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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
2P.90/2002 /mks 
 
Urteil vom 8. Juli 2002 
II. Öffentlichrechtliche Abteilung 
 
Bundesrichter Wurzburger, Präsident, 
Bundesrichter Hungerbühler, Merkli, 
Gerichtsschreiber Klopfenstein. 
 
A.________ AG, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
B.________, Rechtsanwalt, Beschwerdegegner, 
Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte des Kantons Graubünden, Poststrasse 14, Postfach, 7002 Chur. 
 
Entbindung vom Anwaltsgeheimnis (Honorarforderung) 
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Beschluss der Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte des Kantons Graubünden vom 14. März 2002 
 
wird festgestellt und in Erwägung gezogen: 
1. 
Rechtsanwalt B.________ wurde von der A.________ AG mit Vollmacht vom 12. Oktober 1999 mit der Interessenwahrung in einem Forderungsstreit gegen die D.________ AG beauftragt. Am 23. Mai 2001 legte Rechtsanwalt B.________ das Mandat nieder. Das in Rechnung gestellte restanzliche Anwaltshonorar von Fr. 2'174.20 blieb die A.________ AG schuldig. Rechtsanwalt B.________ gelangte daraufhin an die Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte des Kantons Graubünden und ersuchte um Befreiung vom Berufsgeheimnis, um seine Honorarforderung einklagen zu können. 
 
Mit Beschluss vom 14. März 2002 hiess die Aufsichtskommission dieses Gesuch "im Sinne der Erwägungen" gut, nachdem sie der A.________ AG Gelegenheit zur Vernehmlassung eingeräumt hatte (wovon diese mit Eingabe vom 28. Februar 2002 Gebrauch machte). Rechtsanwalt B.________ ersuchte daraufhin - am 19. März 2002 - das Kreisamt Ilanz, in der streitigen Forderungssache eine Sühneverhandlung anzusetzen. 
2. 
Mit Eingabe vom 15. April 2002 (Datum der Postaufgabe) führt die A.________ AG staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht, u.a. mit dem Antrag, den Beschluss der Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte vom 14. März 2002 aufzuheben. Sie macht geltend, das Recht auf mündliche Anhörung gemäss Art. 6 EMRK sei verletzt worden. Sodann erhebt sie verschiedene andere, im Wesentlichen formelle Rügen. 
 
Rechtsanwalt B.________ und die Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte (diese vertreten durch den Präsidenten des Kantonsgerichts Graubünden) beantragen die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. 
3. 
Mit staatsrechtlicher Beschwerde können grundsätzlich keine Tatsachen und Beweismittel sowie keine rechtlichen Argumente vorgebracht werden, welche nicht bereits im kantonalen Verfahren geltend gemacht wurden (BGE 113 Ia 407 E. 1 S. 408, Walter Kälin, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, 2. Auflage, Bern 1994, S. 369 ff.). Auch die Rüge, Art. 6 EMRK sei verletzt, muss nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts bereits im kantonalen Verfahren erhoben worden sein (BGE 123 I 87 E. 2d, mit Hinweisen). Die Beschwerdeführerin hat im Verfahren vor der Aufsichtskommission keine Einwendungen erhoben, die als eine dahingehende Rüge hätten verstanden werden können. Das gilt auch für den beiläufigen Hinweis unter Ziff. 4 in der Stellungnahme vom 28. Februar 2002 auf allfällige spätere mündliche Äusserungen ("Weitere Vorhalte vor Schranken der Hauptversammlung"). Darin war noch keine Bezugnahme auf Art. 6 EMRK zu erblicken. Der erwähnte neue Einwand kann daher nicht gehört werden und es bedarf keiner näheren Abklärung, wieweit das Verfahren vor der Aufsichtsbehörde zur Entbindung des Anwaltes vom Berufsgeheimnis unter die Garantie von Art. 6 EMRK fällt und der von der beantragten Geheimnisbindung Betroffene Anspruch auf eine mündliche Verhandlung vor dem Richter hat. 
4. 
Auf eine staatsrechtliche Beschwerde kann sodann nur eingetreten werden, wenn sie den Begründungsanforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG genügt. Danach muss die Beschwerdeschrift die wesentlichen Tatsachen und eine kurz gefasste Darlegung darüber enthalten, welche verfassungsmässigen Rechte bzw. welche Rechtssätze und inwiefern sie durch den angefochtenen Erlass oder Entscheid verletzt worden sein sollen. Das Bundesgericht prüft im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde nur klar und detailliert erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen. Der Beschwerdeführer hat zu erklären, welches geschriebene oder ungeschriebene verfassungsmässige Individualrecht seiner Ansicht nach verletzt worden sein soll; auf nicht substantiierte Rügen und auf bloss allgemein gehaltene, rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 110 Ia 1 E. 2a S. 3 f.; 127 I 38 E. 3c und 4 S. 43). 
 
Die vorliegende Beschwerdeschrift vermag den Anforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG insoweit nicht zu genügen, als der angefochtene Beschluss zwar in formeller Hinsicht kritisiert wird, ohne dass die Beschwerdeführerin (von der verspäteten Anrufung von Art. 6 EMRK abgesehen) aber dartut, dass und gegen welche Verfassungsrechte die gerügten Mängel verstossen sollen. Auf die staatsrechtliche Beschwerde kann daher nicht eingetreten werden (vgl. auch E. 3). 
5. 
Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine nähere Auseinandersetzung mit den Darlegungen der Beschwerdeführerin. Was sie - nebst der unzulässigen Rüge der Verletzung von Art. 6 EMRK (E. 3) - gegen den angefochtenen Beschluss formell vorbringt, entbehrt nicht nur jeder rechtlichen Untermauerung, sondern erweist sich auch rein sachlich als abwegig: Die bündnerische Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte besteht, entgegen der Annahme der Beschwerdeführerin, aus Personen mit juristischer Ausbildung (insbesondere Richtern und Anwälten), die alle Inhaber des Fähigkeitsausweises für Rechtsanwälte sein müssen und die gemäss einem gesetzlich bestimmten Verfahren gewählt werden (vgl. Art. 37 des kantonalen Gerichtsverfassungsgesetzes vom 24. September 1978). Als unbegründet erweist sich ferner die Meinung der Beschwerdeführerin, die Unterschrift auf dem angefochtenen Beschluss stamme nicht vom Präsidenten (vgl. die identische Unterschrift auf der Vernehmlassung der Kommission). Da die staatsrechtliche Beschwerde den Eintritt der Rechtskraft des angefochtenen Beschlusses nicht hemmt und dieses (ausserordentliche) Rechtsmittel nicht von Gesetzes wegen mit aufschiebender Wirkung verbunden ist (BGE 106 Ia 155 E. 3 S. 157, Walter Kälin, a.a.O., S. 378), brauchte der Beschwerdegegner für sein Gesuch um Ansetzung einer Sühneverhandlung den Ablauf der Frist für eine staatsrechtliche Beschwerde zudem nicht abzuwarten. 
 
Schliesslich bringt die Beschwerdeführerin auch inhaltlich nichts vor, was geeignet wäre, die Verfassungsmässigkeit des angefochtenen Beschlusses in Frage zu stellen. Es ist durchaus üblich und zulässig, dass ein Anwalt zur Geltendmachung einer Honorarforderung gegen seinen Klienten, soweit dem keine überwiegenden Interessen entgegenstehen, von den Aufsichtsbehörden vom Anwaltsgeheimnis befreit werden kann (Jürg Boll, Die Entbindung vom Arzt- und Anwaltsgeheimnis, Diss. Zürich 1983, S. 52, vgl. auch Urteil 2P.313/1999 vom 8. März 2000, E. 2d). 
6. 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 156 in Verbindung mit Art. 153 und 153a OG). Auf eine Parteientschädigung besteht, da der Beschwerdegegner in eigener Sache handelte und die Angelegenheit für ihn mit keinem besonderen Aufwand verbunden war, kein Anspruch (BGE 119 Ib 412 E. 3 S. 415; 110 V 132 E. 4 S. 133 ff.). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht 
im Verfahren nach Art. 36a OG
 
1. 
Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und der Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte des Kantons Graubünden schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 8. Juli 2002 
Im Namen der II. Öffentlichrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: