützte ihren Entscheid auf die Ergebnisse des Gutachtens der MEDAS. Der Beschwerdeführer rügt, dass dieses Gutachten vom 6. Oktober 2001 unvollständig sei und sich nicht in die Vorgaben des vorinstanzlichen Rückweisungsentscheides vom 10. Dezember 1997 einfüge. Nach diesem sei nämlich in somatischer Hinsicht auf das ausführliche, nachvollziehbare und klare Gutachten des Spezialarztes Dr. L.________ vom 23. August 1996 abzustellen. Die Verwaltung sei einzig verpflichtet worden, ergänzend dazu noch eine psychiatrische Abklärung durchführen zu lassen. 
 
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers durfte die Vorinstanz frei und ohne Bindung an das erste Urteil vom 10. Dezember 1997 auch das Gutachten Dr. L.________ im Lichte der erfolgten Abklärungen durch die MEDAS würdigen. Dies ergibt sich bereits aus dem Grundsatz, dass der Sozialversicherungsrichter verpflichtet ist, die Beweise frei, umfassend und pflichtgemäss zu würdigen (BGE 125 V 352 Erw. 3a mit Hinweis). Dem steht vorliegend nicht entgegen, dass die Rückweisung einzig zur Durchführung einer psychiatrischen Abklärung erfolgte. Wie die Vorinstanz zutreffend erwog, konnte eine abschliessende Beurteilung der verwertbaren Restarbeitsfähigkeit eben gerade nicht stattfinden, weil die psychische Seite nicht abgeklärt war, selbst dann, wenn der objektiv feststellbare somatische Teil genügend untersucht schien. 
4. 
Bezüglich der somatischen Beschwerden erheben Dr. L.________ und die MEDAS gleiche Diagnosen. Divergierende Auffassungen bestehen hingegen hinsichtlich der Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers. Während Ersterer in der angestammten Tätigkeit eine vollständige Arbeitsunfähigkeit und in einer leidensangepassten Tätigkeit eine Arbeitsfähigkeit von 30 bis 50 % annimmt, gehen Dr. N.________ und die Ärzte der MEDAS davon aus, dass der Beschwerdeführer in der angestammten Tätigkeit zu 50 % und in einer leidensangepassten Tätigkeit zu 100 % arbeitsfähig ist. Da die Beurteilung des Dr. L.________ nur vage Werte enthält und namentlich auch die Selbsteinschätzung des Versicherten miteinbezieht, ist es nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz in somatischer Hinsicht auf den Zwischenbericht des Dr. N.________ und die Ergebnisse der MEDAS-Abklärungen abstellte. 
 
In psychiatrischer Hinsicht stellen sowohl Dr. V.________ als auch die Gutachter in der MEDAS fest, dass keine psychischen Beschwerden vorliegen, welche die Diagnose eines psychiatrischen Krankheitsbildes nach ICD-10 erfüllen. Die Fachärzte gehen davon aus, dass die aktuell im Bewegungsapparat zu objektivierenden Befunde gering seien und in deutlicher Diskrepanz zu den geklagten Symptomen stünden. Auf die diesbezüglichen zutreffenden Erwägungen im vorinstanzlichen Entscheid wird verwiesen. 
 
Damit ist die Feststellung nicht zu beanstanden, dass eine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit sich ausschliesslich aufgrund der somatischen Befunde ergibt. Der Beschwerdeführer ist in seiner angestammten Tätigkeit zu 50 % und in einer leidensangepassten leichten Tätigkeit zu 100 % arbeitsfähig. 
5. 
Streitig und zu prüfen ist die Höhe des Invaliditätsgrades und der Umfang des allfälligen Rentenanspruches. 
5.1 Die Vorinstanz hat das ohne Gesundheitsschaden erzielbare Valideneinkommen nach Massgabe der Tabelle TA1 (privater Sektor) der schweizerischen Lohnstrukturerhebung (LSE) 1996 ermittelt. Sie hat dabei den monatlichen Bruttolohn (Zentralwert) von Fr. 4294.- für Männer an Arbeitsplätzen mit dem Anforderungsniveau 4 im privaten Sektor herangezogen, was umgerechnet auf die übliche Arbeitszeit einen Verdienst von Fr. 4498.- pro Monat bzw. Fr. 53 976.- pro Jahr ergibt. Diese Berechnung wird weder in grundsätzlicher noch in betraglicher Hinsicht in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gerügt. Mit korrekter Begründung legte das kantonale Gericht dar, weshalb auch bezüglich des Valideneinkommens auf die Tabellenlöhne abzustellen ist. Auf diese Erwägungen wird verwiesen. 
5.2 Zur Festlegung des Einkommens, das nach Eintritt des Gesundheitsschadens noch erzielt werden könnte, stützte sich die Vorinstanz richtigerweise wiederum auf die Ergebnisse der LSE 1996. Im Hinblick auf die medizinischen Einschränkungen kommen weiterhin Tätigkeiten mit dem Anspruchsniveau 4 in Frage. Unter Berücksichtigung des medizinisch für derartige Tätigkeiten zumutbaren Pensums von 100 % hätte der Beschwerdeführer keine Erwerbseinbusse hinzunehmen. Wie die Vorinstanz zutreffend feststellte, können für bestimmte invaliditätsbedingte Umstände, die zu einer Einkommensverminderung führen, Abzüge vom Tabellenlohn gemacht werden. Da nach der Rechtsprechung der gesamte Abzug höchstens 25 % betragen darf und vorliegend Validen- und Invalideneinkommen auf der gleichen Basis zu berechnen sind, kann die Einkommenseinbusse höchstens 25 % betragen. Bei einem Invaliditätsgrad von 25 % entsteht indessen kein Rentenanspruch. 
5.3 Wie bereits im vorinstanzlichen Verfahren macht der Beschwerdeführer geltend, seine Aufenthaltsbewilligung "L" sei abgelaufen, weshalb seine Ausweisung geprüft werde. Er habe daher gar keine Möglichkeit, in der Schweiz ein Einkommen zu erzielen. Es müsse daher bei einer Ausweisung der Einkommensvergleich auf der arbeitsmarktrechtlichen Situation in Mazedonien vorgenommen werden. Wie die Vorinstanz zutreffend erwog, handelt es sich bei einer allfälligen Ausweisung um eine ausländerrechtliche Massnahme, die nicht invaliditätsbedingt ist. Invaliditätsfremde Faktoren finden beim Einkommensvergleich keine Berücksichtigung. Selbst wenn man der Auffassung des Beschwerdeführers folgen wollte, führte dies zu keinem anderen Ergebnis. Im Rahmen des Einkommensvergleichs nach Art. 28 Abs. 2 IVG sind nämlich die invaliditätsfremden Gesichtspunkte überhaupt nicht oder dann bei beiden Vergleichsgrössen gleichmässig zu berücksichtigen (ZAK 1989 S. 458 Erw. 3b; RKUV 1993 Nr. U 168 S. 104). Dabei kommt der letztgenannten Möglichkeit insofern die grössere Bedeutung zu, als das Valideneinkommen in der Regel nach Massgabe des tatsächlich erzielten Einkommens und somit unter Berücksichtigung von invaliditätsfremden Faktoren ermittelt wird. In diesem Fall sind die invaliditätsfremden Faktoren bei der Festlegung des Invalideneinkommens zu berücksichtigen (Urteil B. vom 1. März 2002, I 443/01). Davon ist dann abzusehen, wenn beide Einkommen unter Ausserachtlassung des Bezuges auf ein tatsächlich erzieltes Einkommen und somit rein hypothetisch ermittelt werden, in welchem Fall wahlweise invaliditätsfremde Faktoren eingeschlossen oder ausser Acht gelassen werden können (Kieser, in: Schaffhauser/Schlauri, Rechtsfragen der Invalidität in der Sozialversicherung, S. 76 f.). 
6. 
Schliesslich beantragt der Beschwerdeführer die Gewährung beruflicher Eingliederungsmassnahmen. Die Vorinstanz verneinte einen diesbezüglichen Anspruch mit der Begründung, diese seien auf eine unmittelbar auszuübende Arbeitstätigkeit ausgerichet, denn die versicherte Person dürfe einzig durch den Gesundheitsschaden in der Erwerbsfähigkeit eingeschränkt sein. Da der Beschwerdeführer lediglich über eine Kurzaufenthaltsbewilligung "L" verfüge, fehle es ihm an einer Arbeitsbewilligung. Eine Eingliederung in den Arbeitsmarkt sei deshalb aus invaliditätsfremden Gründen nicht möglich. 
 
Diesem Ergebnis ist beizupflichten. Nach der Rechtsprechung erweist sich die Zusprechung beruflicher Eingliederungsmassnahmen nämlich nur dann als sinnvoll, wenn begründete Aussicht auf Erlangung einer Arbeitsbewilligung besteht (Urteil M. vom 19. August 2004, Erw. 6.1.3 [I 147/04]). Bei der Prüfung dieser Frage ist in erster Linie dem Umstand Rechnung zu tragen, dass der Beschwerdeführer derzeit über keine Arbeitsbewilligung verfügt, denn sein Aufenthaltsrecht ist lediglich mit dem Abwarten eines Rentenentscheides begründet. Als Inhaber einer Kurzaufenthaltsbewilligung untersteht er der (bundesrätlichen) Verordnung über die Begrenzung der Zahl der Ausländer (BVO) vom 6. Oktober 1986 (SR 823.21; Art. 2 Abs. 1 lit. b RVO). Diese berechtigt zu einem Aufenthalt bis zu einem Jahr (Art. 20 Abs. 1 RVO) und kann ausnahmsweise beim gleichen Arbeitgeber auf insgesamt höchstens 24 Monate verlängert werden (Art. 25 Abs. 4 in der ab 1. Juni 2002 geltenden Fassung). Zu beachten ist im Weiteren, dass Bewilligungen für Kurzaufenthalter in der Regel erst nach einem einjährigen Unterbruch ein weiteres Mal erteilt werden kann (Art. 26 Abs. 1 RVO). Ausnahmen sind dort möglich, wenn es sich um eine jährlich wiederkehrende Tätigkeit handelt (Art. 26 Abs. 2 RVO). Kurzaufenthalterbewilligungen dürfen nicht unmittelbar aneinandergereiht werden (Art. 27 Abs. 1 lit. b RVO). Die Bewilligung zu einem Berufswechsel wird in der Regel Kurzaufenthaltern nicht erteilt (Art. 29 Abs. 2 lit. c RVO). Gestützt auf diese Grundlagen erscheint es sehr fraglich, dass dem Beschwerdeführer eine Arbeitsbewilligung ausgestellt würde. Da aber vor diesem Hintergrund allfällige berufliche Massnahmen letztlich auch auf dem Arbeitsmarkt nicht zum Tragen kämen, besteht kein Anspruch auf berufliche Eingliederungsmassnahmen (vgl. Urteil R. vom 15. Juli 2003 [I793/02] Erw. 5.2.2 in fine). 
7. 
Da die Bedürftigkeit aktenkundig ist, die Beschwerde nicht als aussichtslos zu bezeichnen und die Vertretung geboten war (BGE 125 V 202 Erw. 4a und 372 Erw. 5b, je mit Hinweisen), kann die unentgeltliche Verbeiständung gewährt werden (Art. 152 in Verbindung mit Art. 135 OG). Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 152 Abs. 3 OG aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie später dazu im Stande ist. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung wird Fürsprecher Thomas Laube, Zürich, für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) ausgerichtet. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, der Ausgleichskasse des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
Luzern, 7. September 2004 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Die Präsidentin der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber: