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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6S.183/2003 /kra 
 
Urteil vom 8. September 2003 
Kassationshof 
 
Besetzung 
Bundesrichter Schneider, Präsident, 
Bundesrichter Kolly, Ersatzrichterin Pont Veuthey, 
Gerichtsschreiber Borner. 
 
Parteien 
M.________, 
Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat Dr. Thomas Christen, Haus Thurgauerhof, Postfach 552, 4410 Liestal, 
 
gegen 
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, Binningerstrasse 21, Postfach, 4001 Basel. 
 
Gegenstand 
Übertretung des Binnenschiffahrtsgesetzes, 
 
Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt, Ausschuss, vom 31. März 2003. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Am 26. Juni 2001 ereignete sich auf dem Rhein in Basel unterhalb des Bunkersteigs zwischen zwei Motorbooten ein Unfall. Das Boot Nummer BL XX kollidierte mit dem Boot Nummer XY von M.________ und schlug in dieses backbords ein Leck. M.________ konnte sein Boot noch ans rechte Rheinufer fahren und es dort vertäuen. Der hintere Teil des Schiffes sank vollständig ab. Nachdem M.________ einige Utensilien aus dem leckgeschlagenen Schiff geborgen hatte, fuhr er mit seinem Auto nach Liestal in der Absicht, einen Schiffsanhänger zu holen. 
B. 
Die Strafgerichtspräsidentin des Kantons Basel-Stadt büsste M.________ am 14. November 2002 wegen Übertretung des Binnenschifffahrtsgesetzes bzw. der Rheinschifffahrtspolizeiverordnung mit Fr. 300.--. 
 
Eine Beschwerde des Gebüssten wies das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt am 31. März 2003 ab. 
C. 
M.________ führt Nichtigkeitsbeschwerde und beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
 
Das Appellationsgericht beantragt Abweisung der Beschwerde (act. 5). 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 1 StGB. Nach dieser Bestimmung sei nur strafbar, wer eine Tat begehe, die das Gesetz ausdrücklich mit Strafe bedrohe. Der Bürger solle voraussehen können, welches Verhalten mit Strafe sanktioniert werde und welche Sanktion er zu erwarten habe. 
 
Dies sei vorliegend nicht gegeben. Aus einem simplen Verweis auf eine nicht in vollem Wortlaut publizierte Verordnung könne der Bürger nicht absehen, welches Verhalten mit Strafe bedroht sei. Es könne dem Bürger auch nicht zugemutet werden, einen Erlass bei der Eidgenössischen Drucksachen- und Materialzentrale anzufordern, um erkennen zu können, ob ein bestimmtes Verhalten unter Strafe stehe. Es sei unabdingbar, dass ein materielles Gesetz, das Strafe androhe, in der systematischen Sammlung im vollen Wortlaut veröffentlicht werde. 
 
Die vorinstanzliche Annahme, dass von einer vollumfänglichen Publikation abgesehen worden sei, weil lediglich ein kleiner Personenkreis betroffen sei, sei nicht zutreffend, denn der Rhein werde von unzähligen Personen, sowohl in geschäftlicher als auch in privater Hinsicht, genutzt. Der Umstand, dass die Rheinschifffahrtspolizeiverordnung nicht mit vollem Wortlaut in die Gesetzessammlung aufgenommen worden sei, verletze Art. 1 StGB
1.1 Der Grundsatz "nulla poena sine lege" ist im Strafrecht in Art. 1 StGB geregelt und lautet: Strafbar ist nur, wer eine Tat begeht, die das Gesetz ausdrücklich mit Strafe bedroht (Art. 1 StGB). Der Grundsatz ist unter anderem verletzt, wenn eine Handlung, derentwegen ein Bürger strafrechtlich verfolgt wird, zwar in einem Gesetz mit Strafe bedroht ist, dieses Gesetz selber aber nicht als rechtsbeständig angesehen werden kann (BGE 112 Ia 107 E. 3a, 27 S. 339 E. 1). 
 
Wie die Vorinstanz zutreffend festhält, bildet Art. 40 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Binnenschifffahrt vom 3. Oktober 1975 (Binnenschifffahrtsgesetz [BSG] , SR 747.201) die gesetzliche Grundlage für die Verurteilung des Beschwerdeführers. Nach dieser Bestimmung wird mit Haft oder Busse bestraft, wer Verkehrsregeln des Gesetzes, der internationalen Vereinbarungen oder der Ausführungserlasse des Bundes oder der Kantone verletzt. Es handelt sich dabei allerdings um eine Blankettstrafnorm, bei welcher das verbotene oder gebotene Verhalten nicht vom Gesetz selbst, sondern von weiteren, im Gesetz nicht einzeln aufgeführten Erlassen umschrieben wird. In der Literatur wird gefordert, dass die Blankettstrafnormen das strafbare Verhalten wenigstens in Umrissen bereits als gesetzliches Verbot definieren sollten (Peter Popp, Basler Kommentar, Strafgesetzbuch I, Art. 1 N 19). 
 
Das Binnenschifffahrtsgesetz selbst schreibt dem Schiffsführer in Art. 24 vor, wie er sich bei Unfällen und in Schadensfällen zu verhalten hat, und droht ihm im Falle pflichtwidrigen Verhaltens bei Unfall ausdrücklich Haft oder Busse und in qualifizierten Fällen gar Gefängnis an (Art. 42 BSG). Damit wird nicht bloss in Umrissen, sondern klar festgehalten, dass Ausführungserlasse zum BSG Bestimmungen über das Verhalten bei Unfall enthalten dürfen. 
 
Die Verurteilung des Beschwerdeführers stützt sich auf ein formelles Gesetz (Art. 40 Abs. 1 BSG), das selbst Bestimmungen über das Verhalten bei Unfall für Schiffsführer enthält und damit denselben Regelungsgegenstand im Ausführungserlass klar abdeckt (Art. 56 Abs. 1 BSG). Die Anwendung von § 1.17 Ziff. 1 der Rheinschifffahrtspolizeiverordnung vom 1. Dezember 1993 (Polizeiverordnung) durch die Vorinstanz verstösst somit nicht gegen den Grundsatz "nulla poena sine lege". 
1.2 Es trifft zwar zu, dass die Polizeiverordnung weder in der Amtlichen noch in der Systematischen Sammlung des Bundesrechts in ihrem vollen Wortlaut veröffentlicht worden ist. Art. 4 des Bundesgesetzes über die Gesetzessammlungen und das Bundesblatt vom 21. März 1986 (Publikationsgesetz; SR 170.512) sieht jedoch vor: Ein Erlass, ein völkerrechtlicher und interkantonaler Vertrag sowie ein internationaler Beschluss, der sich wegen seines besonderen Charakters für die Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung nicht eignet, wird nur mit Titel sowie Fundstelle oder Bezugsquelle aufgenommen, insbesondere wenn er nur einen kleinen Kreis von Personen betrifft (Abs. 1 lit. a). 
 
Der Beschwerdeführer bestreitet einzig, dass die Polizeiverordnung nur einen kleinen Personenkreis betreffe. Aus der Verordnung über die Inkraftsetzung der Rheinschifffahrtspolizeiverordnung vom 10. Juni 1994 (SR 747.224.111.1) geht hervor, dass sich der Geltungsbereich der Polizeiverordnung von der schweizerischen Landesgrenze bis zur Mittleren Rheinbrücke in Basel erstreckt. Diese Strecke entspricht einer Länge von 3,2 km. Nur schon daraus kann zwanglos abgeleitet werden, dass die Polizeiverordnung bloss einen kleinen Personenkreis betrifft. Folglich hat die Vorinstanz zu Recht auf Art. 4 Abs. 1 lit. a des Publikationsgesetzes verwiesen. Da diese Bestimmung zudem in einem formellen Gesetz enthalten ist, erweist sich der Vorwurf als unbegründet, der Grundsatz "nulla poena sine lege" sei verletzt. 
2. 
Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe § 1.17 der Polizeiverordnung falsch ausgelegt. Unter dem dort gewählten Begriff "gesunken" könne logischerweise nur verstanden werden, dass ein Objekt vollkommen unter die Wasseroberfläche geraten sei. Das sei beim Boot des Beschwerdeführers nicht der Fall gewesen. Lediglich das Heck habe sich unter Wasser befunden. Allenfalls hätte es sich um ein Schiff gehandelt, welches zu sinken droht, wie dies § 1.18 Ziff. 2 der Polizeiverordnung vorsehe. Diese Bestimmung sei vom Beschwerdeführer jedoch nicht verletzt worden. 
 
Gemäss § 1.17 der Polizeiverordnung muss der Schiffsführer eines festgefahrenen oder gesunkenen Fahrzeugs oder Schwimmkörpers so bald wie möglich für die Benachrichtigung der nächsten zuständigen Behörde sorgen. Er oder ein anderes Mitglied der Besatzung muss an Bord oder in der Nähe der Unfallstelle bleiben, bis die zuständige Behörde ihm gestattet, sich zu entfernen (Ziff. 1). 
 
Wie die Vorinstanz zutreffend festhält, bezweckt § 1.17 der Polizeiverordnung offenkundig die Gefahrenabwehr nach einer Havarie auf dem Rhein. Dabei liegt es nicht im Ermessen des Schiffsführers, sondern der zuständigen Behörde, welche Massnahmen zu treffen sind. Deshalb hat der Schiffsführer die zuständige Behörde so bald wie möglich zu benachrichtigen und ohne gegenteilige Anordnung an Bord oder in der Nähe der Unfallstelle zu bleiben. 
 
Nach der Kollision mit einem anderen Boot konnte der Beschwerdeführer sein Boot noch ans rechte Rheinufer fahren und es dort mit einem Seil befestigen; der hintere Teil des Schiffes sank vollständig ab, wobei Öl und Benzin ausliefen (angefochtener Entscheid S. 2 Ziff. I und S. 3 lit. b am Ende). 
 
§ 1.17 der Polizeiverordnung verwendet die Begriffe "festgefahren" und "gesunken" gleichbedeutend. Unter dem Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr ist bei festgefahrenen Fahrzeugen insbesondere von Bedeutung, dass sie für andere Rheinbenützer ein Hindernis sein können. Bei gesunkenen (motorisierten) Fahrzeugen besteht unter anderem zudem die Gefahr, dass Öl und Benzin auslaufen. Da das Fahrzeug des Beschwerdeführers manövrierunfähig am Rheinufer vertäut war und das Heck mit dem Benzinmotor unter Wasser lag, war das Boot - im Hinblick auf die erörterte Gefahrenabwehr - sowohl festgefahren, weil manövrierunfähig vertäut, als auch gesunken, weil der Motor unter Wasser lag. Folglich hat die Vorinstanz kein Bundesrecht verletzt, wenn sie die Voraussetzungen des § 1.17 der Polizeiverordnung als erfüllt betrachtete. 
3. 
Nach dem Gesagten ist die Nichtigkeitsbeschwerde kostenpflichtig abzuweisen (Art. 278 Abs. 1 BStP). 
 
Mit dem Entscheid in der Sache ist das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 
3. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt und dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt, Ausschuss, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 8. September 2003 
Im Namen des Kassationshofes 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: