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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
I 734/06 {T 7} 
 
Urteil vom 8. Oktober 2007 
I. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Ursprung, Präsident, 
Bundesrichterin Widmer, Bundesrichter Lustenberger, 
Gerichtsschreiberin Weber Peter. 
 
Parteien 
IV-Stelle Basel-Stadt, Lange Gasse 7, 4052 Basel, Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
I.________, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Advokatin Kathrin Bichsel, Blumenrain 3, 4001 Basel. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts Basel-Stadt vom 3. August 2006. 
 
Sachverhalt: 
A. 
I.________, geboren 23. April 1948, arbeitete zuletzt als Haushälterin in privaten Haushalten. Am 18. Dezember 2002 meldete sie sich wegen Muskel- und Gelenkschmerzen, Müdigkeit, Schlafstörungen sowie Konzentrations- und Gedächtnisproblemen bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Mit Verfügung vom 11. August 2004 sprach ihr die IV-Stelle Basel-Stadt ab 1. Juni 2003 eine ganze und ab 1. September 2003 basierend auf einem Invaliditätgrad von 56 % noch eine halbe Invalidenrente zu. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 17. Februar 2006 fest. 
B. 
Die dagegen erhobene Beschwerde, mit welcher ab 1. September 2003 weiterhin eine ganze Rente beantragt wurde, hiess das Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt insofern teilweise gut, als es den Einspracheentscheid vom 17. Februar 2006 aufhob und der Versicherten ab 1. Juni 2003 eine ganze, ab 1. September 2003 eine halbe und ab 1. Januar 2004 eine Dreiviertelsrente der Invalidenversicherung zusprach (Entscheid vom 3. August 2006). 
C. 
Die IV-Stelle führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Rechtsbegehren, in Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheides sei die Verfügung vom 11. August 2004 bzw. der Einspracheentscheid vom 17. Februar 2006 zu bestätigen. 
 
Die Versicherte lässt auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen. Zudem wird um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung ersucht. Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110) in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Da der angefochtene Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch nach OG (Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395). 
2. 
2.1 Der angefochtene Entscheid betrifft Leistungen der Invalidenversicherung. Das Bundesgericht prüft daher nur, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht verletzte, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt wurde (Art. 132 Abs. 2 OG [in der Fassung gemäss Ziff. III des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Änderung des IVG, in Kraft seit 1. Juli 2006] in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG). 
2.2 Mit Blick auf diese neue Kognitionsregelung für die Invalidenversicherung ist aufgrund der Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu prüfen, ob der angefochtene Gerichtsentscheid in der Anwendung der massgeblichen materiell- und beweisrechtlichen Grundlagen Bundesrecht verletzt (Art. 104 lit. a OG), einschliesslich einer allfälligen rechtsfehlerhaften Tatsachenfeststellung (Art. 105 Abs. 2 OG). Hingegen hat eine freie Überprüfung des vorinstanzlichen Entscheides in tatsächlicher Hinsicht (aArt. 132 lit. b OG) ebenso zu unterbleiben wie eine Prüfung der Ermessensbetätigung (aArt. 132 lit. a OG) nach den Grundsätzen zur Angemessenheitskontrolle (BGE 126 V 75 E. 6 S. 81 mit Hinweisen). Auch besteht (entgegen aArt. 132 lit. c OG) Bindung an die Parteianträge, handelt es sich doch nicht um eine Abgabestreitigkeit (Art. 114 Abs. 1 OG; zum Ganzen BGE 132 V 393). 
3. 
Im kantonalen Gerichtsentscheid werden die gesetzlichen Bestimmungen und die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze, die zur Beurteilung des streitigen Anspruchs erforderlich sind, richtig dargelegt. Es betrifft dies namentlich den Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 IVG sowohl in der bis 31. Dezember 2003 gültig gewesenen wie auch in der seit 1. Januar 2004 geltenden Fassung), die Bemessung des Invaliditätsgrads bei erwerbstätigen Versicherten nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs (bis 31. Dezember 2003: Art. 1 Abs. 1 IVG in Verbindung mit Art. 16 ATSG; ab 1. Januar 2004: Art. 28 Abs. 2 IVG in Verbindung mit Art. 16 ATSG), die Revision von Invalidenrenten bei wesentlicher Änderung der tatsächlichen Verhältnisse (Art. 17 Abs. 1 ATSG) sowie die Ausführungen zur Aufgabe des Arztes oder der Ärztin bei der Invaliditätsbemessung (vgl. auch BGE 125 V 256 E. 4 S. 261 mit Hinweisen) und zum Beweiswert ärztlicher Berichte (BGE 125 V 351 E. 3 S. 352 f. mit Hinweisen). Darauf wird verwiesen. 
4. 
Streitig und zu prüfen sind aufgrund der Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde der Anspruch der Beschwerdegegnerin auf eine Dreiviertesrente ab 1. Januar 2004 und mithin der von der Vorinstanz berechnete Invaliditätsgrad von 64 %. Unbestritten ist dabei die medizinisch attestierte Arbeitsfähigkeit von 60 % in einer leichten bis mittelschweren Tätigkeit ab 20. August 2003. Nicht beanstandet wird zudem das als Gesunde im Jahre 2003 erzielbare Einkommen (Valideneinkommen) von Fr. 81'675.-. Uneinigkeit herrscht einzig hinsichtlich des der Bemessung zu Grunde zu legenden Invalideneinkommens. 
5. 
5.1 Die Vorinstanz ist bei der Festsetzung des Invalideneinkommens gestützt auf die Lohnstrukturerhebung des Bundesamtes für Statistik (LSE) 2002 vom monatlichen Bruttolohn (Zentralwert) für Frauen im gesamten privaten Sektor mit Anforderungsniveau 4 (einfache und repetitive Tätigkeiten) von Fr. 3'820.- (Tabelle TA 1) ausgegangen und hat aufgerechnet auf das Jahr 2003, umgerechnet auf 41,7 Wochenstunden und unter Berücksichtigung einer Restarbeitsfähigkeit von 60 %, ein zumutbares Invalideneinkommen von Fr. 29'079.- ermittelt. Im Gegensatz zur Verwaltung hat sie zur Bemessung des Invalideneinkommens nicht den statistischen Lohn gemäss Anforderungsniveau 3 ("Berufs- und Fachkenntnisse vorausgesetzt"), sondern denjenigen gemäss Anforderungsniveau 4 ("einfache und repetitive Tätigkeiten") berücksichtigt. Sie hat dies damit begründet, dass die Versicherte lediglich die obligatorische Schulzeit in Italien besucht, aber keine Berufslehre absolviert habe. Seit ihrem 14. Lebensjahr, als sie in die Schweiz einreiste, sei sie erwerbstätig gewesen, zunächst als Wäscherin, als Haushälterin und als Gouvernante und seit den 1990er- Jahren als Haushälterin in privaten Haushalten. Die Versicherte habe keinen eigentlichen Beruf erlernt und obwohl ihr aus medizinischer Sicht zugemutet werden könne, die angestammte Tätigkeit als Haushälterin, in der sie Berufserfahrung erworben habe, weiter auszuüben, sei nicht davon auszugehen, dass dabei ein Einkommen auf Niveau einer Tätigkeit, die Berufs- und Fachkenntnisse verlangten, erzielt werden könne. 
Demgegenüber stellt sich die Beschwerdeführerin auf den Standpunkt, es sei gerechtfertigt mindestens auf Anforderungsniveau 3 abzustellen. Als dafür entscheidend betrachtet sie einerseits den von der Versicherten bis anhin erzielten hohen Lohn, anderseits den Umstand, dass sich diese in einer nahezu vier Jahrzehnte - an verschiedenen Stellen - dauernden "on-the-job" Tätigkeit die notwendigen Berufs- und Fachkenntnisse habe aneignen können. 
5.2 Entgegen den Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist die Berechnung des Invalideneinkommens auf der Grundlage des Anforderungsniveaus 4 mit Blick auf die bindende Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz, wonach die Versicherte über keinerlei Aus- und Weiterbildungen verfügt, nicht zu beanstanden. Die langjährige Berufserfahrung ist zwar nicht in jedem Fall ausser Acht zu lassen. Mit der Beschwerdegegnerin gilt aber festzustellen, dass in der heutigen Zeit praktisch in jeder Berufssparte ein Abschluss oder zumindest entsprechende Aus- und Weiterbildungen verlangt werden. Zudem gilt anzumerken, dass die Versicherte in den 1990er- Jahren nur zwei verschiedene Stellen inne hatte. Auch das überdurchschnittliche Valideneinkommen berechtigt vorliegend nicht, die Berufserfahrung entsprechend zu gewichten, sind doch auch andere Faktoren dafür in Betracht zu ziehen (beispielsweise flexible zeitliche Verfügbarkeit oder langjähriges Vertrauensverhältnis). Dass es der Versicherten möglich gewesen wäre, ihre gut bezahlte Anstellung als Haushälterin innerhalb der attestierten 60 %igen Arbeitsfähigkeit fortzusetzen, so sie gewillt gewesen wäre, wie geltend gemacht wird, ist nicht erstellt. Vielmehr ergibt sich aufgrund der Ausführungen der Arbeitgeberin vom 18. Januar 2003, dass aufgrund des gestörten Vertrauensverhältnisses ein erneuter Arbeitseinsatz nicht in Frage kam. Bei dieser Ausgangslage kann weder von einer Verletzung von Bundesrecht durch die Vorinstanz noch von einer offensichtlich unrichtigen oder unvollständigen Feststellung des rechterheblichen Sachverhalts gesprochen werden, womit die Zusprechung einer Dreiviertelsrente ab 1. Januar 2004 nicht zu beanstanden ist. 
6. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 134 zweiter Satz OG in der ab 1. Juli 2006 geltenden Fassung). Dem Prozessausgang entsprechend sind die Gerichtskosten der unterliegenden IV-Stelle aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 135 OG). Diese hat der obsiegenden, anwaltlich vertretenen Beschwerdegegnerin eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 159 in Verbindung mit Art. 135 OG). Deren Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und Verbeiständung ist mithin gegenstandslos. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt und mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet. 
3. 
Die Beschwerdeführerin hat der Beschwerdegegnerin für das Verfahren vor dem Bundesgericht eine Parteientschädigung von Fr. 1800.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt und dem Bundesamt für Sozialversicherungen zugestellt. 
Luzern, 8. Oktober 2007 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: 
 
Ursprung Weber Peter