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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1B_98/2008 
 
Urteil vom 8. Mai 2008 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Féraud, Präsident, 
Bundesrichter Aeschlimann, Eusebio, 
Gerichtsschreiber Steinmann. 
 
Parteien 
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Jost Spälti, 
 
gegen 
 
Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich, Selnaustrasse 28, Postfach, 8027 Zürich. 
 
Gegenstand 
Untersuchungshaft, 
 
Beschwerde gegen die Verfügung vom 25. März 2008 des Bezirksgerichts Zürich, Haftrichterin. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Die Kantonspolizei Zürich führte in Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich unter Einsatz von technischen Überwachungsmassnahmen ein umfangreiches Ermittlungsverfahren gegen eine Gruppe von afrikanisch-stämmigen Personen wegen Kokain-Handels in grossem Stil. Hierzu zählt X.________ aus Nigeria. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft vom 22. Juni 2007 wurde dieser von der Einzelrichterin am Bezirksgericht Zürich einvernommen und am 22. Juni 2007 in Untersuchungshaft versetzt. Er gestand den Besitz von sieben Fingerlingen mit Kokain ein, bestritt indessen eine Beteiligung an einem weitern Kokain-Handel. 
 
Die Untersuchungshaft wurde mehrmals verlängert, letztmals am 19. Dezember 2007 bis am 22. März 2008. 
 
Die Staatsanwaltschaft ersuchte am 18. März 2008 um Verlängerung der Untersuchungshaft um drei Monate. Der amtliche Verteidiger von X.________ stellte das Gesuch, die Haft sei lediglich um einen Monat zu verlängern. Nach einer vorläufigen Verlängerung der Haft vom 19. März 2008 ordnete die Einzelrichterin am Bezirksgericht Zürich mit Verfügung vom 25. März 2008 die Fortsetzung der Haft bis zum 22. Juni 2008 an. 
 
B. 
Gegen diesen Entscheid der Haftrichterin hat X.________ beim Bundesgericht am 18. April 2008 Beschwerde in Strafsachen erhoben mit dem Antrag, die angefochtene Verfügung sei aufzuheben, er sei unverzüglich aus der Haft zu entlassen und die Haft sei eventualiter höchstens bis zum 10. Mai 2008 zu verlängern. Der Beschwerdeführer macht eine Verletzung des Beschleunigungsgebotes gemäss Art. 31 Abs. 3 BV geltend und bringt im Wesentlichen vor, angesichts langer Zeiten der Untätigkeit und des Umstandes, dass er nicht als Teilnehmer der aufgezeichneten Telefongespräche identifiziert werden konnte, sei die Aufrechterhaltung der Haft verfassungswidrig. 
 
Die Staatsanwaltschaft beantragt mit ihrer Stellungnahme vom 22. April 2008 sinngemäss die Abweisung der Beschwerde. Das Bezirksgericht hat auf Vernehmlassung verzichtet. 
 
Der Beschwerdeführer hält in seiner Replik vom 5. Mai 2008 an seinen Anträgen fest. 
Mit Eingabe vom 28. April 2008 hat der Beschwerdeführer um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ersucht. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Die Beschwerde in Strafsachen ist zulässig (Art. 78 Abs. 1, Art. 80 Abs. 1 und Art. 81 Abs. 1). Auf die Beschwerde kann grundsätzlich eingetreten werden. 
 
2. 
Nach § 58 Abs. 1 StPO kann Untersuchungshaft angeordnet bzw. aufrechterhalten werden bei Annahme eines dringenden Tatverdachts sowie bei Bejahung eines speziellen Haftgrundes; zu den speziellen Haftgründen zählen namentlich die Fluchtgefahr und die Kollusionsgefahr (§ 58 Abs. 1 Ziff. 1 und 2 StPO). Die Untersuchungshaft ist aufzuheben, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr bestehen; sie darf nicht länger dauern als die zu erwartende Freiheitsstrafe (§ 58 Abs. 3 StPO). 
 
Der Beschwerdeführer zieht das Vorliegen eines speziellen Haftgrundes nicht in Abrede. Hingegen erachtet er die Annahme des Tatverdachts als willkürlich. Er begründet dies mit dem Hinweis, die Beteiligung an aufgezeichneten Telefongesprächen habe weder durch seine eigenen Aussagen noch aufgrund von Konfrontationseinvernahmen bestätigt werden können, weshalb der Tatverdacht entfalle. 
 
Die behauptete Nichtbeteiligung des Beschwerdeführers an den genannten Telefongesprächen steht der Annahme eines Tatverdachts nicht entgegen. Zum einen scheint noch nicht abschliessend geklärt, wer an einer grossen Zahl von aufgezeichneten Telefongesprächen tatsächlich teilgenommen hat. Zum andern setzt sich der Beschwerdeführer mit den Tatverdachtselementen nicht näher auseinander, wie sie sich namentlich aus den Anträgen der Staatsanwaltschaft zur Anordnung bzw. Weiterführung der Untersuchungshaft (22. Juni 2007, 18. September 2007, 17. Dezember 2007 und 18. März 2008), den Untersuchungsergebnissen gegenüber Mitangeschuldigten und seinen anfänglichen Eingeständnissen ergeben. Bei dieser Sachlage kann nicht gesagt werden, die Annahme des dringenden Tatverdachts verstosse gegen das Willkürverbot. Demnach ist die Beschwerde in diesem Punkte unbegründet und abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. 
 
3. 
Der Beschwerdeführer rügt ferner eine Verletzung von Art. 31 Abs. 3 BV
 
3.1 Gemäss Art. 31 Abs. 3 BV (und Art. 5 Ziff. 3 EMRK) hat eine in strafprozessualer Haft gehaltene Person Anspruch darauf, innerhalb einer angemessenen Frist richterlich abgeurteilt oder während des Strafverfahrens aus der Haft entlassen zu werden. Eine übermässige Haftdauer stellt eine unverhältnismässige Beschränkung dieses Grundrechts dar. Eine solche liegt zum einen dann vor, wenn die Haft die mutmassliche Dauer der zu erwartenden freiheitsentziehenden Sanktion übersteigt. Bei der Prüfung der Verhältnismässigkeit der Haftdauer ist namentlich der Schwere der untersuchten Straftaten Rechnung zu tragen. Der Richter darf die Haft nur so lange erstrecken, als sie nicht in grosse zeitliche Nähe der (im Falle einer rechtskräftigen Verurteilung) konkret zu erwartenden Dauer der freiheitsentziehenden Sanktion rückt. Zum andern kann eine Haft die zulässige Dauer auch dann überschreiten, wenn das Strafverfahren nicht genügend vorangetrieben wird, wobei sowohl das Verhalten der Justizbehörden als auch dasjenige des Inhaftierten in Betracht gezogen werden muss. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes (sowie des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte) ist die Frage, ob eine Haftdauer als übermässig bezeichnet werden muss, aufgrund der konkreten Verhältnisse des einzelnen Falles zu beurteilen (BGE 132 I 21 E. 4.1 S. 27; 133 I 168 E. 4.1 S. 170, je mit Hinweisen). 
 
3.2 Der Beschwerdeführer macht nicht geltend, die bisher erstandene Haft übersteige die Dauer der allfällig zu erwartenden Freiheitsstrafe. Hingegen rügt er die wenig beförderliche Untersuchung. Hierfür bringt er namentlich vor, dass ihm die Untersuchungsbehörden über Monate hinweg immer wieder die aufgezeichneten Telefongespräche vorhielten, an denen er nicht beteiligt gewesen sei, und erst auf Drängen seines Rechtsvertreters eine Konfrontation mit weitern Beschuldigten durchführten. Schliesslich habe sich herausgestellt, dass nach der Schlusseinvernahme eine zweite Schlusseinvernahme folgte und nunmehr noch weitere Abklärungen getroffen werden sollen. 
 
Der Beschwerdeführer erhebt seine Beanstandungen in genereller Art, ohne sich mit den einzelnen Untersuchungshandlungen und deren zeitlicher Abfolge auseinanderzusetzen. Dem Dossier kann entnommen werden, dass es sich um eine sehr aufwendige Untersuchung handelt. Der Beschwerdeführer bestreitet die wesentlichen Vorhaltungen, auch solche, die von Mitbeteiligten als Auskunftspersonen (vorerst) bestätigt worden sind. Ferner ist zu bedenken, dass die Untersuchung nicht nur gegen den Beschwerdeführer, sondern parallel gegenüber weitern Mitbeschuldigten geführt wird. 
 
Aus den Akten ergibt sich, dass der Beschwerdeführer in regelmässigem Abstand befragt worden ist, nämlich im Jahre 2007 am 21. Juni, 22. Juni, 20. August, 23. August, 29. August, 30. August und 25. Oktober. Am 4. Dezember 2007 fand eine Konfrontation des Beschwerdeführers mit einer Auskunftsperson statt. Weitere Einvernahmen folgten am 20. und 27. Dezember 2007, eine weitere Konfrontation mit einer Auskunftsperson am 31. Januar 2008. Einer Aktennotiz des zuständigen Staatsanwalts vom 31. Januar 2008 ist ferner zu entnehmen, dass eine bereits erfolgte Anklage auf ein in Aussicht gestelltes Geständnis wieder zurückgezogen worden ist. Am 27. März und 3. April 2008 erfolgte die Schlusseinvernahme in zwei Teilen. 
 
Aus der Schlusseinvernahme soll sich die Notwendigkeit ergeben, dass nunmehr auch noch der Fussballtrainer des Beschwerdeführers einzuvernehmen ist und die entsprechenden Aussagen diesem vorzuhalten sind. Daran vermögen die Einwendungen des Beschwerdeführers in der Replik nichts zu ändern. Der Schlusseinvernahme Teil 2 ist zu entnehmen, dass die Umstände der Gespräche mit dem Fussballtrainer unklar sind und solche bereits in einem Zeitpunkt geführt worden waren, als der Beschwerdeführer nach seinen Angaben noch über kein Mobiltelefon verfügte (S. 5 ff.). 
 
Bei dieser Sachlage kann gesamthaft nicht gesagt werden, die Untersuchung sei nicht hinreichend und in einer Art. 31 Abs. 3 BV genügenden Weise vorangetrieben worden und hätte bereits abgeschlossen werden können. Damit erweist sich die Beschwerde sowohl in Bezug auf den Hauptantrag wie hinsichtlich des Eventualantrages als unbegründet. 
 
4. 
Demnach ist die Beschwerde abzuweisen. Dem Antrag auf Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege kann entsprochen werden. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2. 
Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt: 
 
2.1 Es werden keine Kosten erhoben. 
 
2.2 Rechtsanwalt Jost Spälti wird als amtlicher Rechtsvertreter bezeichnet und für das bundesgerichtliche Verfahren aus der Bundesgerichtskasse mit Fr. 1'500.-- entschädigt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich und dem Bezirksgericht Zürich, Haftrichterin, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 8. Mai 2008 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Féraud Steinmann