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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5A_93/2007 /blb 
 
Urteil vom 9. Juli 2007 
II. zivilrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Raselli, Präsident, 
Bundesrichterinnen Escher, Hohl, 
Gerichtsschreiber Zbinden. 
 
Parteien 
X.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwältin Manon Vogel, 
 
gegen 
 
Y.________, 
Beschwerdegegnerin, 
vertreten durch Rechtsanwältin Karin Koch Wick. 
 
Gegenstand 
Zuständigkeit des Schweizerischen Eheschutzrichters, 
 
Beschwerde in Zivilsachen gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Zivilgericht, 5. Kammer, vom 24. Januar 2007. 
 
Sachverhalt: 
A. 
A.a Y.________ (Beschwerdegegnerin) und X.________ (Beschwerdeführer) heirateten im August 2000 in S.________, im heutigen Serbien. Aus der Ehe ging der Sohn A.________ (geb. 2002) hervor. Die Parteien leben seit dem 1. Mai 2005 getrennt. 
A.b Mit Urteil vom 13. Dezember 2004 des Gemeindegerichts T.________ (Serbien) wurde die Ehe der Parteien geschieden. Der Sohn wurde dem Beschwerdeführer zu "Erziehung und Unterhalt" zugesprochen. Das Urteil sieht keine Unterhaltsbeiträge der Beschwerdegegnerin zuhanden des Kindes vor und regelt ebenso wenig deren Besuchsrecht. 
B. 
B.a Mit Klage vom 30. März 2005 stellte die Beschwerdegegnerin beim Gerichtspräsidium Brugg im Rahmen von Eheschutzmassnahmen das Begehren, es sei festzustellen, dass sie berechtigt sei, vom Beschwerdeführer getrennt zu leben. Diese Anordnung sei superprovisorisch ohne Anhörung des Beschwerdeführers zu treffen. Ferner stellte sie den Antrag, den gemeinsamen Sohn unter ihre Obhut zu stellen und dem Beschwerdeführer unter Strafandrohung gemäss Art. 292 StGB zu verbieten, die Schweiz mit dem gemeinsamen Kind zu verlassen, wobei sie auch bezüglich dieser Massnahme um superprovisorischen Erlass ersuchte. Mit Urteil vom 18. September 2006 trat der Gerichtspräsident auf die Anträge der Beschwerdegegnerin nicht ein, soweit diese nicht die Kinderbelange betreffen. Ferner beliess er das Kind unter der Obhut des Beschwerdeführers, regelte das Besuchsrecht der Beschwerdegegnerin und verbot dem Beschwerdeführer unter Androhung der Strafen nach Art. 292 StGB, mit dem Kind die Schweiz zu verlassen bzw. es ausser Landes zu bringen oder bringen zu lassen. Schliesslich ordnete er für die Belange des Besuchsrechts eine Beistandschaft im Sinne von Art. 308 Abs. 2 ZGB an. 
B.b Das Obergericht des Kantons Aargau hiess mit Urteil vom 24. Januar 2007 die Beschwerde der heutigen Beschwerdegegnerin gut, hob das Urteil des Gerichtspräsidiums Brugg vom 18. September 2006 auf und wies die Sache zur Durchführung eines Eheschutzverfahrens an die erste Instanz zurück. 
C. 
Mit Eingabe vom 19. März 2007 beantragt der Beschwerdeführer dem Bundesgericht, den obergerichtlichen Entscheid aufzuheben, die Beschwerde der heutigen Beschwerdegegnerin abzuweisen und festzustellen, dass der Eheschutzrichter nicht zuständig sei. Eventualiter sei der Eheschutzrichter anzuweisen, die Streitsache betreffend Regelung der Kinderbelange (elterliche Sorge und Unterhalt) an den zuständigen ordentlichen Richter des Bezirksgerichts Brugg zu überweisen; im Übrigen sei die Beschwerde abzuweisen; ferner stellt er einen Antrag bezüglich der Kosten des obergerichtlichen Verfahrens. Für das bundesgerichtliche Verfahren ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege. 
Die Beschwerdegegnerin beantragt, auf die Beschwerde nicht einzutreten, eventuell sie abzuweisen und den angefochtenen Entscheid zu bestätigen (act. 17 S. 2). Auch sie ersucht um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren. Das Obergericht hat auf Vernehmlassung verzichtet. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz über das Bundesgericht in Kraft getreten (BGG; SR 173.110; AS 2006 1205, 1243). Der angefochtene Entscheid ist nach Inkrafttreten des Gesetzes ergangen, weshalb dieses Gesetz anzuwenden ist (Art. 132 Abs. 1 BGG). 
2. 
2.1 Angefochten ist ein Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau, mit dem die Einrede der abgeurteilten Sache verworfen, das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Sache zur Durchführung eines Eheschutzverfahrens an die erste Instanz zurückgewiesen worden ist. Dieser Entscheid schliesst das Eheschutzverfahren - entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers - nicht ab und stellt somit keinen Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG dar. 
2.2 Der vorliegende Rückweisungsentscheid beruht weder auf einer ausdrücklichen Vorschrift des Bundesrechts über die sachliche und örtliche Zuständigkeit noch auf entsprechenden Zuständigkeitsregeln, die sich sinngemäss aus einer einzelnen Norm oder aus der Gesamtheit der bundesrechtlichen Ordnung ergeben (vgl. BGE 97 I 55 E. 2 S. 56). Damit liegt kein Zwischenentscheid über die Zuständigkeit im Sinne von Art. 92 Abs. 1 BGG vor. Gegen selbständig eröffnete Zwischenentscheide ist nach Art. 93 Abs. 1 BGG die Beschwerde zulässig, wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können (lit. a) oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (lit. b). 
Der nicht wieder gutzumachende Nachteil gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG entspricht dem nicht wiedergutzumachenden Nachteil von Art. 87 Abs. 2 OG. Vorausgesetzt wird somit auch bei Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG ein Nachteil rechtlicher Natur (Botschaft zur Totalrevision der Bundesrechtspflege vom 28. Februar 2001, 4.1.4.1, S. 4333 f.), mithin ein Nachteil, der auch durch einen für den Beschwerdeführer günstigen Endentscheid des Bundesgerichts nicht mehr behoben werden könnte (vgl. BGE 126 I 97 E. 1b S. 100 f. mit Hinweisen). An diesem rechtlichen Nachteil dürfte es in der Regel fehlen, zumal der betreffende Zwischenentscheid zusammen mit dem Endentscheid angefochten werden kann, soweit er sich auf den Endentscheid auswirkt (Art. 93 Abs. 3 BGG). Zudem ist die Voraussetzung gemäss lit. a auf den vorliegenden Zwischenentscheid nicht zugeschnitten, geht es dem Beschwerdeführer doch darum, mit der Beschwerde gegen den Zwischenentscheid einen tatsächlichen Nachteil zu beheben, nämlich eine Verlängerung und Verteuerung des Verfahrens zu umgehen (vgl. dazu: BGE 120 Ib 97 E. 1c S. 100). Auf die Behebung dieses Nachteils ist Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG ausgerichtet. Bei Zwischenentscheiden der vorliegenden Art gilt es somit in der Regel ausschliesslich danach zu fragen, ob die Voraussetzungen von lit. b gegeben sind. 
2.3 Nach der Rechtsprechung zur Berufungsfähigkeit von Zwischenentscheiden nach Massgabe von Art. 50 Abs. 1 OG, welcher dem Wortlaut von Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG im Wesentlichen entspricht, war auf eine Berufung von vornherein nicht einzutreten, wenn der Berufungskläger überhaupt nicht dartat, warum ein Ausnahmefall vorliegt, mithin die Eintretensfrage schlechthin übersah. Wo er aber ausdrücklich geltend machte, die Bedingungen von Art. 50 Abs. 1 OG seien erfüllt, war zu differenzieren: Lag klar auf der Hand, dass ein bedeutender Aufwand an Zeit und Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren erforderlich sein wird, d.h. ging das bereits unzweifelhaft aus dem angefochtenen Urteil oder aus der Natur des Falles hervor, durfte auf lange Ausführungen verzichtet werden. Andernfalls hatte der Berufungskläger im Einzelnen darzutun, welche Tatfragen offen sind und welche weitläufigen Beweiserhebungen in welchem zeitlichen und kostenmässigen Umfang erforderlich sind. Überdies hatte er unter Angabe der Fundstelle nachzuweisen, dass er die betreffenden Beweise im kantonalen Verfahren bereits angerufen oder entsprechende Anträge in Aussicht gestellt hatte (BGE 116 II 741 E. 1; 118 II 91 E. 1a). Angesichts des weitgehend übereinstimmenden Wortlautes von Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG mit jenem von Art. 50 Abs. 1 OG ist die hierzu entwickelte Rechtsprechung auf die nunmehr geltende Bestimmung anzuwenden. 
2.4 Der Beschwerdeführer hat die Eintretensfrage übersehen und behauptet auch nicht sinngemäss, durch die Herbeiführung eines Endentscheides könnte ein bedeutender Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren erspart werden. Auf die Beschwerde ist daher nicht einzutreten. 
3. 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend ist die Gerichtsgebühr dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Überdies hat er die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen (Art. 68 Abs. 1 BGG). 
4. 
Dem Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege kann wegen offensichtlicher Aussichtslosigkeit nicht stattgegeben werden (Art. 64 Abs. 1 BGG). Das entsprechende Gesuch der Beschwerdegegnerin ist demgegenüber gutzuheissen, soweit es nicht gegenstandslos geworden ist. Die Beschwerdegegnerin ist - wie sie im vorliegenden Verfahren belegt hat - bedürftig und ihr Standpunkt war nicht aussichtslos (Art. 64 Abs. 1 BGG). Ihr ist für das vorliegende Verfahren ein amtlicher Anwalt zu bestimmen, welchem im Falle der Uneinbringlichkeit der zugesprochenen Entschädigung ein Honorar aus der Bundesgerichtskasse zu entrichten ist (Art. 64 Abs. 2 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
2. 
Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen; jenes der Beschwerdegegnerin wird gutgeheissen, soweit es nicht gegenstandslos geworden ist. Ihr wird Rechtsanwältin Karin Koch Wick beigegeben. 
3. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 
4. 
Der Beschwerdeführer hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1'000.-- zu entschädigen. Im Fall der Uneinbringlichkeit der Parteientschädigung wird Rechtsanwältin Karin Koch Wick ein Honorar von Fr. 1'000.-- aus der Bundesgerichtskasse entrichtet. 
5. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Zivilgericht, 5. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 9. Juli 2007 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: