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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
8C_626/2017  
 
 
Urteil vom 9. Mai 2018  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin, 
Gerichtsschreiber Nabold. 
 
Verfahrensbeteiligte 
IV-Stelle des Kantons Zürich, 
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
A.________, 
ertreten durch Rechtsanwalt Massimo Aliotta, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Invalidenrente), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich 
vom 16. Juni 2017 (IV.2017.00035). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die 1976 geborene A.________ war zuletzt als Pflegehelferin in einem Alterszentrum erwerbstätig gewesen, als sie sich am 4. Juli 2007 unter Hinweis auf Schulterbeschwerden bei der IV-Stelle des Kantons Zürich zum Leistungsbezug anmeldete. Nach einem längeren Verfahren, unter anderem unterbrochen durch zwei Gerichtsverfahren vor dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich betreffend der Zulässigkeit weiterer medizinischer Abklärungen, sprach die IV-Stelle der Versicherten schliesslich mit Verfügungen vom 30. November 2016 für die Zeiträume vom 1. Januar bis zum 31. Mai 2007, vom 1. März bis 30. Juni 2009 und vom 1. Februar bis 31. Mai 2012 je eine befristete ganze Rente der Invalidenversicherung zu. 
 
B.   
Die von A.________ hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 16. Juni 2017 in dem Sinne teilweise gut, als es der Versicherten die folgenden Rentenleistungen der Invalidenversicherung zusprach: 
 
- vom 1. Dezember 2006 bis 30. Juni 2007: eine ganze Rente, 
- vom 1. Juli 2007 bis 28. Februar 2009: eine Dreiviertelsrente, 
- vom 1. März 2009 bis 30. Juni 2009: eine ganze Rente, 
- vom 1. Juli 2009 bis 31. März 2010: eine Dreiviertelsrente, 
- vom 1. Februar 2012 bis 31. Mai 2012: eine ganze Rente, 
- vom 1. November 2013 bis 30. November 2014: eine Viertelsrente, 
- ab 1. Dezember 2014 eine ganze Rente. 
Für die Zeiträume vor dem 1. Dezember 2006, vom 1. April 2010 bis 31. Januar 2012 und vom 1. Juni 2012 bis 31. Oktober 2013 verneinte das kantonale Gericht einen Rentenanspruch der Versicherten. 
 
C.   
Mit Beschwerde beantragt die IV-Stelle, der Versicherten seien unter Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheides Rentenleistungen wie folgt zuzusprechen: 
 
- vom 1. Januar 2007 bis 31. Mai 2007: eine ganze Rente, 
- vom 1. Juni 2007 bis 28. Februar 2009: eine Dreiviertelsrente, 
- vom 1. März 2009 bis 30. Juni 2009: eine ganze Rente, 
- vom 1. Juli 2009 bis 31. März 2010: eine Dreiviertelsrente, 
- vom 1. Februar 2012 bis 31. Mai 2012: eine ganze Rente. 
Für die übrigen Zeiten sei der Versicherten keine Rente zu gewähren. Eventuell sei die Sache zu weiteren Abklärungen an sie zurückzuweisen, subeventuell sei der Versicherten zusätzlich zu den obgenannten Zeiten noch ab Dezember 2014 ein ganze Rente der Invalidenversicherung zuzusprechen. 
Während A.________ auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung. 
 
D.   
Mit Verfügung vom 3. November 2017 hat der Abteilungspräsident der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt. 
 
E.   
Den Parteien wurde vom Bundesgericht die Möglichkeit eingeräumt, sich zu allfälligen Folgerungen, welche sich aus dem BGE 143 V 409 für die vorliegend streitige Sache ergeben, zu äussern. Die Parteien hielten daraufhin an ihren Anträgen fest. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).  
 
1.2. Das Bundesgericht kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Überdies muss die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein (Art. 97 Abs. 1 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG).  
Die beschwerdeführende Partei, welche die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz anfechten will, muss substanziiert darlegen, inwiefern die Voraussetzungen einer Ausnahme gemäss Art. 105 Abs. 2 BGG gegeben sind und das Verfahren bei rechtskonformer Ermittlung des Sachverhalts anders ausgegangen wäre; andernfalls kann ein Sachverhalt, der vom im angefochtenen Entscheid festgestellten abweicht, nicht berücksichtigt werden (BGE 140 III 16 E. 1.3.1 S. 18 mit Hinweisen). 
 
1.3. Gemäss Art. 42 Abs. 1 BGG hat die Beschwerdeschrift die Begehren und deren Begründung zu enthalten; im Rahmen der Begründung ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt, das Grund (Art. 95 ff. BGG) einer Beschwerde beim Bundesgericht bilden kann (Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 136 I 49 E. 1.4.1 S. 53). Aus der Beschwerdeschrift muss ersichtlich sein, in welchen Punkten und weshalb der angefochtene Entscheid beanstandet wird. Der blosse Hinweis auf frühere Rechtsschriften oder auf den angefochtenen Entscheid genügt den Begründungsanforderungen nicht (BGE 134 I 303 E. 1.3 S. 306; 134 II 244 E. 2.1 S. 245; vgl. BGE 131 II 449 E. 1.3 S. 452; 123 V 335 E. 1a S. 336).  
Soweit die IV-Stelle die Zusprache einer Rente bereits für den Monat Dezember 2006 rügt, erfüllt ihre Beschwerde diese Anforderungen nicht. Insoweit ist somit auf das Rechtsmittel nicht einzutreten. 
 
2.   
Aus dem Vergleich der Rechtsbegehren der Beschwerdeführerin mit dem Dispositiv des kantonalen Entscheides ergibt sich unter Berücksichtigung vorstehender E. 1.3, dass letztinstanzlich nur noch die Höhe der Rente für den Monat Juni 2007 sowie die Rentenleistungen ab November 2013 streitig sind. Die Rentenzusprachen und -verweigerungen für die übrigen Zeiten liegen demgegenüber nunmehr ausser Streit. 
 
3.  
 
3.1. Der Anspruch auf Leistungen der Invalidenversicherung setzt unter anderem voraus, dass die versicherte Person invalid oder von Invalidität unmittelbar bedroht ist. Invalidität ist gemäss Art. 8 Abs. 1 ATSG die voraussichtlich bleibende oder längere Zeit dauernde ganze oder teilweise Erwerbsunfähigkeit.  
 
3.2. Eine Verbesserung der Erwerbsfähigkeit oder der Fähigkeit, sich im Aufgabenbereich zu betätigen ist für die Herabsetzung oder Aufhebung der Leistung gemäss Art. 88a Abs. 1 IVV von dem Zeitpunkt an zu berücksichtigen, in dem angenommen werden kann, dass sie voraussichtlich längere Zeit dauern wird. Sie ist in jedem Fall zu berücksichtigen, nachdem sie ohne wesentliche Unterbrechung drei Monate gedauert hat und voraussichtlich weiterhin andauern wird. Diese Bestimmung ist bei rückwirkender Zusprechung einer abgestuften oder befristeten Invalidenrente analog anzuwenden.  
 
4.   
Gemäss den unbestritten gebliebenen vorinstanzlichen Feststellungen besserte sich der Gesundheitszustand der Versicherten zum 28. Februar 2007; nach diesem Datum war sie im Haushaltsbereich nicht mehr vollständig arbeitsunfähig. Unter Berücksichtigung der Dreimonatsfrist gemäss Art. 88a Abs. 1 IVV endete somit ihr Anspruch auf eine ganze Rente der Invalidenversicherung auf Ende Mai 2007; für den hier streitigen Monat Juni 2007 ist - wie die Beschwerdeführerin zutreffend ausführt - der Versicherten lediglich ein Anspruch auf eine Dreiviertelsrente zuzusprechen. In diesem Umfang ist die Beschwerde der IV-Stelle gutzuheissen und der offensichtliche Fehler der Vorinstanz in der Berechnung der Dreimonatsfrist zu korrigieren. 
 
5.   
Mit BGE 143 V 409 entschied das Bundesgericht im Sinne einer Praxisänderung, es sei sach- und systemgerecht, depressive Störungen leicht- bis mittelgradiger Natur ebenfalls einem strukturierten Beweisverfahren nach BGE 141 V 281 zu unterziehen. Dieses bleibe entbehrlich, wenn im Rahmen beweiswertiger fachärztlicher Berichte eine Arbeitsunfähigkeit in nachvollziehbar begründeter Weise verneint werde und allfälligen gegenteiligen Einschätzungen mangels fachärztlicher Qualifikation oder aus anderen Gründen kein Beweiswert beigemessen werden könne (E. 4.5). 
Mit BGE 143 V 418 änderte das Bundesgericht zudem seine bisherige Praxis insofern ab, als es feststellte, dass grundsätzlich sämtliche psychischen Erkrankungen einem strukturierten Beweisverfahren nach BGE 141 V 281 zu unterziehen seien (E. 6 f.). Weiter stellte es klar, es gehe fehl, ein Leiden als leicht einzustufen, weil diagnostisch kein Bezug zum Schweregrad desselben gefordert sei und ihm bereits deshalb eine versicherungsrechtlich relevante Einschränkung der Arbeitsfähigkeit abzusprechen (E. 5.2). Fortan sei E. 4.3.1.3 von BGE 141 V 281 so zu verstehen, dass Störungen unabhängig von ihrer Diagnose bereits dann als rechtlich bedeutsame Komorbidität in Betracht fielen, wenn ihnen im konkreten Fall ressourcenhemmende Wirkung beizumessen sei (E. 8.1). 
Diese neue Rechtsprechung ist vorliegend anwendbar (vgl. Urteil 8C_756/2017 vom 7. März 2018 E. 4 mit weiterem Hinweis). 
 
6.   
Was den Rentenanspruch in der Zeit ab November 2013 betrifft, so erfolgte die vorinstanzliche Leistungszusprache unter Mitberücksichtigung der sich aus einem psychischen Leiden ergebenden Einschränkungen. Die beschwerdeführende IV-Stelle rügt, ein invalidenversicherungsrechtlich relevantes psychisches Leiden sei nicht plausibel. Wie es sich damit nach der im Zeitpunkt des vorinstanzlichen Entscheides gültigen Rechtsprechung verhalten hat, muss vorliegend nicht näher geprüft werden: Jedenfalls nach der durch BGE 143 V 409 und 418 geänderten Rechtsprechung darf eine Leistungszusprechung aufgrund eines psychischen Leidens grundsätzlich nur nach Durchführung eines strukturierten Beweisverfahren im Sinne von BGE 141 V 281 erfolgen. Ein solches strukturiertes Beweisverfahren fand im vorliegenden Fall nicht statt. Dass es aus Gründen der Verhältnismässigkeit entbehrlich wäre, trifft nicht zu. Soweit den Rentenanspruch ab 1. November 2013 betreffend, ist daher die Beschwerde der IV-Stelle gutzuheissen, der vorinstanzliche Entscheid aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit diese, allenfalls nach weiteren medizinischen Abklärungen, ein solches Beweisverfahren durchführe und hernach über den Rentenanspruch der Versicherten neu entscheide. 
 
7.   
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Aufgrund des Verfahrensausganges rechtfertigt es sich, die Kosten der Beschwerdegegnerin aufzuerlegen. 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 16. Juni 2017 wird insoweit angepasst, als der Beschwerdegegnerin für den Monat Juni 2007 eine Dreiviertelsrente der Invalidenversicherung zugesprochen wird. Soweit einen Rentenanspruch für die Zeit ab 1. November 2013 betreffend, wird der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 16. Juni 2017 aufgehoben und die Sache zu neuem Entscheid an das kantonale Gericht zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 9. Mai 2018 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Der Gerichtsschreiber: Nabold