Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5C.234/2005 /blb 
 
Urteil vom 8. Februar 2006 
II. Zivilabteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Raselli, Präsident, 
Bundesrichterin Nordmann, Bundesrichter Meyer, 
Gerichtsschreiber Möckli. 
 
Parteien 
X.________ (Ehefrau), 
Beklagte und Berufungsklägerin, 
vertreten durch avvocato Andrea Lenzin, 
 
gegen 
 
Y.________ (Ehemann), 
Kläger und Berufungsbeklagten, 
vertreten durch Advokat Dr. Roland Fankhauser. 
 
Gegenstand 
Ehescheidung, 
 
Berufung gegen das Urteil des Appellationsgerichts 
des Kantons Basel-Stadt vom 11. Mai 2005. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Y.________ und X.________, geb. 1960 bzw. 1959, haben am 3. Juni 1988 geheiratet. 1989 wurde der gemeinsame Sohn A.________ geboren. 
Seit Oktober 1994 leben die Parteien getrennt. Im Mai 1995 reichte die Ehefrau die Scheidungsklage ein, wandelte diese im März 1997 aber in eine Trennungsklage um; am 14. August 1998 wurde die Trennung ausgesprochen. 
B. 
Aufgrund der Scheidungsklage des Ehemannes vom 18. Januar 2000 schied das Zivilgericht Basel-Stadt die Parteien mit Urteil vom 6. November 2003. Ausgehend von einem gebührenden Unterhalt der Ehefrau von Fr. 3'500.--, von einem hypothetischen Erwerbseinkommen von anfänglich Fr. 500.-- und von Fr. 1'500.-- ab Mündigkeit des Sohnes sowie von einer halben IV-Rente von Fr. 1'000.--, verpflichtete es den Ehemann, ihr Unterhaltsbeiträge von Fr. 2'000.-- bis November 2005 und von Fr. 1'000.-- ab Dezember 2005 bis November 2007 zu bezahlen. 
Mit Urteil vom 11. Mai 2005 bestätigte das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt diese Regelung. 
C. 
Gegen das Urteil des Appellationsgerichts hat X.________ am 14. September 2005 sowohl staatsrechtliche Beschwerde als auch Berufung erhoben, Letztere mit den Begehren um Aufhebung des angefochtenen Urteils und um Verurteilung des Klägers zu einem lebenslänglichen Unterhaltsbeitrag von Fr. 2'500.--, eventualiter bis zur Zeit, da sie das Erbe ihrer Eltern angetreten habe. Es wurde keine Berufungsantwort eingeholt. Mit Urteil heutigen Datums hat die II. Zivilabteilung die konnexe staatsrechtliche Beschwerde abgewiesen. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Bei der Festsetzung von Unterhaltsbeiträgen darf vom tatsächlichen Leistungsvermögen eines Ehegatten abgewichen und stattdessen von einem hypothetisch erzielbaren Einkommen ausgegangen werden, falls und soweit ein solches bei gutem Willen bzw. bei zumutbarer Anstrengung erzielbar ist (BGE 117 II 16 E. 1b S. 17; 127 III 136 E. 2a S. 139; 128 III 4 E. 4a S. 5). 
Berufungsfähig ist in diesem Zusammenhang einzig der bundesrechtliche Begriff der Zumutbarkeit, dessen Tragweite das Bundesgericht frei überprüft (BGE 126 III 10 E. 2b S. 13). Hingegen sind Feststellungen über die faktische Möglichkeit, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen oder auszudehnen, tatsächlicher Natur und deshalb für das Bundesgericht im Berufungsverfahren verbindlich (Art. 63 Abs. 2 OG). Dabei sind insbesondere auch Annahmen der kantonalen Instanzen über hypothetische Geschehensabläufe, die auf Schlussfolgerungen aus konkreten Anhaltspunkten beruhen, Ergebnis von Beweiswürdigung und nicht Rechtsfrage; eine Ausnahme gilt einzig für Schlussfolgerungen, die ausschliesslich auf allgemeiner Lebenserfahrung beruhen (BGE 117 II 256 E. 2b S. 258; 126 III 10 E. 2b S. 12 f.). 
2. 
Nach dem Gesagten erweist sich die Berufung weitestgehend als unzulässig. Sowohl die Vorbringen der Beklagten zu den Auswirkungen ihres Gesundheitszustandes auf die Arbeitsfähigkeit und die diesbezüglichen Verweise auf das Gutachten der MEDAS (Ziff. III/3) als auch die Frage, ob die heutigen gesundheitlichen Probleme kausal auf die Schwangerschaft zurückzuführen sind (Ziff. III/6), betreffen den Sachverhalt und nicht die Rechtsfrage der Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit. 
Gleiches gilt für die Kritik am Vorwurf, sich nicht rechtzeitig um den Wiedereinstieg ins Berufsleben gekümmert zu haben, und die diesbezüglichen erneuten Verweise auf das Gutachten der MEDAS (Ziff. III/4); ob Ausbildungs- und Wiedereingliederungsmassnahmen der Beklagten angesichts der Schlussfolgerungen im Gutachten möglich gewesen wären oder nicht, ist Tatfrage. Soweit sie mit ihrem Vorbringen, inzwischen sei sie 46 Jahre alt, auf die Tatsachenvermutung zielt, wonach einer Ehefrau, die während einer langdauernden Ehe nicht erwerbstätig war, der Wiedereinstieg ins Berufsleben nach dem 45. Lebensjahr kaum möglich und damit nicht zumutbar ist (BGE 115 II 6 E. 5a S. 11; 127 III 136 E. 2c S. 140), ist auf die publizierte Rechtsprechung zu verweisen, wonach bei langjähriger Trennungsdauer bereits während dieser Zeit eine Erwerbsarbeit aufzunehmen ist, soweit mit einer Fortführung der Ehe nicht ernsthaft gerechnet werden kann (BGE 128 III 65 E. 4a S. 67 f.; 130 III 537 E. 3.2 S. 542). Darauf hat auch das Appellationsgericht abgestellt, hat es doch befunden, die Parteien lebten nunmehr seit über zehn Jahren getrennt, und spätestens seit der zweiten Scheidungsklage im Jahr 2000 sei angesichts der Tatsache, dass der Ehemann sein Leben längst mit einer neuen Lebensgefährtin eingerichtet habe und aus dieser Beziehung auch eine Tochter hervorgegangen sei, klar gewesen, dass die Ehe nicht fortgeführt würde. Die aus diesen Tatsachen gezogene rechtliche Folgerung, dass sich die Beklagte ab diesem Zeitpunkt um erste Wiedereingliederungs-, jedenfalls aber um Ausbildungsmassnahmen hätte kümmern müssen, ist nach dem Gesagten bundesrechtskonform. 
Schliesslich richtet sich auch die Behauptung, angesichts ihres Alters, des Gesundheitszustandes und des langen Erwerbsunterbruches sei kein Arbeitgeber bereit, sie anzustellen und ihr einen ergonomisch eingerichteten Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen (Ziff. III/5), gegen die kantonalen Sachverhaltsfeststellungen bzw. die kantonale Beweiswürdigung, hat doch das Appellationsgericht die diesbezüglichen Schwierigkeiten der Beklagten ausdrücklich thematisiert, aber insbesondere auch festgehalten, sie habe nicht einmal versucht, Stellenbewerbungen nachzuweisen, und es bestehe der Eindruck, dass sie sich gar nicht erst die Mühe genommen habe, hier aktiv zu werden. Vor diesem Hintergrund stösst das Vorbringen der Beklagten, sie könne keine Arbeit finden, ins Leere. 
3. 
Zusammenfassend ergibt sich, dass die Berufung abzuweisen ist, soweit überhaupt auf sie eingetreten werden kann. Bei diesem Verfahrensausgang ist die Gerichtsgebühr der Beklagten aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Der Gegenpartei ist kein entschädigungspflichtiger Aufwand entstanden. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Berufung wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten ist. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird der Beklagten auferlegt. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 8. Februar 2006 
Im Namen der II. Zivilabteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: