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[AZA] 
P 62/99 Vr 
 
II. Kammer  
 
Präsident Lustenberger, Bundesrichter Meyer und Ferrari; 
Gerichtsschreiberin Hofer 
 
Urteil vom 8. Februar 2000  
 
in Sachen 
 
Z.________, 1960, Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen, Brauer- 
strasse 54, St. Gallen, Beschwerdegegnerin, 
 
und 
 
Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, St. Gallen 
 
    A.- Der 1960 geborene Z.________ bezog seit 1990 
Ergänzungsleistungen zur Invalidenrente. Mit Verfügung vom 
16. Februar 1999 teilte ihm die Sozialversicherungsanstalt 
des Kantons St. Gallen mit, aus den Abklärungen der Straf- 
untersuchungsbehörden gehe hervor, dass er ein Vermögen von 
rund Fr. 80'000.- ausweise; da er diesbezüglich seine 
Meldepflicht verletzt habe, sehe sie sich gezwungen, die 
Auszahlung der Ergänzungsleistung ab 1. März 1999 einzu- 
stellen. Zudem würden die zu viel ausgerichteten Ergän- 
zungsleistungen zurückgefordert. Der allenfalls gegen diese 
Verfügung gerichteten Beschwerde entzog sie die aufschie- 
bende Wirkung. 
 
    B.- Die dagegen erhobene Beschwerde, mit welcher 
Z.________ die Aufhebung der Einstellung des Anspruchs auf 
Ergänzungsleistungen beantragte, wies der Präsident des 
Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen mit Zwischen- 
verfügung vom 9. September 1999 ab. 
 
    C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde erneuert 
Z.________ sein vorinstanzlich gestelltes Rechtsbegehren. 
    Die Sozialversicherungsanstalt schliesst auf Abweisung 
der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für 
Sozialversicherung hat sich nicht vernehmen lassen. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:  
 
    1.- a) Gemäss Art. 128 OG beurteilt das Eidgenössische 
Versicherungsgericht letztinstanzlich Verwaltungsgerichts- 
beschwerden gegen Verfügungen im Sinne von Art. 97, 98 
lit. b-h und 98a OG auf dem Gebiet der Sozialversicherung. 
Hinsichtlich des Begriffs der mit Verwaltungsgerichtsbe- 
schwerde anfechtbaren Verfügungen verweist Art. 97 OG auf 
Art. 5 VwVG. Nach Art. 5 Abs. 1 VwVG gelten als Verfügungen 
Anordnungen der Behörden im Einzelfall, die sich auf öf- 
fentliches Recht des Bundes stützen (und im Übrigen noch 
weitere, nach dem Verfügungsgegenstand näher umschriebene 
Voraussetzungen erfüllen). Verfügungen im Sinne dieser Um- 
schreibung können nach dem Wortlaut des zweiten Absatzes 
von Art. 5 VwVG auch Zwischenverfügungen sein, insoweit sie 
den Anforderungen des vorangehenden ersten Absatzes ent- 
sprechen. Zudem verweist Art. 5 Abs. 2 VwVG bezüglich der 
Zwischenverfügungen auf Art. 45 des gleichen Gesetzes, laut 
dem nur solche Zwischenverfügungen anfechtbar sind, die 
einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können 
(Art. 45 Abs. 1 VwVG). Dieser grundsätzliche Vorbehalt gilt 
als Voraussetzung für die Zulässigkeit eines selbstständi- 
gen, der Endverfügung vorangehenden Beschwerdeverfahrens, 
insbesondere für alle in Art. 45 Abs. 2 VwVG - nicht ab- 
schliessend - aufgezählten Zwischenverfügungen. Für das 
letztinstanzliche Beschwerdeverfahren ist ferner zu beach- 
ten, dass gemäss Art. 129 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 101 
lit. a OG die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen Zwischen- 
verfügungen nur zulässig ist, wenn sie auch gegen die End- 
verfügung offensteht (BGE 124 V 85 Erw. 2 mit Hinweisen). 
 
    b) Soweit die Sozialversicherungsanstalt in der Verfü- 
gung vom 16. Februar 1999 die Weiterauszahlung von Ergän- 
zungsleistungen abgelehnt hat, handelt es sich um eine 
ausschliesslich negative Verfügung, bei welcher sich die 
Frage der aufschiebenden Wirkung zum Vornherein gar nicht 
stellen kann. Sie hat damit nichts angeordnet, was der 
Vollstreckung bedürfte und insoweit einem Aufschub über- 
haupt zugänglich wäre (BGE 117 V 188 Erw. 1b mit Hinwei- 
sen). Wie die Vorinstanz richtig erkannt hat, geht es 
vielmehr um die Anordnung vorsorglicher Massnahmen im 
Hinblick auf ein - in der Zwischenzeit eingeleitetes - 
Rückforderungsverfahren. Die Sozialversicherungsanstalt 
hatte nämlich Informationen über einen mutmasslich be- 
trügerischen Bezug von Ergänzungsleistungen erhalten, 
worüber eine von ihr eingeleitete Strafanzeige indessen 
zuerst noch Klarheit schaffen sollte. 
 
    2.- a) Beim angefochtenen Entscheid handelt es sich um 
eine Zwischenverfügung im Sinne von Art. 45 VwVG. Der 
Rechtsmittelzug für die Anfechtung von Zwischenverfügungen 
folgt nach dem Grundsatz der Einheit des Verfahrens dem 
Rechtsweg, der für die Anfechtung von Endverfügungen mass- 
gebend ist (BGE 124 V 85 Erw. 2, 116 V 133 mit Hinweisen). 
In BGE 117 V 189 Erw. 1c hat das Eidgenössische Versiche- 
rungsgericht zudem ausgeführt, dass bezüglich vorsorglicher 
Massnahmen mit Art. 56 VwVG - in extensiver Auslegung von 
Art. 1 Abs. 3 VwVG - auch im Verfahren letzter kantonaler 
Instanzen eine bundesrechtliche Grundlage besteht. Mit der 
Annahme einer bundesrechtlichen Grundlage kann eine Gabe- 
lung des Rechtsweges vermieden werden (BGE 124 V 86 
Erw. 3b, 117 V 190 Erw. 1c). 
 
    b) Da Endverfügungen letzter kantonaler Instanzen im 
Bereich der Ergänzungsleistungen der Verwaltungsgerichts- 
beschwerde an das Eidgenössische Versicherungsgericht 
unterliegen, ist die vorinstanzliche Zwischenverfügung 
gemäss Art. 45 Abs. 1 VwVG nur unter der Voraussetzung 
selbstständig anfechtbar, dass sie für den Beschwerdeführer 
einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann. 
Nach der Rechtsprechung liegt ein nicht wieder gutzumachen- 
der Nachteil insbesondere dann vor, wenn die plötzliche 
Einstellung finanzieller Unterstützung eine Person aus dem 
finanziellen Gleichgewicht bringen und zu kostspieligen 
oder sonst wie unzumutbaren Massnahmen zwingen würde (BGE 
119 V 487 Erw. 2b). Im vorliegenden Fall geht es um die 
Einstellung der Auszahlung von Ergänzungsleistungen als 
vorsorgliche Massnahme. Ob diese für den Beschwerdeführer 
einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil zur Folge haben 
könnte - was der Fall wäre, wenn er tatsächlich über kein 
relevantes Vermögen verfügt, wie er behauptet - braucht im 
vorliegenden Verfahren nicht abschliessend beurteilt zu 
werden, weil sich die Verwaltungsgerichtsbeschwerde - wie 
sich aus dem Folgenden ergibt - jedenfalls als unbegründet 
erweist. 
 
    3.- a) Vorsorgliche Massnahmen sind nach Art. 56 VwVG 
dazu bestimmt, einen tatsächlichen oder rechtlichen Zustand 
einstweilen unverändert zu erhalten. Im verwaltungsge- 
richtlichen Beschwerdeverfahren können sie darüber hinaus 
auch dazu dienen, bedrohte rechtliche Interessen sicher- 
zustellen (Art. 94 in Verbindung mit Art. 113 und 132 OG). 
Nach der Rechtsprechung hat die über die Anordnung vorsorg- 
licher Massnahmen nach Art. 56 VwVG befindende Behörde zu 
prüfen, ob die Gründe, die für die sofortige Vollstreckbar- 
keit der Verfügung sprechen, gewichtiger sind als jene, die 
für die gegenteilige Lösung angeführt werden können. Dabei 
steht ihr ein gewisser Beurteilungsspielraum zu. Im Allge- 
meinen wird sie ihren Entscheid auf den Sachverhalt stüt- 
zen, der sich aus den vorhandenen Akten ergibt, ohne zeit- 
raubende weitere Erhebungen anzustellen. Bei der Abwägung 
der Gründe für und gegen die sofortige Vollstreckbarkeit 
können auch die Aussichten auf den Ausgang des Verfahrens 
in der Hauptsache ins Gewicht fallen; sie müssen allerdings 
eindeutig sein (BGE 117 V 191 Erw. 2b mit Hinweisen, wo 
diese zur aufschiebenden Wirkung [gemäss Art. 55 VwVG] er- 
gangenen Grundsätze ausdrücklich im Bereich des Art. 56 
VwVG für sinngemäss anwendbar erklärt wurden; vgl. auch BGE 
124 V 88 Erw. 6a mit Hinweis). 
 
    b) Wie die Vorinstanz richtig dargelegt hat, kann im 
vorliegenden Fall den Aussichten auf den Ausgang dieses 
Verfahrens nicht bereits im Rahmen der Anordnung vorsorgli- 
cher Massnahmen Rechnung getragen werden, da die Verhält- 
nisse auf Grund der gesamten Aktenlage nicht eindeutig 
liegen. 
    Bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen steht 
dasjenige der Verwaltung an der Vermeidung von Umtrieben 
und Verlustrisiken im Zusammenhang mit Rückforderungen, die 
entstehen können, wenn der Beschwerdeführer im Prozess 
unterliegt, dasjenige des Versicherten, nicht der öffentli- 
chen Fürsorge zur Last zu fallen gegenüber. Wie der Straf- 
klage der Sozialversicherungsanstalt vom 3. Juni 1999 zu 
entnehmen ist, wurde sie am 12. Februar 1999 durch das 
Untersuchungsrichteramt X.________informiert, dass der 
Versicherte über ein Guthaben von Fr. 80'000.- verfüge. Am 
9. März 1999 sei ihr zudem mitgeteilt worden, dass Bank- 
belege hätten sichergestellt werden können, welche zeigten, 
dass er am 23. Januar 1997 ein Barvermögen von Fr. 54'000.- 
aufgewiesen habe. Ferner sei in einem Bankfach ein Couvert 
mit Fr. 10'500.- gefunden worden. Die Abklärung der effek- 
tiven Vermögensverhältnisse hat sich durch widersprüchliche 
Angaben des Versicherten bislang verzögert. Mit Verfügung 
vom 28. Mai 1999 hat die Verwaltung schliesslich Ergän- 
zungsleistungen in Höhe von Fr. 35'133.- zurückgefordert. 
Wie die Vorinstanz zutreffend festgestellt hat, sprechen 
gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass auf einige Zeit hinaus 
keine Ergänzungsleistungen ausgerichtet werden können, wo- 
bei sich unter den geschilderten Umständen auch eine Rück- 
forderung allenfalls zu viel ausgerichteter Leistungen als 
schwierig erweisen dürfte. Der vorläufige Auszahlungsstopp 
lässt sich daher nicht beanstanden. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:  
 
I.Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
 
II.Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
III.Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsge- 
    richt des Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für 
    Sozialversicherung zugestellt. 
 
 
Luzern, 8. Februar 2000 
 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der II. Kammer: 
 
Die Gerichtsschreiberin: 
 
i.V.