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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
U 116/04 
 
Urteil vom 9. August 2004 
IV. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Ferrari, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Ursprung; Gerichtsschreiber Grunder 
 
Parteien 
Y.________, 1965, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Eric Schuler, Frankenstrasse 3, 6003 Luzern, 
 
gegen 
 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern, Beschwerdegegnerin, 
 
Vorinstanz 
Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Luzern 
 
(Entscheid vom 25. Februar 2004) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Der 1965 geborene, seit 1. April 1998 Leistungen der Arbeitslosenversicherung beziehende Y.________ stand in einem Beschäftigungsprogramm der Regionalen Arbeitsvermittlung und war damit bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) gegen die Folgen von Unfällen versichert. Am 15. Dezember 1999 fuhr er als Lenker eines Personenwagens auf das hinterste Auto einer stehenden Kolonne auf. Der am 18. Dezember 1999 konsultierte Dr. med. B.________, FMH Allgemeine Medizin, diagnostizierte eine Kopfkontusion bei Autounfall mit Commotio cerebri und verlängerten postcommotionellen Beschwerden, ohne neurologische Ausfälle und ohne Nachweis pathologischer Veränderungen im Röntgenbild. Der beigezogene Neurologe, Dr. med. W.________, Klinik X.________, kam in der Beurteilung zum Schluss, es bestehe eine chronifizierte Kopfschmerzsymptomatik, offenbar traumatisch induziert bei jedoch nicht sicherer Commotio, schädelcomputertomographisch und neurologisch fehlenden Hinweisen für eine Contusio cerebri und normalem EEG (Elektroenzephalogramm), letztlich auch ohne sichere Hinweise für eine relevante HWS-Distorsions- oder Abknickverletzung. Der Kopfschmerz weise nicht die typischen Charakteristika eines posttraumatischen Kopfschmerzes auf. Der Versicherte sei im Minimum zu 50 % arbeitsfähig (Bericht vom 26. April 2000). Gemäss Bericht des Kreisarztes Dr. med. L.________, FMH für Orthopädische Chirurgie, vom 17. Mai 2000 war die Wiederaufnahme der Tätigkeiten im Rahmen des Beschäftigungsprogrammes oder im früher ausgeübten Beruf als Küchengehilfe zu 80 % zumutbar. Auf Grund einer weiteren Untersuchung vom 5. September 2000 empfahl Dr. med. L.________, den Fall mit Einstellung der Leistungen abzuschliessen (Bericht vom 5. September 2000). Die neurootologische (Ohrenheilkunde) Untersuchung ergab keine wesentliche Störung des Gleichgewichtsfunktionssystems, insbesondere konnten keine Befunde erhoben werden, die Rückschlüsse auf das erlittene Trauma erlauben würden (Bericht des Dr. med. M.________, Facharzt für Ohren-, Nasen- und Halskrankheiten, Hals- und Gesichtschirurgie und Arbeitsmedizin, SUVA, Abteilung Arbeitsmedizin, vom 13. Juni 2001). 
Mit Verfügung vom 21. August 2001 stellte die SUVA ihre Leistungspflicht per 31. August 2001 ein. Auf Einsprache hin holte sie den Bericht des Spitals Z.________, Medizinische Klinik, vom 29. Januar 2002 ein (welchem ein neurootologisches [vom 2. November 2001], neurologisches [vom 29. Oktober 2001] und psychiatrisches [vom 31. Oktober 2001] Konsilium zu Grunde lagen), wo sich der Versicherte auf Veranlassung des Hausarztes Dr. med. B.________ vom 24. Oktober bis 2. November 2001 aufhielt. Die Diagnosen lauteten: 1. chronische fronto-okzipitale Kopfschmerzen, differentialdiagnostisch: posttraumatisch bei Status nach HWS-Distorsion bei Autounfall 1999 und reaktive Depression sowie 2. chronische peripher-vestibuläre Funktionsstörung (Störung des Gleichgewichtsorgans im Innenohr) links, zentral kompensiert, differentialdiagnostisch: idiopathisch oder posttraumatisch nach Contusio labyrinthi (Innenohrkontusion). Durch Medikation mit Seropram sollte eine allmähliche Besserung der depressiven Symptomatik erreichbar sein. Allenfalls sei eine psychiatrische Therapie zur Unterstützung in der schwierigen Lebenssituation hilfreich. Die Arbeitsfähigkeit bleibe wie vom SUVA-Kreisarzt am 17. Mai 2000 beurteilt bei mindestens 80 %. Mit Entscheid vom 26. August 2002 wies die SUVA die Einsprache ab, weil jedenfalls der Unfall vom 15. Dezember 1999 und dessen Folgen nicht in einem adäquaten Kausalzusammenhang zu den geltend gemachten Beschwerden stünden. 
B. 
Die hiegegen eingereichte Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern ab (Entscheid vom 25. Februar 2004). 
C. 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt Y.________ beantragen, unter Aufhebung des angefochtenen Entscheids habe die SUVA die gesetzlichen Leistungen gemäss UVG auch nach dem 31. August 2001 zu erbringen. Zudem sei sie zu verpflichten, ein versicherungsexternes medizinisches Gutachten einzuholen und anschliessend über den Anspruch auf höhere Taggeldleistungen, Invalidenrente und Integritätsentschädigung neu zu befinden. Weiter wird um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ersucht. 
Die SUVA schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Die als Mitbeteiligte beigeladene Öffentliche Krankenkasse Luzern (neu: Xundheit Öffentliche Gesundheitskasse Schweiz), Luzern, und das Bundesamt für Gesundheit verzichten auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 ist nicht anwendbar, wie die Vorinstanz richtig erkannt hat. 
2. 
Das kantonale Gericht hat nicht geprüft, ob zwischen dem Unfall und den geltend gemachten gesundheitlichen Beeinträchtigungen ein natürlicher Kausalzusammenhang besteht, weil die Leistungspflicht der SUVA wegen des fehlenden adäquaten Kausalzusammenhangs zu verneinen sei. Diese Frage beurteilte sie gestützt auf die zutreffend dargelegte Rechtsprechung (worauf verwiesen wird), die zum adäquaten Kausalzusammenhang zwischen einem Unfall mit Schleudertrauma der HWS oder äquivalentem Verletzungsmechanismus ohne organisch nachweisbare Funktionsausfälle und den hernach andauernden Beschwerden mit Einschränkung der Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit entwickelt wurde (BGE 117 V 359). Dieses Vorgehen wird von keiner Seite beanstandet und es kann nach Lage der Akten nicht gesagt werden, dass die zum Beschwerdebild eines Schleudertraumas gehörenden Beeinträchtigungen zwar teilweise gegeben, im Vergleich zur psychischen Problematik aber ganz in den Hintergrund getreten sind (BGE 127 V 103 Erw. 5b/bb, 123 V 98 ff.). Demnach ist bei Prüfung der Adäquanz nicht entscheidend, ob die im Anschluss an den Unfall aufgetretenen gesundheitlichen Beschwerden medizinisch eher als organischer und/oder psychischer Natur bezeichnet werden (BGE 117 V 363 f. Erw. 5d/aa). Allerdings schliesst diese Praxis den Nachweis nicht aus, dass es sich im konkreten Fall nicht um eine unfallkausale psychische Beeinträchtigung handelt (RKUV 2001 Nr. U 412 S. 79). 
3. 
Der Unfall vom 15. Dezember 1999 ist unbestrittenermassen dem Bereich der mittelschweren Unfälle zuzuordnen, weshalb das Vorliegen eines adäquaten Kausalzusammenhangs nur bejaht werden kann, wenn eines der massgebenden Kriterien in besonders ausgeprägter Weise oder die zu berücksichtigenden weiteren Kriterien in gehäufter und auffallender Weise erfüllt sind (BGE 117 V 366 ff. Erw. 6a). Die Vorinstanz kam im Rahmen einer Gesamtwürdigung zum Schluss, dass einzig das Kriterium der Dauerbeschwerden erfüllt sei, allerdings nicht in besonders ausgeprägter Weise, weshalb die SUVA ihre Leistungspflicht zufolge fehlenden adäquaten Kausalzusammenhangs zu Recht eingestellt habe. Demgegenüber bringt der Beschwerdeführer vor, auch die Kriterien der ungewöhnlich langen Dauer der ärztlichen Behandlung sowie Grad und Dauer der Arbeitsunfähigkeit seien erfüllt, weshalb eine Häufung der unfallbezogenen Adäquanzkriterien anzunehmen sei. 
3.1 Der Versicherte leidet im Wesentlichen an Spannungskopfschmerzen, welche zwei bis drei Mal pro Tag auftreten und nach Einnahme von Analgetika bessern. Die Müdigkeit ist gemäss Angaben im Bericht der Frau Dr. med. C.________, Oberärztin an der Psychiatrischen Klinik des Spitals Z.________, vom 31. Oktober 2001 Folge von Schmerz- und antidepressiven Medikamenten, weshalb sie eine Umstellung der Medikation empfahl (vgl. auch Bericht des Spitals Z.________ vom 29. Januar 2002). Der Schwindel war neurootologisch nicht objektivierbar. Anamnestisch ergaben sich einzig Hinweise auf eine gelegentlich auftretende Symptomatik der diagnostizierten peripher-vestibulären Funktionsstörung (Störung des Gleichgewichtsorgans), welche im Übrigen eher idiopathischen (ohne erkennbare Ursache) Ursprungs bezeichnet wurde und auch Folge der relativ umfangreichen antidepressiven Medikation sein kann (Berichte der Klinik für Hals-, Nasen-, Ohren- und Gesichtschirurgie des Spitals Z.________ vom 2. November 2001 und des Dr. med. M.________ vom 15. Juni 2001). Die diagnostizierte längere depressive Reaktion (ICD-10 F 43.21) führte die Psychiaterin des Spitals Z.________ im Wesentlichen auf die bestehende, psychosozial schwierige Situation zurück und nicht auf den Unfall vom 15. Dezember 1999. Es handelt sich demnach bei der psychischen Beeinträchtigung nicht um ein blosses Symptom des Schleudertraumas (vgl. RKUV 2001 Nr. U 412 S. 79). Nach dem Gesagten kommt dem Unfall hinsichtlich Schwindel, depressiver Symptomatik und der Folgen der antidepressiven Medikation (Müdigkeit) keine massgebende Bedeutung zu, weshalb diese Beschwerden nicht zu berücksichtigen sind. Eine ungewöhnliche Häufung der für ein Schleudertrauma der Halswirbelsäule (oder eine diesem äquivalente Verletzung) typischen Beschwerden liegt demnach nicht vor. Dauer und Umfang der gesundheitlichen Leiden sind somit weder besonders ausgeprägt noch in auffallender Weise gegeben. 
3.2 Weiter ergibt sich aus den medizinischen Akten, dass der Versicherte ab 16. Dezember 1999 zunächst vollständig, spätestens ab 1. Juni 2000 noch zu höchstens 20 % arbeitsunfähig (vgl. Berichte des SUVA-Kreisarztes vom 17. Mai 2000 sowie des Dr. med. W.________ vom 26. April 2000) und seit 5. September 2000 wieder vollständig arbeitsfähig gewesen war (Bericht des SUVA-Kreisarztes vom 5. September 2000). Auch wenn über den 31. August 2001 hinaus bis zum Erlass des Einspracheentscheids am 26. August 2002 eine weiterbestehende Einschränkung von 20 % angenommen wird, ist das Kriterium von Grad und Dauer der Arbeitsunfähigkeit nicht in ausgeprägter oder auffallender Weise erfüllt (vgl. die Kasuistik in RKUV 2001 Nr. U 442 S. 544 ff.). 
3.3 Die Dauer der auf Heilung der unfallbedingten Beeinträchtigungen gerichteten ärztlichen Behandlung ist nicht als ungewöhnlich lange zu bezeichnen. Nach dem Unfall vom 15. Dezember 1999 traten anfänglich die für eine HWS-Distorsion oder ähnlichem Verletzungsmechanismus typischen Beschwerden teilweise auf. Gemäss Angaben des am 18. Dezember 1999 erstmals aufgesuchten Hausarztes verspürte der Versicherte ab 8. Janaur 2000, nachdem sich die Beschwerden (Kopfschmerzen, Schwindelgefühle) weitgehend zurückgebildet hatten, eine Verschlechterung der Symptomatik, weshalb Dr. med. B.________ (Bericht vom 26. Januar 2000) eine ärztliche Überweisung an das Spital Z.________ verordnete, welches das Tragen einer Halskrause und Einnahme eines Schmerzmittels während einer Woche bei vollständiger Arbeitsunfähigkeit als genügend erachtetete (Bericht des Spitals Z.________ vom 26. Januar 2000). Daraufhin beschränkte sich die ärztliche Behandlung im Wesentlichen auf medikamentöse Therapie und gelegentliche Kontrollbesuche beim Hausarzt sowie auf einen von diesem Mediziner veranlassten 10 Tage dauernden Aufenthalt im Spital Z.________, welcher auch der fachärztlichen Abklärung der geltend gemachten Symptomatik diente. Es ist festzuhalten, dass blosse medizinische Abklärungen, welche im Hinblick auf therapeutische und versicherungsrechtliche Fragen notwendig sind, nicht als Behandlung zu qualifizieren sind (nicht veröffentlichtes Urteil C. vom 22. November 1996, U 170/95). Auch in Berücksichtigung des Umstands, dass die Restbeschwerden über den Zeitpunkt der Leistungseinstellung (31. August 2001) hinaus eine gewisse medikamentöse, allenfalls physiotherapeutische Behandlung notwendig machten, ist nicht von einer ungewöhnlich langen Dauer zu sprechen. Wie dem neurologischen Bericht des Spitals Z.________ vom 29. Oktober 2001 zu entnehmen ist, entspricht die Symptomatik den üblicherweise auftretenden Beschwerden nach HWS-Distorsion und waren die vom Hausarzt verordneten Massnahmen sinnvoll. Damit entfällt auch das Adäquanzkriterium der ungewöhnlich langen Dauer der ärztlichen Behandlung. 
3.4 Hinsichtlich der weiteren Kriterien (besonders dramatische Begleitumstände oder besondere Eindrücklichkeit des Unfalls; Schwere oder besondere Art der erlittenen Verletzungen; ärztliche Fehlbehandlung, welche die Unfallfolgen erheblich verschlimmert; schwieriger Heilungsverlauf und erhebliche Komplikationen) sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die diese als besonders ausgeprägt oder auffallend erscheinen lassen, was in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu Recht nicht vorgebracht wird. Nach dem Gesagten sind die zu berücksichtigenden unfallbezogenen Kriterien weder besonders ausgeprägt noch in gehäufter und auffallender Weise gegeben, weshalb der adäquate Kausalzusammenhang mit der Feststellung zu verneinen ist, dass dem Unfall vom 15. Dezember 1999 keine massgebende Bedeutung für die über den 31. August 2001 andauernden Beschwerden mit Einschränkung der Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit zukommt. Der angefochtene Entscheid ist damit nicht zu beanstanden. Auf die beantragten weiteren Abklärungen ist zu verzichten. 
4. 
Da es im vorliegenden Verfahren um Versicherungsleistungen geht, sind gemäss Art. 134 OG keine Gerichtskosten zu erheben. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege im Sinne der Befreiung von den Gerichtskosten erweist sich daher als gegenstandslos. Die unentgeltliche Verbeiständung kann hingegen gewährt werden (Art. 152 in Verbindung mit Art. 135 OG), da die Bedürftigkeit aktenkundig ist, die Beschwerde nicht als aussichtslos zu bezeichnen und die Vertretung geboten war (BGE 125 V 202 Erw. 4a und 372 Erw. 5b, je mit Hinweisen). Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 152 Abs. 3 OG aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie später dazu im Stande ist. 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung wird Rechtsanwalt Eric Schuler, Luzern, für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) ausgerichtet. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) und der Xundheit Öffentliche Gesundheitskasse Schweiz zugestellt. 
Luzern, 9. August 2004 
 
 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
 
Der Präsident der IV. Kammer: Der Gerichtsschreiber: