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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6B_230/2023  
 
 
Urteil vom 9. März 2023  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Präsidentin, 
Bundesrichter Muschietti, 
Bundesrichterin Koch, 
Gerichtsschreiberin Frey Krieger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Nordring 8, Postfach, 3001 Bern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Strafbefehl, unentschuldigtes Fernbleiben von der Hauptverhandlung, Rückzug der Einsprache; Kosten, Entschädigung, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Bern, Beschwerdekammer in Strafsachen, vom 25. Januar 2023 (BK 22 365). 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Die Regionale Staatsanwaltschaft Emmental-Oberaargau sprach den Beschwerdeführer mit Strafbefehl vom 21. März 2022 der Beschimpfung schuldig und bestrafte ihn mit einer bedingt ausgesprochenen Geldstrafe. Dagegen erhob der Beschwerdeführer Einsprache. Mit Verfügung vom 23. März 2022 hielt die Staatsanwaltschaft am von ihr erlassenen Strafbefehl fest und überwies die Akten an das Regionalgericht Emmental-Oberaargau. Nachdem der Beschwerdeführer zur auf den 26. August 2022 anberaumten Hauptverhandlung nicht erschienen war, verfügte das Regionalgericht gleichentags, dass der Strafbefehl vom 21. März 2022 infolge Rückzugs der Einsprache in Rechtskraft erwachsen sei. Es auferlegte dem Beschwerdeführer die Gerichtskosten von Fr. 200.-- und verpflichtete ihn, dem Straf- und Zivilkläger eine Entschädigung von Fr. 150.-- zu bezahlen. Die dagegen erhobene Beschwerde des Beschwerdeführers hiess die Beschwerdekammer des Obergerichts des Kantons Bern mit Beschluss vom 25. Januar 2023 teilweise gut und zwar dahingehend, dass es die dem Straf- und Zivilkläger zugesprochene Entschädigung auf Fr. 114.-- reduzierte. Im Übrigen wies es die Beschwerde ab. Die Gerichtskosten wurden auf Fr. 900.-- festgelegt und im Umfang von 5/6, mithin im Betrag von Fr. 750.--, dem Beschwerdeführer auferlegt. 
Der Beschwerdeführer wendet sich an das Bundesgericht. Er macht im Wesentlichen geltend, der erstinstanzlichen Verhandlung nicht unentschuldigt fern geblieben zu sein, dass dem Straf- und Zivilkläger keine Entschädigung zustehe und moniert die (teilweise) Auferlegung der zweitinstanzlichen Gerichtskosten. 
 
2.  
Die Vorinstanz begründet ihren Beschluss damit, dass dem Beschwerdeführer die Vorladung vom 6. April 2022 zur Hauptverhandlung vom 26. August 2022 am 7. April 2022 zugestellt worden sei. Das Regionalgericht habe ihn darüber informiert, dass er zur Verhandlung persönlich zu erscheinen habe und ein Nichterscheinen als Rückzug der Einsprache gelte. Anzeichen für eine Fehlerhaftigkeit der Vorladung gebe es keine. Das Regionalgericht habe damit von einem unentschuldigten Fernbleiben ausgehen dürfen, zumal sich auch im Vorfeld der Verhandlung keine Hinweise dafür ergeben hätten, dass es dem Beschwerdeführer nicht möglich gewesen wäre, zu erscheinen. 
Zwar habe der Beschwerdeführer mit seiner Beschwerde auch "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand" beantragt. Da er aber im Vorfeld des Entscheids des Regionalgerichts nie geltend gemacht habe, über keine ausreichenden finanziellen Mittel zu verfügen, um an die Verhandlung nach Burgdorf zu reisen, es keine Hinweise dafür gebe, dass sich ein solcher (angeblicher) Engpass erst kurz vor der Verhandlung ergeben hätte und er auch vor der oberen Instanz nicht ansatzweise belege, dass er über keine ausreichenden finanziellen Mittel verfügt habe, um die Hin- und Rückreise von U.________ nach V.________ zu finanzieren, seien keinerlei Gründe für eine Wiederherstellung erkennbar. Zudem habe er seine mit "Beschwerde Einspruch" betitelte Eingabe entgegen der korrekten und unmissverständlichen Belehrung des Regionalgerichts nur der Beschwerdekammer zukommen lassen und während des ganzen oberinstanzlichen Schriftenwechsels nie geltend gemacht, dass auch ein Verfahren um Wiederherstellung durchzuführen sei. Damit sei davon auszugehen, dass er mit seiner Eingabe vom 2. September 2022 einzig ein Beschwerdeverfahren habe initiieren wollen und sei auf eine Weiterleitung derselben an das Regionalgericht verzichtet worden. 
Bezüglich der dem Straf- und Zivilkläger zugesprochenen Entschädigung von Fr. 150.-- seien dessen für eine Tageskarte geltend gemachten Kosten von Fr. 114.-- nicht zu beanstanden. Da indes die Verhandlung um 09.30 Uhr begonnen und eine Verhandlungsdauer von vier Stunden vorgesehen gewesen sei, sei es dem in Genf wohnhaften Straf- und Zivilkläger möglich und zumutbar gewesen, am selben Tag an- und abzureisen. Damit handle es sich bei den Kosten für das Hotel nicht um notwendige Kosten und könnten auch die Verpflegungskosten nicht als durch das Verfahren verursacht gelten. 
 
3.  
Anfechtungs- und Beschwerdeobjekt im bundesgerichtlichen Verfahren bildet ausschliesslich der Beschluss des Obergerichts des Kantons Bern (Art. 80 Abs. 1 BGG). Nicht zu hören ist der Beschwerdeführer mit Ausführungen und Vorbringen, die ausserhalb des durch den angefochtenen Beschluss begrenzten Streitgegenstands liegen. Dies ist der Fall, soweit er (zumindest sinngemäss) die Aufhebung der Verfügung des Regionalgerichts Emmental-Oberaargau und damit des Entscheids des erstinstanzlichen Gerichts beantragt. 
 
4.  
Nach Art. 42 Abs. 2 BGG ist in der Begründung einer Beschwerde in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt. Die Bestimmungen von Art. 95 ff. BGG nennen die vor Bundesgericht zulässigen Beschwerdegründe. Die Verletzung von Grundrechten einschliesslich von Willkür beim Sachverhalt prüft das Bundesgericht nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG). Auf ungenügend begründete Rügen tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 147 IV 73 E. 4.1.2). 
 
5.  
 
5.1. Die beschuldigte Person kann bei der Staatsanwaltschaft schriftlich Einsprache gegen den Strafbefehl erheben (Art. 354 Abs. 1 lit. a StPO). Hält die Staatsanwaltschaft am Strafbefehl fest, so überweist sie die Akten unverzüglich dem erstinstanzlichen Gericht zur Durchführung des Hauptverfahrens (Art. 356 Abs. 1 StPO). Bleibt die Einsprache erhebende Person der Hauptverhandlung unentschuldigt fern und lässt sie sich auch nicht vertreten, so gilt ihre Einsprache als zurückgezogen (Art. 356 Abs. 4 StPO).  
 
Der Strafbefehl ist mit der verfassungsrechtlichen Rechtsweggarantie (Art. 29a BV) und dem konventionsrechtlichen Anspruch aus Art. 6 Ziff. 1 EMRK nur vereinbar, weil es letztlich vom Willen des Beschuldigten abhängt, ob er diesen akzeptieren oder mit Einsprache vom Recht auf gerichtliche Überprüfung Gebrauch machen will (BGE 140 IV 82 E. 2.3). Der vom Gesetz an das unentschuldigte Fernbleiben geknüpfte (fingierte) Rückzug der Einsprache setzt deshalb voraus, dass sich der Beschuldigte der Konsequenzen seiner Unterlassung bewusst ist und er in Kenntnis der massgebenden Rechtslage auf die ihm zustehenden Rechte verzichtet. Zu verlangen ist daher, dass der Beschuldigte hinreichend über die Folgen des unentschuldigten Fernbleibens in einer ihm verständlichen Weise belehrt wird (Urteil 6B_324/2022 vom 16. Dezember 2022 E. 2.3.1 mit Hinweisen). 
 
5.2. Mit den Erwägungen der Vorinstanz, gemäss welchen er lediglich ein Beschwerdeverfahren und kein Verfahren um Wiederherstellung habe initiieren wollen, setzt sich der Beschwerdeführer nicht auseinander. Darauf ist dementsprechend nicht weiter einzugehen (Art. 42 Abs. 2 BGG).  
Damit kann es nur darum gehen, ob die Vorinstanzen Art. 356 Abs. 4 StPO richtig angewandt haben, d.h. sie vorliegend von einem unentschuldigten Fernbleiben von der Hauptverhandlung ausgehen durften und sie zu Recht annahmen, die Einsprache gegen den Strafbefehl gelte als zurückgezogen und das Verfahren sei abzuschreiben. Hierzu bringt der Beschwerdeführer lediglich vor, dass er fristgerecht Einsprache erhoben habe und die erste Instanz anhand der im Vorfeld ergangenen Korrespondenz und der Akten " (Protokolle) " darüber in Kenntnis gesetzt gewesen sei, dass er vom Sozialamt unterstützt werde und er über keine finanziellen Mittel verfüge. Entsprechend sei es ihm nicht möglich gewesen, zu erscheinen. 
Gemäss den unbestritten gebliebenen Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz (Art. 105 Abs. 1 BGG) ist der Beschwerdeführer ordnungsgemäss vorgeladen und über seine Erscheinungspflicht und die Säumnisfolgen (gemäss Art. 356 Abs. 4 StPO) im Unterlassungsfall belehrt worden. Mithin macht der Beschwerdeführer weder geltend, dass er die fragliche Vorladung samt Belehrung nicht erhalten hätte, noch dass die Belehrung unklar gewesen wäre respektive er diese nicht verstanden hätte oder aber er sich der Konsequenzen eines unentschuldigten Fernbleibens nicht bewusst gewesen wäre. Insofern er mit seinen Vorbringen geltend machen will, der erstinstanzlichen Hauptverhandlung deswegen nicht unentschuldigt, mithin entschuldigt ferngeblieben zu sein, weil die erste Instanz Kenntnis von seiner angespannten finanziellen Situation gehabt habe, verfängt dies nicht. Selbst wenn die erste Instanz wusste, dass er vom Sozialamt unterstützt wird, ergibt sich daraus nicht per se, dass keine finanziellen Mittel für die Anreise zu einem Gerichtstermin vorhanden sind und erlaubt dies erst recht nicht den vom Beschwerdeführer eigenmächtig gezogenen Schluss eines entschuldigten Fernbleibens. Art. 205 Abs. 1 StPO bestimmt, dass der Vorladung Folge zu leisten hat, wer von einer Strafbehörde vorgeladen wird; gemäss Art. 205 Abs. 2 StPO ist der vorladenden Behörde unverzüglich mitzuteilen, wenn einer Vorladung wegen einer Verhinderung nicht Folge geleistet werden kann. Dass der Beschwerdeführer letzteres entgegen den vorinstanzlichen Erwägungen getan hätte, wird von ihm weder behauptet noch dargetan; ebenso wenig, weshalb ihm dies nicht möglich gewesen wäre. Zusammenfassend ist damit nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz anhand der Passivität des Beschwerdeführers implizit auf dessen Desinteresse geschlossen hat und von der gesetzlichen Rückzugsfiktion gemäss Art. 356 Abs. 4 StPO ausgegangen ist. 
Nicht weiter einzugehen ist auf das Vorbringen des Beschwerdeführers, gemäss welchem es sich bei den dem Straf- und Zivilkläger für Billettkosten entschädigten Aufwendungen um "fiktive Kosten" handle. Hierbei handelt es sich um eine rein appellatorische Kritik am vorinstanzlichen Beschluss. Mit dieser vermag der Beschwerdeführer nicht darzutun, inwiefern die Vorinstanz in Willkür verfällt, wenn sie anhand des erstinstanzlichen Protokolls und unter dem Hinweis, dass der in Genf wohnhafte Staf- und Zivilkläger zum persönlichen Erscheinen verpflichtet worden war, zum Schluss gelangt, dass dieser an der erstinstanzlichen Hauptverhandlung anwesend, mithin nach V.________ gereist war (Art. 106 Abs. 2 BGG). Ebenso wenig vermag er mit seinem blossen Hinweis darauf, dass eine Tageskarte auch für Fr. 49.-- erhältlich sei, aufzuzeigen, inwiefern die Vorinstanz gegen Recht verstösst, wenn sie die für ein reguläres Hin- und Rückfahrtbillett (ohne Halbtaxabonnement) anfallenden bzw. die Kosten für eine sogar leicht günstigere (reguläre) Tageskarte berücksichtigt (Art. 42 Abs. 2 BGG). 
Nicht nachvollziehbar sind schliesslich die Ausführungen des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit der monierten Kostenauflage bzw. dem Antrag, dass die Kosten gestützt auf das Verursacherprinzip dem Straf- und Zivilkläger aufzuerlegen seien. Mithin erschliesst sich nicht, inwiefern der Umstand, "dass die ursprüngliche Strafanzeige durch den Zivilkläger erfolgte", die von der Vorinstanz vorgenommene Kostenverteilung als falsch erscheinen lassen könnte, respektive inwiefern der Straf- und Zivilkläger "als in der Strafsache unterlegene Partei" zu gelten hätte. Darauf ist nicht weiter einzugehen. 
 
5.3. Soweit die Beschwerde den Begründungsanforderungen zu genügen vermag, erweisen sich die erhobenen Rügen als offensichtlich unbegründet. Die Beschwerde ist damit im Verfahren nach Art. 109 BGG abzuweisen, soweit darauf überhaupt eingetreten werden kann.  
 
6.  
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Das sinngemässe Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist in Anwendung von Art. 64 BGG wegen Aussichtslosigkeit der Rechtsbegehren abzuweisen. Der finanziellen Lage des Beschwerdeführers ist mit reduzierten Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, Beschwerdekammer in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 9. März 2023 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Jacquemoud-Rossari 
 
Die Gerichtsschreiberin: Frey Krieger