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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5P.239/2005 /blb 
 
Urteil vom 7. September 2005 
II. Zivilabteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Raselli, Präsident, 
Bundesrichterinnen Escher, Hohl, 
Gerichtsschreiberin Scholl. 
 
Parteien 
X.________ AG, 
Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Advokatin Dr. Caroline Cron, 
 
gegen 
 
Y.________ AG, 
Beschwerdegegnerin, 
vertreten durch Rechtsanwalt Gustav Lienhard, 
Obergericht des Kantons Aargau, 3. Zivilkammer, Obere Vorstadt 38, 5000 Aarau. 
 
Gegenstand 
Art. 9 BV etc. (Gerichts- und Parteikosten), 
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, 3. Zivilkammer, 
vom 25. April 2005. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Die X.________ AG betrieb auf einem von der Y.________ AG gemieteten Grundstück eine Tankstelle. 
Mit Eingabe vom 3. September 2004 verlangte die Y.________ AG beim Gerichtspräsidium Aarau den Erlass vorsorglicher Massnahmen. Sie beantragte, die X.________ AG sei zu verpflichten, unverzüglich die demontierte Tankstelleneinrichtung wieder zu montieren. 
Nachdem die X.________ AG die strittige Einrichtung wieder zurückgeschafft hatte, schrieb der Gerichtspräsident I von Aarau am 15. November 2004 das Verfahren als gegenstandslos ab. Er auferlegte der X.________ AG die Gerichtsgebühren und verpflichtete sie zudem, der Y.________ AG Parteikosten im Betrag von Fr. 8'230.10 zu ersetzen. 
Gegen die erstinstanzliche Kostenregelung gelangte die X.________ AG an das Obergericht des Kantons Aargau. Mit Urteil vom 25. April 2005 wies das Obergericht die Beschwerde vollumfänglich ab. 
B. 
Die X.________ AG führt staatsrechtliche Beschwerde an das Bundesgericht. Sie verlangt die Aufhebung des obergerichtlichen Urteils. Strittig ist die Kostenregelung der Abschreibungsverfügung vom 15. November 2004. 
Das Gesuch um aufschiebende Wirkung wurde am 24. Juni 2004 abgewiesen. Es sind keine Vernehmlassungen eingeholt worden. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Beim angefochtenen Urteil handelt es sich um einen kantonalen Endentscheid, in welchem das Obergericht eine Beschwerde bezüglich der erstinstanzlichen Kostenregelung abgewiesen hat. Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs sowie eine willkürlich Anwendung von kantonalem Recht. Die staatsrechtliche Beschwerde erweist sich damit als zulässig (Art. 84 Abs. 2 und Art. 86 Abs. 1 OG). 
2. 
Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die ihr in der Abschreibungsverfügung vom 15. November 2004 auferlegten Gerichts- und Parteikosten. Sie anerkennt indes ausdrücklich, dass die Kostenverlegung bei Gegenstandslosigkeit des Prozesses grundsätzlich nach § 116 ZPO/AG und damit unter dem Gesichtspunkt des mutmasslichen Prozessausgangs zu erfolgen hat. 
Das Obergericht hat im Rahmen von § 116 ZPO/AG eine (erste) Hauptsachenprognose vorgenommen und ist zum Schluss gelangt, das Gesuch der Beschwerdegegnerin um Erlass von vorsorglichen Massnahmen hätte mutmasslich gutgeheissen werden müssen. Dementsprechend seien die Gerichts- und Parteikosten des gegenstandslos gewordenen Prozesses von der Beschwerdeführerin zu tragen. Die Beschwerdeführerin wirft dem Obergericht in diesem Punkt Willkür vor und kritisiert die obergerichtlichen Erwägungen bezüglich des mutmasslichen Prozessausganges. 
2.1 Das Obergericht hat zunächst erwogen, nach den Regeln des Besitzesschutzes hätte das Gesuch der Beschwerdegegnerin abgewiesen werden müssen, da in der Verweigerung der Rückgabe einer gemieteten Sache keine verbotene Eigenmacht liege. 
Anschliessend hat es die Voraussetzungen zum Erlass von vorsorglichen Massnahmen nach § 302 Abs. 1 lit. b ZPO/AG geprüft. Gemäss dieser Bestimmung können vorsorgliche Verfügungen auf Gesuch einer Partei getroffen werden zur Aufrechterhaltung eines tatsächlichen Zustandes oder zur Abwehr eines drohenden, nicht leicht wieder gutzumachenden Nachteils. Nachdem das Obergericht angenommen hat, die Voraussetzung eines nicht leicht wieder gutzumachenden Nachteils sei gegeben, hat es im Rahmen dieser Bestimmung eine (zweite) Hauptsachenprognose vorgenommen und erwogen, gestützt auf den Mietvertrag zwischen den Parteien liege das Eigentum über die Tankstelleneinrichtung bei der Beschwerdegegnerin, so dass davon auszugehen wäre, die Beschwerdeführerin habe diese unberechtigterweise entfernt und ein entsprechendes Herausgabebegehren vermutlich hätte gutgeheissen werden müssen. 
2.2 Die Beschwerdeführerin bringt dagegen vor, das Obergericht hätte in dieser (zweiten) Hauptsachenprognose gemäss § 302 Abs. 1 lit. b ZPO/AG abklären müssen, ob die Besitzesschutzvoraussetzungen mutmasslich erfüllt gewesen wären. Dies sei indes - gemäss eigenen Ausführungen des Obergerichts - gerade nicht der Fall, so dass das Urteil widersprüchlich und willkürlich sei. 
Im Gegensatz zu den Regeln über den Besitzesschutz - und wohl auch den vorsorglichen Verfügungen nach § 302 Abs. 1 lit. a ZPO/AG - schützen Massnahmen nach § 302 Abs. 1 lit. b ZPO/AG nicht nur possessorische Ansprüche. Namentlich können sie auch zur Rückschaffung von vermieteten beweglichen Sachen in Anspruch genommen werden (Bühler/Edelmann/Killer, Kommentar zur aargauischen Zivilprozessordnung, 2. Aufl. 1998, N. 9 f. zu § 302 ZPO/AG). Es hält damit dem Willkürverbot stand, wenn das Obergericht im Rahmen der (zweiten) Hauptsachenprognose gemäss § 302 Abs. 1 lit. b ZPO/AG nicht den mutmasslichen Erfolg einer Besitzesschutzklage, sondern einer Klage aus dem Recht abgeklärt hat. Die staatsrechtliche Beschwerde ist in diesem Punkt abzuweisen. 
3. 
Strittig ist weiter, ob im vorliegenden Fall auf Grund besonderer Umstände für die Kostenverteilung vom Prinzip des Obsiegens/Unterliegens abzuweichen ist. Es geht dabei im Wesentlichen um die Frage, ob die Beschwerdegegnerin ihre Klage voreilig eingereicht hat. 
3.1 Das Obergericht hat diese Frage nach der Regelung von § 113 lit. d ZPO/AG geprüft und ausgeführt, da die Beschwerdeführerin eine Rückschaffung der Tankstelleneinrichtung nicht innert der von der Beschwerdegegnerin schriftlich angesetzten Frist vorgenommen und auch nicht vorbehaltlos angeboten habe, sei die Klageeinleitung nicht voreilig erfolgt. Für eine abweichende Kostentragung bestehe daher kein Grund. 
3.2 Was die Beschwerdeführerin gegen diese Erwägung vorbringt, vermag - soweit sie ohnehin nicht nur appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid übt (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG) - keine Willkür darzutun. Sie bestreitet nicht, die Rückschaffung nur auf Kosten der Beschwerdegegnerin angeboten zu haben. Unabhängig davon, ob eine Kostenüberwälzung eine Selbstverständlichkeit ist, wenn das Eigentum einer Sache strittig ist - wie die Beschwerdeführerin behauptet -, hat das Obergericht damit willkürfrei annehmen können, das Angebot zur Rückschaffung der Tankstelleneinrichtung sei nicht vorbehaltlos erfolgt. Die Rüge ist damit abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. 
4. 
Schliesslich kritisiert die Beschwerdeführerin die Höhe der Parteientschädigung, die sie an die Beschwerdegegnerin leisten muss, und rügt in diesem Zusammenhang eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV). Sie bringt vor, der Streitwert, welcher der Bemessung der Parteientschädigung zu Grunde gelegen habe, gehe aus dem erstinstanzlichen Urteil nicht hervor und die Honorarrechnung des Rechtsvertreters der Beschwerdegegnerin sei ihr nicht zugestellt worden. Sie habe weder im erst- noch im zweitinstanzlichen Verfahren zur Höhe des Streitwertes Stellung nehmen können. Die kantonalen Instanzen würden denn auch bei der Berechnung der Parteientschädigung von einem zu hohen Streitwert ausgehen. 
Es trifft zu, dass der Gerichtspräsident in der Abschreibungsverfügung die Höhe der Parteientschädigung nicht begründet, sondern einzig die Beschwerdeführerin im Dispositiv verpflichtet hat, die "richterlich genehmigten Parteikosten" der Beschwerdegegnerin zu ersetzen. Damit hätte die Beschwerdeführerin indes Anlass gehabt, die fehlende Begründung bereits im obergerichtlichen Verfahren zu rügen. Der Hinweis, sie sei davon ausgegangen, der Gerichtspräsident habe die Entschädigung nach Aufwand bemessen, ist unbehelflich. Gleiches gilt bezüglich der Honorarnote: Die Beschwerdeführerin hätte deren Nichtzustellung bereits im obergerichtlichen Beschwerdeverfahren rügen, bzw. deren Zustellung noch verlangen oder Akteneinsicht nehmen können. Die vorliegende Rüge erweist sich damit als verspätet (BGE 119 II 386 E. 1a S. 388; 125 V 373 E. 2b/aa S. 375 f.). 
5. 
Damit ist die staatsrechtliche Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG). Sie schuldet der Beschwerdegegnerin allerdings keine Parteientschädigung für das bundesgerichtliche Verfahren, da keine Vernehmlassung eingeholt worden ist. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, 3. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 7. September 2005 
Im Namen der II. Zivilabteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: