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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
5A_752/2013  
   
   
 
 
 
Urteil vom 8. April 2014  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Marazzi, Schöbi, 
Gerichtsschreiber Levante. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________ AG, 
vertreten durch Rechtsanwältin Rahel Merenda, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Y.________ GmbH, 
vertreten durch Rechtsanwalt Hansjörg Felber, 
Beschwerdegegnerin, 
 
Betreibungsamt Flüelen,  
 
Betreibungsamt Baar.  
 
Gegenstand 
Feststellung der Nichtigkeit der Zustellung des Zahlungsbefehls/Konkursandrohung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Uri, Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs, vom 25. September 2013 (OG SK 13 3). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. In der von der Y.________ GmbH gegen die X.________ AG eingeleiteten Betreibung Nr. xxx (Forderungsbetrag: Fr. 50'000.-- nebst Zins zu 5% seit 14. Mai 2013) stellte das Betreibungsamt Flüelen der Schuldnerin am 16. Mai 2013 den Zahlungsbefehl zu. Als Empfänger der Betreibungsurkunde wurde "A.________, Bevollmächtigter des Geschäftsführers" protokolliert.  
 
A.b. Am 10. Juli 2013 stellte das (infolge Sitzverlegung der Schuldnerin neu zuständige) Betreibungsamt Baar/ZG der X.________ AG die Konkursandrohung zu.  
 
A.c. Am 19. Juli 2013 gelangte die X.________ AG an das Obergericht des Kantons Uri, Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs. Sie rügte die fehlerhafte bzw. nichtige Zustellung des Zahlungsbefehls, weil sie erst im Zeitpunkt der Zustellung der Konkursandrohung vom Zahlungsbefehl Kenntnis erlangt habe.  
 
B.   
Mit Entscheid vom 25. September 2013 wies die kantonale Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs die Beschwerde ab, soweit darauf eingetreten wurde. Weiter verweigerte sie die Wiederherstellung der versäumten Rechtsvorschlagsfrist, weil es an einem unverschuldeten Hindernis fehle. 
 
C.   
Am 7. Oktober 2013 hat die X.________ AG Beschwerde in Zivilsachen erhoben. Die Beschwerdeführerin verlangt, der Entscheid des Obergerichts des Kantons Uri, Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs, vom 25. September 2013 sowie der Zahlungsbefehl und die Konkursandrohung seien aufzuheben. Eventuell sei die Rechtsvorschlagsfrist wiederherzustellen, subeventuell sei die Angelegenheit zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Weiter ersucht die Beschwerdeführerin um aufschiebende Wirkung. 
Mit Präsidialverfügung vom 28. Oktober 2013 wurde der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt. 
Die Y.________ GmbH als Gläubigerin und Beschwerdegegnerin beantragt die Abweisung der Beschwerde. Die kantonale Aufsichtsbehörde auf eine Stellungnahme verzichtet. Die Betreibungsämter Flüelen und Baar beantragen die Abweisung der Beschwerde. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Angefochten ist ein Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde, mit welchem die Zustellung des Zahlungsbefehls beurteilt worden ist. Entscheide kantonaler Aufsichtsbehörden in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen unterliegen der Beschwerde in Zivilsachen (Art. 72 Abs. 2 lit. a BGG i.V.m. Art. 19 SchKG).  
 
 
1.2. Die vorliegende Beschwerde ist unabhängig von einer gesetzlichen Streitwertgrenze gegeben (Art. 74 Abs. 2 lit. c BGG). Die Beschwerdeführerin ist als Betreibungsschuldnerin grundsätzlich legitimiert (Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG). Die Beschwerde gegen den letztinstanzlichen Entscheid ist fristgemäss erhoben worden (Art. 75 Abs. 1, Art. 100 Abs. 2 lit. a BGG) und grundsätzlich zulässig.  
 
1.3. Mit vorliegender Beschwerde kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). In der Beschwerdeschrift ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG). Die Verletzung von verfassungsmässigen Rechten ist in der Beschwerdeschrift vorzubringen und zu begründen (Art. 106 Abs. 2 BGG), wobei das Rügeprinzip gilt (BGE 133 III 589 E. 2 S. 591).  
 
1.4. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 BGG). Zulässig ist einzig die Rüge, dass eine Tatsachenfeststellung auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhe oder eine Tatsache offensichtlich unrichtig festgestellt worden sei (Art. 97 Abs. 1 BGG).  
 
2.   
Interkantonal sind die Aufsichtsbehörden jenes Kantons zuständig, deren Behördenorganisation die Betreibungsbehörde, gegen welche sich die Beschwerde richtet, angehört; ein Wohnsitzwechsel des Schuldners (vgl. Art. 53 SchKG) ändert an der örtlichen Zuständigkeit der Aufsichtsbehörden nichts ( LORANDI, Betreibungsrechtliche Beschwerde und Nichtigkeit, 2000, N. 283 zu Art. 17). Zu Recht wird nicht beanstandet, dass die Aufsichtsbehörde des Kantons Uri die Beschwerde gegen die angeblich unwirksame Zustellung des Zahlungsbefehls des Betreibungsamtes Flüelen behandelt und das für die Fortsetzung der Betreibung zuständige Betreibungsamt Baar am Beschwerdeverfahren beteiligt hat. 
 
3.   
Die Aufsichtsbehörde hat festgehalten, dass im Zeitpunkt der Zustellung des Zahlungsbefehls (16. Mai 2013) B.________ einziger Verwaltungsrat der Beschwerdeführerin war. Die Zustellung an A.________, den Bevollmächtigten des Geschäftsführers sei wirksam, weil er von B.________ am 15. Mai 2013 schriftlich bevollmächtigt worden sei, für die Beschwerdeführerin Zahlungsbefehle entgegenzunehmen. 
Demgegenüber wirft die Beschwerdeführerin der Vorinstanz im Wesentlichen vor, sie habe ausser Acht gelassen, dass B.________ einziges Organ und einziger Vertreter der Beschwerdegegnerin, d.h. der Gläubigerin gewesen sei. Im Zeitpunkt der Zustellung sei die Beschwerdeführerin ebenfalls durch B.________ als einzigem Organ vertreten worden; die Untervertretung durch A.________ ändere nichts daran, dass eine Doppelvertretung vorliege. Die Zustellung an A.________ sei infolge des Interessenkonfliktes unwirksam. 
 
4.   
Anlass zur vorliegenden Beschwerde gibt die Zustellung des Zahlungsbefehls an eine juristische Person. Zu Recht steht nicht in Frage, dass im Fall, in welchem der Schuldner erst mit der Konkursandrohung Kenntnis von der Betreibung erlangt hat, eine fehlerhafte Zustellung des Zahlungsbefehls anfechtbar ist (vgl. BGE 104 III 12 E. 1 u. 2 S. 13). Im Wesentlichen rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung der Regeln über die Zustellung von Betreibungsurkunden sowie von Art. 29 Abs. 2 BV im Rahmen der Sachverhaltsfeststellung. 
 
4.1. Ist die Betreibung gegen eine Aktiengesellschaft gerichtet, so erfolgt die Zustellung der Betreibungsurkunden an deren Vertreter, als welcher jedes Mitglied der Verwaltung gilt (Art. 65 Abs. 1 Ziff. 2 SchKG). Sodann ist möglich, einen Dritten zur Entgegennahme von Betreibungsurkunden ausdrücklich oder durch Generalvollmacht zu ermächtigen (BGE 43 III 18 E. 3 S. 22; FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht, Bd. I, 1984, § 14 Rz. 16, S. 171; JEANNERET/LEMBO, in: Commentaire romand, Poursuite et faillite, 2005, N. 21 zu Art. 64). Vorliegend hat die Aufsichtsbehörde verbindlich festgestellt, dass B.________ (bis 11. Juni 2013; SHAB-Publikation) als einziger Verwaltungsrat der Beschwerdeführerin A.________ mit Vollmacht vom 15. Mai 2013 ausdrücklich ermächtigt hatte, für die Beschwerdeführerin Zahlungsbefehle in Empfang zu nehmen. Wenn die Aufsichtsbehörde angenommen hat, die Zustellung des Zahlungsbefehls an A.________ am 16. Mai 2013 sei zulässig, ist dies im Grundsatz nicht zu beanstanden.  
 
4.2. Die Zustellung einer Betreibungsurkunde kann - worauf die Beschwerdeführerin sowie die Aufsichtsbehörde zu Recht hinweisen - bei Vertretungsverhältnissen durch Interessenkonflikte begrenzt sein (vgl. BGE 45 III 27 E. 2 S. 29; 107 III 7 E. 1 S. 10). Allgemein kann die Doppelvertretung (der Vertreter handelt für zwei Parteien als Bevollmächtigter) zu Interessenkonflikten führen, weshalb es in diesen Fällen einer besonderen Ermächtigung oder Genehmigung bedarf, wenn die Gefahr einer Benachteiligung besteht (vgl. BGE 127 III 332 E. 2a S. 333; vgl. BGE 45 III 27 E. 2 S. 29 betreffend Empfang des Zahlungsbefehls).  
 
4.3. Die Beschwerdeführerin hat bereits im kantonalen Verfahren argumentiert, B.________ sei einziger Gesellschafter (sowie Geschäftsführer) und Vertreter der Beschwerdegegnerin gewesen, weshalb eine Doppelvertretung vorliege: B.________ einerseits als einziger Gesellschafter/Geschäftsführer und Vertreter der Gläubigerin, andererseits (zur Zeit der Zustellung) als einziger Verwaltungsrat und Vertreter der Schuldnerin, untervertreten durch A.________. Ob im konkreten Fall eine Doppelvertretung und eine Zustellung an einen Schuldnervertreter vorliegt, der keine rechtsgültige Erklärung über den Bestand oder Nichtbestand der in Betreibung gesetzten Forderung abgeben kann bzw. keine hinreichende Gewähr für die Übermittlung des Zahlungsbefehls bietet (vgl. BGE 45 III 27 E. S. 29), ist hier nicht klären. Jedenfalls können die Vorbringen der Beschwerdeführerin zur Frage der Interessenkollision nicht von vornherein als unmassgeblich gewertet werden. Wenn die Aufsichtsbehörde daher eine Interessenkollision nicht thematisiert und die Vorbringen der Beschwerdeführern ohne weiteres übergangen hat, ist dies mit Art. 29 Abs. 2 BV nicht vereinbar. Die Beschwerde ist begründet. Weitere Erörterungen zur Konkursandrohung als Anfechtungsobjekt der vorliegenden Beschwerde erübrigen sich (E. 2); das Gleiche gilt für die von der Aufsichtsbehörde verweigerte Wiederherstellung der Rechtsvorschlagsfrist.  
 
5.   
Nach dem Dargelegten ist die Beschwerde gutzuheissen und der angefochtene Entscheid aufzuheben. Die Sache ist an die Vorinstanz zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen zurückzuweisen. 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdegegnerin kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1, Art. 68 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Obergerichts des Kantons Uri, Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs, vom 25. September 2013 wird aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
 
3.   
Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1'000.-- zu entschädigen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Obergericht des Kantons Uri, Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 8. April 2014 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Escher 
 
Der Gerichtsschreiber: Levante