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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 7} 
I 335/06 
 
Urteil vom 9. März 2007 
I. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Ursprung, Präsident, 
Bundesrichter Schön, Bundesrichterin Leuzinger, 
Gerichtsschreiberin Schüpfer. 
 
Parteien 
L.________, 1956, Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
IV-Stelle des Kantons Thurgau, St. Gallerstrasse 13, 8500 Frauenfeld, Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid der AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau vom 1. März 2006. 
 
Sachverhalt: 
A. 
A.a Der 1956 geborene gelernte Elektromonteur L.________ meldete sich am 3. April 1990 wegen Rückenbeschwerden bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug, insbesondere Berufsberatung und Umschulung an. In der Folge gewährte ihm diese verschiedene berufliche Massnahmen (so u.a. Umschulungen zum technischen Kaufmann, zum Naturheilarzt, als PC-Supporter), welche aus diversen Gründen nicht abgeschlossen wurden. Mit Verfügung vom 13. Oktober 2000 sprach die IV-Stelle des Kantons Thurgau dem Versicherten für die Zeit vom 1. September 2000 bis 31. August 2002 weitere berufliche Massnahmen in Form der Kostenübernahme und Taggeldzahlungen für die Ausbildung zum Fitness-Instruktor bei der Schule X.________ zu. Mit separatem Schreiben vom 16. Oktober 2000 machte die IV-Stelle L.________ darauf aufmerksam, er habe sich bei gesundheitlichen oder Ausbildungsschwierigkeiten rasch zu melden. Bei normalem Ausbildungsverlauf erwarte man eine schriftliche Information alle sechs Monate. Da der Versicherte diese Meldungen unterliess, ersuchte die IV-Stelle mit Schreiben vom 3. September, 22. Oktober und 14. Dezember 2001 um einen Bericht. Nach Darstellung des L.________ informierte er die IV-Stelle mit Schreiben vom 20. Dezember 2001 darüber, dass der praktische Teil der Umschulung zum Fitness-Instruktor problemlos verlaufe, dass er aber mit dem theoretischen Teil Mühe bekunde, weil er seit März 2001 gesundheitliche Probleme in Form von "Schlafattacken" habe. Im Oktober sei am Spital Y.________ die Diagnose eines Schlafapnoe-Syndroms gestellt worden. Er zeigte sich hingegen zuversichtlich, im Jahre 2002 die Umschulung erfolgreich abschliessen zu können. In den Akten der Invalidenversicherung fehlt dieses Schreiben. Da die Ausbildungszeit zum Fitness-Instruktor gemäss Verfügung vom 13. Oktober 2000 am 31. August 2002 endete, ersuchte die IV-Stelle den Versicherten mit Schreiben vom 21. August 2002 um eine Kopie des Abschlusszeugnisses und die Rücksendung eines ausgefüllten Fragebogens. L.________ reagierte darauf so wenig wie auf ein Mahnschreiben vom 14. November 2002. In der Folge ging die IV-Stelle in ihrer Verfügung vom 21. Februar 2003 davon aus, der Versicherte habe die Ausbildung erfolgreich bestanden und sei daher rentenausschliessend eingegliedert. Mit der dagegen erhobenen Einsprache reichte L.________ einen Bericht des Dr. med. S.________, Facharzt FMH für Endokrinologie und Diabetologie, vom 10. Juni 2002 ein und machte geltend, es sei ihm auf Grund von gesundheitlichen Problemen nicht möglich gewesen, die theoretische Prüfung abzulegen. Mit Einspracheentscheid vom 10. Juli 2003 hob die IV-Stelle die angefochtene Verfügung auf, da der Versicherte gemäss Stellungnahme ihres Regionalen Ärztlichen Dienstes (RAD) als Fitness-Instruktor als nicht mehr arbeitsfähig erachtet wurde. 
A.b In Umsetzung des Einspracheentscheides vom 10. Juli 2003 veranlasste die IV-Stelle eine medizinische Abklärung hinsichtlich der geltend gemachten gesundheitlichen Verschlechterung und deren Auswirkung auf die Eingliederung. Die Begutachtung der Medizinischen Abklärungsstelle (MEDAS) fand in der Zeit vom 9. bis 11. Februar 2004 statt; die entsprechende Expertise trägt das Datum vom 6. April 2004. Darin wird festgestellt, schwere körperliche Arbeiten seien dem Versicherten nicht mehr zumutbar, hingegen bestehe für eine leichte bis mittelschwere Tätigkeit ohne Heben von Gewichten eine volle Arbeitsfähigkeit. Die Umschulung zur gewünschten Tätigkeit als Liegenschaftsverwalter bzw. Treuhänder sei möglich; auch aus psychiatrischer Sicht bestehe kein Einwand. Mit Verfügung vom 11. Oktober 2004 erteilte die IV-Stelle L.________ Kostengutsprache für die Umschulung zum Immobilientreuhänder inklusive kaufmännische Vorbereitung in der Zeit vom 20. September 2004 bis 30. November 2006 und eröffnete ihm, er habe während der beruflichen Massnahme Anspruch auf Taggelder (separate Verfügung vom 19. Oktober 2004). Mit einer weiteren Verfügung vom 14. Dezember 2004 wurde dem Versicherten zudem vom 12. Februar bis 19. September 2004 ein Wartezeittaggeld zugesprochen. Daran hielt die IV-Stelle auch auf Einsprache hin fest (Entscheid vom 27. Juni 2005). 
B. 
Die AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau wies die dagegen erhobene Beschwerde, mit welcher beantragt wurde, in Aufhebung des Einspracheentscheides sei der Beginn des Anspruchs auf Wartezeittaggeld auf den 1. September 2002, eventuell auf den 21. Februar 2003, festzusetzen, mit Entscheid vom 1. März 2006 ab. 
C. 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde erneuert L.________ die vorinstanzlich gestellten Rechtsbegehren. 
 
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
 
1. 
1.1 Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110) in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Damit wurden das Eidgenössische Versicherungsgericht und das Bundesgericht in Lausanne zu einem einheitlichen Bundesgericht (an zwei Standorten) zusammengefügt (Seiler/von Werdt/ Güngerich, Bundesgerichtsgesetz [BGG], Bern 2007, S. 10 Rz 75) und es wurde die Organisation und das Verfahren des obersten Gerichts umfassend neu geregelt. Dieses Gesetz ist auf die nach seinem Inkrafttreten eingeleiteten Verfahren des Bundesgerichts anwendbar, auf ein Beschwerdeverfahren jedoch nur dann, wenn auch der angefochtene Entscheid nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ergangen ist (Art. 132 Abs. 1 BGG). Da der kantonale Gerichtsentscheid am 1. März 2006 und somit vor dem 1. Januar 2007 erlassen wurde, richtet sich das Verfahren nach dem bis 31. Dezember 2006 in Kraft gestandenen Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege (OG) vom 16. Dezember 1943 (vgl. BGE 132 V 393 [I 618/06] E. 1.2 S. 395). 
1.2 Im Weiteren betrifft der angefochtene Entscheid Leistungen der Invalidenversicherung. Nach Art. 132 Abs. 1 OG in der Fassung gemäss Ziff. III des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Änderung des IVG (in Kraft seit 1. Juli 2006) kann das Eidgenössische Versicherungsgericht (nunmehr: Bundesgericht, vgl. Erwägung 1.1) in Verfahren um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen in Abweichung von den Art. 104 und 105 OG auch die Unangemessenheit der angefochtenen Verfügung beurteilen und ist an die vorinstanzliche Feststellung des Sachverhalts nicht gebunden. Gemäss Art. 132 Abs. 2 OG gelten diese Abweichungen nicht, wenn der angefochtene Entscheid Leistungen der Invalidenversicherung betrifft. Nach Ziff. II lit. c des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 ist indessen bisheriges Recht auf die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Änderung beim Gericht hängigen Beschwerden anwendbar. Da die hier zu beurteilende Beschwerde am 1. Juli 2006 beim Eidgenössischen Versicherungsgericht hängig war, richtet sich dessen Kognition noch nach der bis Ende Juni 2006 gültigen Fassung von Art. 132 OG, die dem neuen Abs. 1 entspricht. 
2. 
Der Versicherte, der zu mindestens 50 Prozent arbeitsunfähig ist und auf den Beginn bevorstehender Eingliederungsmassnahmen warten muss, hat für die Wartezeit Anspruch auf Taggeld. Der Anspruch beginnt im Zeitpunkt, in welchem die IV-Stelle auf Grund ihrer Abklärungen feststellt, dass Eingliederungsmassnahmen angezeigt sind, spätestens aber vier Monate nach Eingang der Anmeldung (Art. 18 Abs. 1 und 2 IVV, erlassen gestützt auf Art. 22 Abs. 6 IVG in der seit 1. Januar 2004 geltenden Fassung). Der Anspruch auf das Taggeld während der Wartezeit setzt voraus, dass die versicherte Person in der gewohnten Erwerbstätigkeit im Sinne der Rechtsprechung eine mindestens 50%ige Arbeitsunfähigkeit aufweist und die Eingliederungsfähigkeit in subjektiver und objektiver Hinsicht soweit rechtsgenüglich erstellt ist, dass Eingliederungsmassnahmen - und nicht bloss Abklärungsmassnahmen - ernsthaft in Frage kommen. Nicht erforderlich ist hingegen, dass die Durchführung der Eingliederungsmassnahmen bereits beschlossen ist (BGE 117 V 277 Erw. 2a; Urteil G. vom 13. September 2006, I 163/06 mit Hinweisen). 
3. 
Es steht fest, dass der Beschwerdeführer Anspruch auf die am 20. September 2004 begonnene Umschulung und auf Taggelder für die Wartezeit hat, während welcher ihm keine Rente zusteht (vgl. Art. 18 Abs. 3 IVV). Streitig und zu prüfen ist der Beginn des Anspruchs auf die Wartezeittaggelder. 
3.1 Die kantonale Rekurskommission hat erwogen, die Parteien seien sich darüber einig, dass der Beschwerdeführer in seiner angestammten Tätigkeit zu mindestens 50 % arbeitsunfähig sei. Strittig sei die Eingliederungsfähigkeit. Diese sei erst bei Vorliegen des MEDAS-Gutachtens wieder ausgewiesen gewesen, weshalb erst ab dem Zeitpunkt der Begutachtung wieder Eingliederungsmassnahmen angezeigt gewesen seien. 
3.2 Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe sich bereits einige Wochen nach Eingang des Einspracheentscheides vom 10. Juli 2003 über die Ausbildung zum Immobilientreuhänder informiert. Er habe vorerst den Entscheid auf seine Einsprache vom 21. März 2003 abwarten müssen, bevor er die IV-Stelle über eine allfällige Verbesserung seines Gesundheitszustandes habe orientieren können. Nicht begründet wird, weshalb das Wartezeittaggeld bereits nach Beendigung der Taggeldzahlungen für die nicht abgeschlossene Umschulung zum Fitness-Instruktor auf Ende August 2002 gefordert wird. 
4. 
4.1 Nach Lage der Akten durfte die IV-Stelle am 1. September 2002 davon ausgehen, dass die von ihr bewilligte Umschulung zum Fitness-Instruktor erfolgreich abgeschlossen werden konnte. Daran ändert auch das Schreiben vom 20. Dezember 2001 nichts, da der Beschwerdeführer sich auch darin optimistisch zeigte, den theoretischen Teil der Ausbildung im Jahre 2002 erfolgreich abschliessen zu können. Weitere Informationen zum Verlauf der Umschulung oder zu seinem Gesundheitszustand liess er der IV-Stelle nicht zukommen. Dies auch nicht auf mehrmalige ausdrückliche Bitte und Aufforderung hin. Demnach steht fest, dass am 1. September 2002 keinesfalls eine - weitere - Umschulungsmassnahme ins Auge gefasst oder bereits konkret geplant war. Damit entfällt zu jenem Zeitpunkt auch ein Anspruch auf Wartezeittaggeld. 
4.2 Erst mit seiner Einsprache vom 21. März 2003 gegen die Feststellungsverfügung vom 21. Februar 2003 hat der Beschwerdeführer die IV-Stelle konkret über seine seit März 2001 bestehenden gesundheitlichen Schwierigkeiten orientiert. Konkret führt er aus: "Wenn ich zurzeit auch mit den notwendigen Medikamenten entsprechend behandelt werde, ist es mir absolut unmöglich, mich für längere Zeit auf etwas zu konzentrieren, ohne dass ich einschlafe ... Werden mit der Behandlung meiner Beschwerden nicht bessere Erfolge erzielt, ist für mich auch in der nächsten Zeit nicht möglich, diese berufliche Massnahmen abzuschliessen. Im weiteren ist es auch sehr schwierig, eine konkrete Aussage für die Zukunft vorzunehmen." Wenn der Beschwerdeführer aber im Frühling 2003 mangels Konzentrationsfähigkeit nicht fähig war, sich auf - irgendeine - theoretische Prüfung vorzubereiten, war er auch zu jenem Zeitpunkt objektiv und subjektiv nicht eingliederungsfähig. Zu Recht veranlasste die IV-Stelle deshalb eine umfassende MEDAS-Begutachtung. Bevor das Ergebnis der Abklärung vorlag, war es ungewiss, ob der Beschwerdeführer aus gesundheitlichen Gründen überhaupt fähig wäre, eine weitere Umschulung zu bestehen. Eine solche kam auf Grund der Darstellung des Gesundheitszustandes in der Einsprache vom März 2003 eigentlich nicht mehr in Frage. Erst auf Grund der Begutachtung stand fest, dass er aus gesundheitlichen Gründen überhaupt in der Lage war, eine - weitere - Umschulung in Betracht zu ziehen. Angesichts der Vielzahl der von der Invalidenversicherung finanzierten beruflichen Massnahmen - bei der Ausbildung zum Immobilientreuhänder handelt es sich um die fünfte - war eine umfassende Abklärung der Eingliederungsfähigkeit angezeigt. Damit wurde ihm zu Recht nicht vor dem 12. Februar 2004 ein Wartezeittaggeld zugesprochen. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, der AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau, der Ausgleichskasse des Kantons Thurgau und dem Bundesamt für Sozialversicherungen zugestellt. 
Luzern, 9. März 2007 
 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: