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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6B_971/2021  
 
 
Urteil vom 8. Oktober 2021  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Präsidentin, 
Bundesrichterin Koch, 
nebenamtliche Bundesrichterin Lötscher, 
Gerichtsschreiberin Erb. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Oliver Bulaty, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
1. Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau, 
Frey-Herosé-Strasse 20, Wielandhaus, 5001 Aarau, 
2. B.________, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Diebstahl usw.; Strafzumessung; Landesverweisung; Willkür; Grundsatz in dubio pro reo, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts 
des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer, 
vom 23. Juni 2021 (SST.2020.239). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________ wird unter anderem vorgeworfen, sich am 25. September 2018 mit einem entwendeten Schlüssel unbefugt in die verschlossenen Räumlichkeiten des «C.________ Imbiss» in U.________ begeben und aus zwei Portemonnaies insgesamt Fr. 2'500.-- in bar entwendet zu haben. 
 
B.  
Das Bezirksgericht Muri-Bremgarten sprach A.________ mit Urteil vom 17. Juni 2020 des Diebstahls, des geringfügigen Diebstahls, des Hausfriedensbruchs, der Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz, der Widerhandlung gegen das Waffengesetz, der Verletzung der Verkehrsregeln, des Fahrens ohne Bewilligung, der Entwendung eines Fahrzeuges zum Gebrauch sowie der Widerhandlung gegen das Personenbeförderungsgesetz schuldig. Von weiteren Vorwürfen sprach es A.________ frei bzw. stellte das Verfahren ein. Das Bezirksgericht Muri-Bremgarten verurteilte ihn zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwölf Monaten, einer unbedingten Geldstrafe von 55 Tagessätzen zu Fr. 30.-- und zu einer Busse von Fr. 1'500.--, respektive einer Ersatzfreiheitsstrafe von 50 Tagen für den Fall schuldhafter Nichtbezahlung. Diese Strafen wurden als teilweise Zusatzstrafen zu verschiedenen Strafbefehlen ausgesprochen. Das Bezirksgericht Muri-Bremgarten verwies A.________ weiter gestützt auf Art. 66a Abs. 1 lit. d StGB für die Dauer von 7 Jahren des Landes und ordnete die Ausschreibung im Schengener Informationssystem (SIS) an. Auf (teilweise) Berufung von A.________ hin stellte das Obergericht des Kantons Aargau am 23. Juni 2021 die (teilweise) Rechtskraft des erstinstanzlichen Urteils fest und bestätigte dieses im Wesentlichen. 
 
C.  
A.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, er sei vom Vorwurf des Diebstahls (Dispositivziffer 3 al. 1) freizusprechen und die Freiheitsstrafe sei in Abänderung von Dispositivziffer 4 auf sechs Monate zu reduzieren. Weiter sei in Aufhebung von Dispositivziffer 5 auf die Anordnung einer Landesverweisung zu verzichten. Zudem seien die vorinstanzlichen Verfahrenskosten (Dispositivziffer 7) vollumfänglich auf die Staatskasse zu nehmen und die dem amtlichen Verteidiger ausgerichtete Entschädigung sei vollständig von der Rückforderung auszunehmen. Eventualiter seien die angefochtenen Dispositivziffern (3 al. 1, 4, 5 und 7) aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Überdies stellt A.________ ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Verurteilung wegen Diebstahls zum Nachteil des Beschwerdegegners 2. Zusammengefasst rügt er, die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen seien hinsichtlich des Deliktsdatums, der Deliktssumme, des Vorhandenseins des Geldes und der Würdigung der Aussagen des Beschwerdegegners 2 willkürlich. Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe stets beteuert, nur Lebensmittel gestohlen zu haben. Gegenteiliges sei nicht erstellt. Die Aussagen des Beschwerdegegners 2 seien widersprüchlich, unglaubwürdig und einseitig, und dieser habe ein immanentes eigenes Interesse an der Bestätigung seiner Version des angezeigten Diebstahls. Die Vorinstanz hätte offensichtlich zum Ergebnis gelangen müssen, dass der Sachverhalt hinsichtlich des angeblichen Diebstahls vom 25. September 2018 nicht hinreichend erstellt sei. Sie lasse wesentliche Aspekte, die für die Unschuld des Beschwerdeführers sprächen, ausser Acht, und gehe entlastenden Umständen wie dem allfälligen anderweitigen Abhandenkommen des Geldes nicht nach. Damit verletze sie den Grundsatz «in dubio pro reo» sowie den Untersuchungsgrundsatz.  
 
1.2. Die Vorinstanz führt zusammengefasst aus, der Beschwerdeführer stelle nicht in Abrede, insgesamt dreimal in die Räumlichkeiten des «C.________ Imbiss» eingedrungen zu sein. Es sei erstellt, dass der Beschwerdeführer beim dritten Vorfall gezielt genau jene Schublade durchsucht habe, in welcher sich die Portemonnaies befunden hätten. Dass er in dieser ungekühlten Schublade nach Lebensmitteln gesucht habe, sei eine Schutzbehauptung, zumal es sich dabei offensichtlich nicht um einen Aufbewahrungsort für Lebensmittel und Getränke gehandelt habe. Die Ausführungen des Beschwerdegegners 2 seien hingegen glaubhaft, im Kerngehalt insgesamt konstant, nachvollziehbar und schlüssig. Sowohl hinsichtlich der Frage, ob überhaupt Geld entwendet worden sei, als auch bezüglich der Täterschaft habe der Beschwerdegegner 2 sehr glaubhaft ausgesagt. Die Höhe der Deliktssumme sei mit einem ausbezahlten Darlehen plausibel erklärt und mit einem Darlehensvertrag und einer dazugehörigen Rechnung belegt. Zu berücksichtigen sei zudem, dass der Beschwerdeführer seine damalige erhebliche Drogenabhängigkeit mit seinem legalen Einkommen nicht habe finanzieren können.  
 
1.3. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz kann vor Bundesgericht nur gerügt werden, wenn sie willkürlich ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; vgl. auch Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG; BGE 147 IV 73 E. 4.1.2; 146 IV 114 E. 2.1, 88 E. 1.3.1). Willkür bei der Sachverhaltsfeststellung liegt nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn die vorinstanzliche Beweiswürdigung schlechterdings unhaltbar ist, d.h. wenn die Behörde in ihrem Entscheid von Tatsachen ausgeht, die mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehen oder auf einem offenkundigen Fehler beruhen. Dass eine andere Lösung ebenfalls möglich erscheint, genügt nicht (BGE 147 IV 73 E. 4.1.2; 146 IV 88 E. 1.3.1; 143 IV 241 E. 2.3.1; je mit Hinweisen). Der vorinstanzliche Entscheid muss nicht nur in der Begründung, sondern auch im Ergebnis willkürlich sein (BGE 146 IV 88 E. 1.3.1; 141 IV 305 E. 1.2). Die Willkürrüge muss in der Beschwerde anhand des angefochtenen Entscheids explizit vorgebracht und substanziiert begründet werden (Art. 106 Abs. 2 BGG). Auf ungenügend begründete Rügen oder allgemeine appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 147 IV 73 E. 4.1.2; 146 IV 114 E. 2.1, 88 E. 1.3.1).  
Dem Grundsatz "in dubio pro reo" kommt in seiner Funktion als Beweiswürdigungsregel im Verfahren vor Bundesgericht keine über das Willkürverbot hinausgehende Bedeutung zu (BGE 145 IV 154 E. 1.1; 144 IV 345 E. 2.2.3.3; je mit Hinweisen). 
 
1.4. Die Vorinstanz würdigt die vorhandenen Beweismittel sorgfältig. Sie geht insbesondere ausführlich auf die Aussagen des Beschwerdegegners 2 ein, welcher an der Berufungsverhandlung erneut einlässlich einvernommen wurde. Mit den beanstandeten Widersprüchen in seinen Aussagen setzt sich die Vorinstanz auseinander. Sie stuft diese als nebensächlich ein und geht davon aus, dass sie die Aussagen des Beschwerdegegners 2 hinsichtlich des Diebstahls und der Täterschaft nicht als unglaubhaft erscheinen lassen. Dadurch verfällt die Vorinstanz nicht in Willkür. Weder die Vorbringen des Beschwerdeführers zum Deliktszeitpunkt noch diejenigen zur Deliktssumme sind dazu geeignet, die vorinstanzlichen Erwägungen als willkürlich darzustellen. Inwiefern sich der Vorinstanz hätten Zweifel aufdrängen müssen, wie es der Beschwerdeführer vorbringt, ist nicht nachvollziehbar. Seine Ausführungen, wonach es als absolut unglaubwürdig anzusehen sei, dass der Beschwerdegegner 2 derart hohe Barbeträge in seinem Imbiss einlagerte, sind weitgehend als appellatorische Kritik zurückzuweisen. Der Beschwerdeführer beschränkt sich darauf, seine eigene Sicht der Dinge darzulegen und eigene, unbelegte Hypothesen über die Geschäfte des Beschwerdegegners 2 vorzunehmen. Für die Annahme von Willkür genügt es jedoch nicht, dass eine andere Lösung ebenfalls möglich erscheint (vgl. E. 1.3 oben). Eine schlechterdings unhaltbare Beweiswürdigung, ein klarer Widerspruch zur tatsächlichen Situation oder ein offenkundiger Fehler sind nicht ersichtlich. Sodann ist auch nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz die Vorbringen des Beschwerdeführers bezüglich weiterer denkbarer Varianten des Abhandenkommens des Geldes als reine Spekulationen einstuft. Der vorinstanzliche Schuldspruch wegen Diebstahls zulasten des Beschwerdegegners 2 verletzt kein Bundesrecht. Die Rügen des Beschwerdeführers erweisen sich insgesamt als unbegründet, soweit darauf eingetreten werden kann.  
 
2.  
Der Beschwerdeführer begründet seine weiteren Anträge in Bezug auf das Strafmass, die Landesverweisung und die Kostenverteilung ausdrücklich nur mit dem beantragten Freispruch vom Vorwurf des Diebstahls. Da die Beschwerde in diesem Punkt abzuweisen ist, erübrigt sich eine nähere Betrachtung der weiteren Anträge, auf welche mangels Begründung (Art. 42 Abs. 2 BGG) nicht einzutreten ist. 
 
3.  
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Die Gerichtskosten sind ausgangsgemäss dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist in Anwendung von Art. 64 BGG wegen Aussichtslosigkeit abzuweisen. Der finanziellen Lage des Beschwerdeführers ist mit reduzierten Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 8. Oktober 2021 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Jacquemoud-Rossari 
 
Die Gerichtsschreiberin: Erb