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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
9C_77/2018  
 
 
Urteil vom 8. August 2018  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Meyer, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Parrino, Bundesrichterin Moser-Szeless, 
Gerichtsschreiberin Keel Baumann. 
 
Verfahrensbeteiligte 
 A.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Susanne Friedauer, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 9. November 2017 (IV.2016.00569). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.________ meldete sich im Dezember 2013 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Zürich sprach ihr Frühinterventionsmassnahmen in Form von Case Management/Job Coaching zu (Mitteilungen vom 24. Februar und 28. August 2014). Nach Abschluss der arbeitsplatzerhaltenden Massnahmen (Mitteilung vom 16. April 2015) veranlasste die IV-Stelle des Kantons Zürich eine bidisziplinäre Untersuchung (psychiatrisch/rheumatologisch) durch die Academy of Swiss Insurance Medicine (asim), Universitätsspital Basel (Gutachten vom 31. Dezember 2015). Vorbescheidweise stellte die Verwaltung der Versicherten die Verneinung des Anspruchs auf eine Invalidenrente in Aussicht. Am 14. April 2016 verfügte sie im angekündigten Sinne. 
 
B.   
Beschwerdeweise liess A.________ beantragen, die Verfügung sei aufzuheben und es sei ihr ab Februar 2014 mindestens eine ganze, eventualiter eine halbe Rente und ab August 2014 mindestens eine Dreiviertels-, eventualiter eine Viertelsrente zuzusprechen. Subeventualiter sei die Sache an die Vorinstanz zwecks Durchführung eines Einkommensvergleichs zurückzuweisen. Mit Entscheid vom 9. November 2017 wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich die Beschwerde ab. 
 
C.   
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und das Rechtsbegehren stellen, der kantonale Entscheid sei aufzuheben und es sei ihr spätestens ab Juni 2014 mindestens eine halbe Rente zuzusprechen. Eventualiter sei die Sache zur Durchführung eines Einkommensvergleichs an die Vorinstanz zurückzuweisen. In verfahrensrechtlicher Hinsicht wird beantragt, es sei Gelegenheit zur Replik zu geben. 
Die IV-Stelle des Kantons Zürich schliesst auf Abweisung der Beschwerde und das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG; vgl. auch Art. 97 Abs. 1 BGG). 
 
2.  
 
2.1. Das kantonale Gericht bestätigte die rentenablehnende Verfügung der IV-Stelle. Es erwog, die bei der Versicherten diagnostizierte leichte bis mittelgradige depressive Episode stelle nach geltender Rechtsprechung keinen invalidisierenden Gesundheitsschaden dar, weil es an einer konsequenten Depressionstherapie fehle, deren Scheitern das Leiden als therapieresistent ausweise. Massgebend seien damit alleine die körperlichen Einschränkungen, mithin die entzündliche rechtsseitige Ellbogenproblematik, aufgrund welcher die Versicherte in einer adaptierten Tätigkeit voll arbeitsfähig sei. Auf dieser Grundlage ermittelte die Vorinstanz anhand der Einkommensvergleichsmethode einen (rentenausschliessenden) Invaliditätsgrad von 19 %.  
 
2.2. Die dem kantonalen Entscheid zugrunde liegende (damals gültig gewesene) Rechtsprechung, gemäss welcher leichte bis mittelgradige depressive Störungen als invalidisierende Krankheiten nur in Betracht fielen, wenn sie erwiesenermassen therapieresistent waren (BGE 140 V 193 E. 3.3 S. 197 mit Hinweis auf Urteil 9C_667/2013 vom 29. April 2013 E. 4.3.2), hat das Bundesgericht zwischenzeitlich mit BGE 143 V 409 (vgl. auch BGE 143 V 418) geändert. Seither sind auch leichte bis mittelschwere Depressionen für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit grundsätzlich einem strukturierten Beweisverfahren nach Massgabe von BGE 141 V 281 zu unterziehen (BGE 143 V 409 E. 4.5.2 S. 416 [unter Vorbehalt der Fälle, in welchen davon aus Gründen der Verhältnismässigkeit abgesehen werden kann; E 4.5.3 S. 417]). Dieses für somatoforme Leiden entwickelte Vorgehen definiert systematisierte Indikatoren, die - unter Berücksichtigung von leistungshindernden äusseren Belastungsfaktoren einerseits und von Kompensationspotentialen (Ressourcen) anderseits - erlauben, das tatsächlich erreichbare Leistungsvermögen einzuschätzen (BGE 141 V 281 E. 2 S. 285 ff., E. 3.4 bis 3.6 und 4.1 S. 291 ff.). Entscheidend ist dabei, unabhängig von der diagnostischen Einordnung des Leidens, ob es gelingt, auf objektivierter Beurteilungsgrundlage den Beweis einer rechtlich relevanten Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit zu erbringen, wobei die versicherte Person die materielle Beweislast zu tragen hat (BGE 143 V 409 E. 4.5.2 S. 416 mit Hinweis auf BGE 141 V 281 E. 3.7.2 S. 295 f.).  
 
2.3. Unter dem Geltungsbereich dieser neuen, auf alle hängigen Fälle anwendbaren Rechtsprechung darf im Falle der bei der Beschwerdeführerin diagnostizierten leichten bis mittelgradigen depressiven Episode (asim-Gutachten vom 31. Dezember 2015) ein invalidisierender Gesundheitsschaden nicht mehr mit der Begründung verneint werden, dass noch zumutbare therapeutische Möglichkeiten existierten. Vielmehr ist für die Beantwortung der Frage, ob das depressive Leiden invalidisierend ist, ein den Grundsätzen von BGE 141 V 281 Rechnung tragendes strukturiertes Beweisverfahren durchzuführen. Dies ist bisher nicht geschehen. Das asim-Gutachten vom 31. Dezember 2015 lässt eine abschliessende Beurteilung nicht zu, weil es sich zu den verschiedenen Indikatoren nicht umfassend äussert. Die offenen Fragen lassen sich auch anhand der übrigen Akten nicht beantworten.  
 
2.4. Es rechtfertigt sich daher, die Sache an die IV-Stelle zurückzuweisen, damit sie ein neues Gutachten einhole, das die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit im Einklang mit der neuen Rechtslage nach Massgabe der im Regelfall heranzuziehenden Standardindikatoren erlaubt.  
 
3.   
Die Beschwerde ist insoweit offensichtlich begründet, als mit ihr die Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides und die Rückweisung der Sache beantragt wird. Sie wird daher im Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. b BGG mit summarischer Begründung erledigt. Weiterungen erübrigen sich. 
 
4.   
Die Rückweisung der Sache an die Verwaltung zur weiteren Abklärung und neuer Entscheidung gilt für die Frage der Auferlegung der Gerichtskosten als vollständiges Obsiegen im Sinne von Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG, unabhängig davon, ob sie überhaupt beantragt oder ob das entsprechende Begehren im Haupt- oder im Eventualantrag gestellt wird (vgl. BGE 137 V 210 E. 7.1 S. 281). Dementsprechend sind die Gerichtskosten der Beschwerdegegnerin zu überbinden. 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 9. November 2017 und die Verfügung der IV-Stelle des Kantons Zürich vom 14. April 2016 werden aufgehoben. Die Sache wird zur Abklärung im Sinne der Erwägungen und zu neuer Verfügung an die IV-Stelle des Kantons Zürich zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
 
3.   
Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2800.- zu entschädigen. 
 
4.   
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des vorangegangenen Verfahrens an das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich zurückgewiesen. 
 
5.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 8. August 2018 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Meyer 
 
Die Gerichtsschreiberin: Keel Baumann