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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1B_50/2010 
 
Urteil vom 9. März 2010 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Féraud, Präsident, 
Bundesrichter Reeb, Eusebio, 
Gerichtsschreiberin Schoder. 
 
Parteien 
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Fingerhuth, 
 
gegen 
 
Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich, Gewaltdelikte, Molkenstrasse 15/17, Postfach, 
8026 Zürich. 
 
Gegenstand 
Fortsetzung Untersuchungshaft, 
 
Beschwerde gegen die Verfügung vom 12. Februar 2010 des Bezirksgerichts Zürich, Haftrichter. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
X.________ wird vorgeworfen, am 17. Juli 2009 an einem bewaffneten Raubüberfall teilgenommen zu haben. Es wird gegen ihn unter anderem wegen versuchter Tötung ermittelt. Der Angeschuldigte stellte sich der Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich am 21. Juli 2009 und befindet sich seit dem 24. Juli 2009 in Untersuchungshaft. 
 
Am 9. Februar 2010 ersuchte X.________ um Haftentlassung. Der Haftrichter des Bezirksgerichts Zürich wies das Gesuch mit Verfügung vom 12. Februar 2010 wegen Kollusions- und Fluchtgefahr ab und bestätigte die Haftverlängerung bis zum 24. April 2010. 
 
B. 
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X.________ die Aufhebung der haftrichterlichen Verfügung und Entlassung aus der Untersuchungshaft. Ferner ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege im Verfahren vor Bundesgericht. 
 
C. 
Der Haftrichter verzichtet auf Vernehmlassung. Der zuständige Staatsanwalt schliesst auf Beschwerdeabweisung. Der Beschwerdeführer hat unter Aufrechterhaltung seiner Anträge repliziert. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Die Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt und geben zu keinen besonderen Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde ist somit einzutreten. 
 
2. 
2.1 Wegen der formellen Natur des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist die diesbezüglich erhobene Rüge vorab zu behandeln. Der Beschwerdeführer macht geltend, der Haftrichter habe den Haftgrund der Fluchtgefahr nicht genügend begründet. Erstens habe der Haftrichter lediglich auf eine früher ergangene Haftverfügung vom 21. Januar 2010 verwiesen, was verfassungsrechtlich nicht zulässig sei, und zweitens ergebe sich aus der besagten Verfügung nicht ausreichend deutlich, weshalb von Fluchtgefahr auszugehen sei. 
 
2.2 Aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) fliesst die Pflicht der Behörde, ihren Entscheid zu begründen. Dabei ist es nicht erforderlich, dass sie sich mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen widerlegt. Vielmehr kann sie sich auf die für den Entscheid wesentlichen Punkte beschränken. Die Begründung muss so abgefasst sein, dass sich der Betroffene über die Tragweite des Entscheids Rechenschaft geben und ihn in voller Kenntnis der Sache an die höhere Instanz weiterziehen kann (BGE 134 I 83 E. 4.1 S. 88 mit Hinweisen). 
 
2.3 Der Haftrichter verwies zur Begründung der Fluchtgefahr auf eine frühere Haftverfügung vom 21. Januar 2010. Soweit sich daraus mit hinreichender Klarheit ergibt, weshalb Fluchtgefahr angenommen wird, ist die Begründung unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten praxisgemäss nicht zu beanstanden. 
 
Gemäss der besagten Haftverfügung hat der Beschwerdeführer als Staatsangehöriger von Bosnien und Herzegowina zwar einen festen Wohnsitz in der Schweiz und eine Niederlassungsbewilligung. Jedoch sei nicht zu verkennen, dass er angesichts der drohenden mehrjährigen Freiheitsstrafe sowie seines beachtlichen Vorstrafenregisters versucht sein könnte, unterzutauchen oder sich in sein Heimatland abzusetzen, womit der Haftgrund der Fluchtgefahr gegeben sei. 
 
Aufgrund dieser Ausführungen kann der Beschwerdeführer ohne Weiteres erkennen, aus welchen Gründen - Erwartung einer langen Freiheitsstrafe, ausländische Staatsangehörigkeit - der Haftrichter Fluchtgefahr annimmt. Der Haftrichter hat der Begründungspflicht damit Genüge getan. 
 
3. 
3.1 Sodann bestreitet der Beschwerdeführer die Kollusions- und Fluchtgefahr und rügt eine Verletzung der persönlichen Freiheit. 
 
3.2 Gemäss § 58 Abs. 1 Ziff. 1 der Strafprozessordnung des Kantons Zürich vom 4. Mai 1919 (StPO/ZH) ist die Anordnung und Fortdauer der Untersuchungshaft unter anderem zulässig, wenn der Angeschuldigte eines Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtigt wird und aufgrund bestimmter Anhaltspunkte Fluchtgefahr ernsthaft zu befürchten ist. Die Untersuchungshaft ist durch mildere Massnahmen zu ersetzen, sofern sich der Haftzweck auch auf diese Weise erreichen lässt (§ 58 Abs. 4 i.V.m. § 72 f. StPO/ZH). 
 
3.3 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts zur Verhältnismässigkeit der Einschränkung der persönlichen Freiheit durch strafprozessuale Haft (Art. 10 Abs. 2, Art. 31 Abs. 1 BV, Art. 5 Ziff. 1 lit. c EMRK) braucht es für die Annahme von Fluchtgefahr eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass sich der Angeschuldigte, wenn er in Freiheit wäre, der Strafverfolgung und dem Vollzug der Strafe durch Flucht entziehen würde. Die Schwere der drohenden Strafe darf als ein Indiz für Fluchtgefahr gewertet werden. Sie genügt jedoch für sich allein nicht, um den Haftgrund zu bejahen. Vielmehr müssen die konkreten Umstände des betreffenden Falles, insbesondere die gesamten Lebensverhältnisse des Angeschuldigten, in Betracht gezogen werden (BGE 125 I 60 E. 3a S. 62; 117 Ia 69 E. 4a S. 70; je mit Hinweisen). 
 
3.4 Wie oben gesagt begründet der Haftrichter die Fluchtgefahr nicht nur mit der Höhe der zu erwartenden Freiheitsstrafe, sondern auch mit dem Umstand, dass der Beschwerdeführer als Ausländer leichter versucht sein könnte, sich der Strafe zu entziehen. In seiner Vernehmlassung weist der Staatsanwalt überdies darauf hin, dass der Beschwerdeführer mehrfach vorbestraft ist und aufgrund des kriminellen Verhaltens mit dem Verlust der Aufenthaltsbewilligung gerechnet werden muss. Der Beschwerdeführer sei ungebunden und habe keine Kinder in der Schweiz, so dass es für ihn nicht schwer sein werde, sich in seiner Heimat niederzulassen. 
 
Die genannten Umstände - Erwartung einer schweren Freiheitsstrafe, mehrfache Vorstrafen, ausländische Staatsangehörigkeit und keine tiefe Verwurzelung in der Schweiz - reichen zur Annahme von Fluchtgefahr aus. Inwiefern der Fluchtgefahr im vorliegenden Fall mit Ersatzmassnahmen begegnet werden könnte, ist nicht ersichtlich. Der Beschwerdeführer verfügt über kein Vermögen, so dass die Leistung einer Kaution nicht in Betracht kommt. Die Hinterlegung der Ausweisschriften kann umgangen werden, indem der Beschwerdeführer sich bei der diplomatischen Vertretung seines Staates neue Ausweispapiere besorgt. Die elektronische Überwachung fällt mit dem Verlassen des schweizerischen Staatsgebiets dahin. 
 
Die Bejahung der Fluchtgefahr und die Fortsetzung der Untersuchungshaft ist demnach verfassungskonform. Es erübrigt sich zu prüfen, ob auch der Haftgrund der Kollusionsgefahr gegeben wäre. 
 
4. 
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde unbegründet und demnach abzuweisen. Der Beschwerdeführer hat um unentgeltliche Rechtspflege im bundesgerichtlichen Verfahren ersucht. Diesem Gesuch kann entsprochen werden (vgl. Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird bewilligt. 
 
2.1 Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
2.2 Rechtsanwalt Thomas Fingerhuth, Zürich, wird zum unentgeltlichen Rechtsbeistand ernannt und für das bundesgerichtliche Verfahren aus der Bundesgerichtskasse mit Fr. 1'500.-- entschädigt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich und dem Bezirksgericht Zürich, Haftrichter, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 9. März 2010 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: 
 
Féraud Schoder