Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
1B_396/2016  
   
   
 
 
 
Urteil vom 9. November 2016  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident, 
Bundesrichter Chaix, Kneubühler, 
Gerichtsschreiber Dold. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Stephan Bernard, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich, Molkenstrasse 15/17, Postfach 2251, 8026 Zürich. 
 
Gegenstand 
Verlängerung der Untersuchungshaft, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss vom 10. Oktober 2016 des Obergerichts des Kantons Zürich, III. Strafkammer. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich liess A.________ am 28. März 2016 festnehmen wegen des Verdachts, die damals 9-jährige Tochter seiner Lebensgefährtin im Dezember 2014 mehrfach in schwerwiegender Weise sexuell missbraucht, die Taten gefilmt und die Aufnahmen im November 2015 per Mail einem unbekannten Tauschpartner in den USA geschickt zu haben, als Gegenleistung für rund 900 kinderpornografische Bilder. Zudem verdächtigt sie ihn, seinem Tauschpartner in den USA weitere kinderpornografische Aufnahmen der Tochter seiner Lebensgefährtin oder weiterer Mädchen im Schutzalter geschickt zu haben. 
Als zuständiges Zwangsmassnahmengericht versetzte das Bezirksgericht Zürich A.________ am 30. März 2016 auf Antrag der Staatsanwaltschaft in Untersuchungshaft. Das Obergericht des Kantons Zürich wies die von A.________ gegen diese Haftverfügung erhobene Beschwerde am 18. April 2016 ab. Es kam zum Schluss, der erforderliche Tatverdacht sei erstellt und es bestehe Wiederholungsgefahr. Den Beschluss des Obergerichts focht A.________ beim Bundesgericht an. Mit Urteil 1B_160/2016 vom 17. Mai 2016 wies dieses die Beschwerde ab. 
Mit Verfügung vom 24. Juni 2016 verlängerte das Zwangsmassnahmengericht die Haft bis zum 28. September 2016. Das Obergericht bestätigte diesen Entscheid mit Beschluss vom 14. Juli 2016. Eine dagegen gerichtete Beschwerde wies das Bundesgericht mit Urteil 1B_270/2016 vom 4. August 2016 ab. 
In der Folge verlängerte das Zwangsmassnahmengericht die Haft ein weiteres Mal, diesmal bis zum 27. Dezember 2016. Mit Beschluss vom 10. Oktober 2016 wies das Obergericht eine von A.________ dagegen erhobene Beschwerde ab. Es ging von einem dringenden Tatverdacht und Kollusionsgefahr aus. Ob darüber hinaus auch Wiederholungsgefahr bestehe und wie in dieser Hinsicht das mittlerweile vorliegende, definitive psychiatrische Gutachten zu interpretieren sei, liess es offen. 
 
B.   
Mit Beschwerde in Strafsachen ans Bundesgericht vom 24. Oktober 2016 beantragt A.________, der Beschluss des Obergerichts sei aufzuheben und er selbst sofort aus der Untersuchungshaft zu entlassen. Die Haftentlassung sei mit einem Kontaktverbot gegenüber der Geschädigten, deren Bruder und Mutter zu verbinden sowie mit der Auflage, in eine Psychotherapie zu gehen. Eventualiter sei die Haft bis zum 30. November 2016 bzw. auf maximal zwei Wochen nach dem Bundesgerichtsurteil zu befristen und die Staatsanwaltschaft anzuweisen, innert dieser Frist einen Therapeuten zu suchen. 
Das Obergericht hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. Die Staatsanwaltschaft beantragt, die Beschwerde abzuweisen. Der Beschwerdeführer hat auf eine Stellungnahme dazu verzichtet. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Der angefochtene Beschluss des Obergerichts betrifft die Entlassung aus der Untersuchungshaft. Dagegen ist die Beschwerde in Strafsachen nach Art. 78 ff. BGG gegeben. Der Beschwerdeführer nahm vor der Vorinstanz am Verfahren teil und befindet sich nach wie vor in Haft. Er ist deshalb nach Art. 81 Abs. 1 BGG zur Beschwerde berechtigt. Die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde ist einzutreten. 
 
2.   
Nach Art. 221 Abs. 1 StPO ist Untersuchungshaft unter anderem zulässig, wenn die beschuldigte Person eines Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtig ist und ernsthaft zu befürchten ist, dass sie Personen beeinflusst und auf Beweismittel einwirkt, um so die Wahrheitsfindung zu beeinträchtigen (lit. b), oder durch schwere Verbrechen oder Vergehen die Sicherheit anderer erheblich gefährdet, nachdem sie bereits früher gleichartige Straftaten verübt hat (lit. c). 
Das Obergericht bejahte sowohl den dringenden Tatverdacht als auch den besonderen Haftgrund der Kollusionsgefahr (Art. 221 Abs. 1 lit. b StPO). Ob darüber hinaus auch Wiederholungsgefahr bestehe (Art. 221 Abs. 1 lit. c StPO), liess es offen. 
Der Beschwerdeführer bestreitet den dringenden Tatverdacht nicht. Hingegen ist er der Auffassung, es bestehe keine Kollusionsgefahr. 
 
3.  
 
3.1. Das Obergericht bejahte die Kollusionsgefahr in Bezug auf den jüngeren Bruder der Geschädigten. Der Beschwerdeführer habe diesen aufgefordert, in der Badewanne mit seinem Körper eine Brücke zu machen und dabei seinen Genitalbereich gefilmt. Der Beschwerdeführer bestreite dies nicht, doch bleibe unklar, was genau sich zwischen ihm und dem Jungen abgespielt habe. Dem Kind sei mittlerweile ein Prozessbeistand bestellt worden, doch eine Befragung habe noch nicht stattgefunden. Dass derartige Verfahrensschritte eine gewisse Zeit in Anspruch nähmen, sei nicht ungewöhnlich und liege auch nicht einzig im Einflussbereich der Staatsanwaltschaft. Der Geschädigte wohne in unmittelbarer Nachbarschaft des Beschwerdeführers und sei erst 9 Jahre alt. Ein Beeinflussungsversuch wäre mit grösster Wahrscheinlichkeit erfolgreich. Mit einer Ersatzmassnahme, etwa einem Kontaktverbot, könne der Kollusionsgefahr nicht hinreichend begegnet werden.  
 
3.2. Der Beschwerdeführer macht dagegen geltend, die Staatsanwaltschaft habe bereits im Rahmen der letzten Haftverlängerung vor drei Monaten den Verdacht geäussert, er könnte auch den Bruder der Geschädigten missbraucht haben. Ein präziserer Vorwurf sei bisher nicht formuliert worden. Dass er den Jungen fotografiert habe, habe er anerkannt. Unklar sei, ob die Fotos sexuellen Inhalts seien. Da die Staatsanwaltschaft in dieser Hinsicht bis heute keine parteiöffentliche Untersuchungshandlung getätigt habe, habe sie das Beschleunigungsgebot verletzt. Die ausstehende Befragung rechtfertige es nicht, ihn in Untersuchungshaft zu behalten. Er habe ein sehr weitgehendes Geständnis abgelegt, das alleine für eine Anklage ausreichen würde. Daher sei ihm auch zu glauben, dass er sich an ein Kontaktverbot halten würde. Zumindest sei die Haft im Sinne seiner Beschwerdeanträge zu befristen, um einen zügigen Abschluss der Untersuchung zu gewährleisten.  
 
3.3. Die strafprozessuale Haft wegen Kollusionsgefahr soll verhindern, dass die beschuldigte Person die Freiheit dazu missbraucht, die wahrheitsgetreue Abklärung des Sachverhalts zu vereiteln oder zu gefährden. Konkrete Anhaltspunkte für Kollusionsgefahr können sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts namentlich ergeben aus dem bisherigen Verhalten des Beschuldigten im Strafprozess, aus seinen persönlichen Merkmalen, aus seiner Stellung und seinen Tatbeiträgen im Rahmen des untersuchten Sachverhalts sowie aus den persönlichen Beziehungen zwischen ihm und den ihn belastenden Personen. Bei der Frage, ob im konkreten Fall eine massgebliche Beeinträchtigung des Strafverfahrens wegen Verdunkelung droht, ist auch der Art und Bedeutung der von Beeinflussung bedrohten Aussagen bzw. Beweismittel, der Schwere der untersuchten Straftaten sowie dem Stand des Verfahrens Rechnung zu tragen. Nach Abschluss der Strafuntersuchung bedarf der Haftgrund der Kollusionsgefahr einer besonders sorgfältigen Prüfung (BGE 137 IV 122 E. 4.2 S. 127 f. mit Hinweis).  
 
3.4. Gemäss dem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Verlängerung der Untersuchungshaft vom 22. September 2016 ist der jüngere Bruder der Geschädigten gemäss jüngsten Erkenntnissen mehrfach mit sexualisiertem, nicht altersadäquatem Verhalten auf dem Kinderspielplatz aufgefallen. Die Kantonspolizei habe in dieser Sache am 9. September 2016 rapportiert. Es gelte abzuklären, ob dieses Verhalten mit dem Beschwerdeführer in Zusammenhang stehe.  
Aus diesen Ausführungen der Staatsanwaltschaft geht hervor, dass es neuerdings Hinweise auf sexuelle Übergriffe gegenüber dem Sohn der ehemaligen Partnerin des Beschwerdeführers gibt, die über die erwähnten Filmaufnahmen in der Badewanne hinausgehen. Dass dem Geschädigten seither erst ein Prozessbeistand bestellt, jedoch noch keine Einvernahme durchgeführt worden ist, verletzt das Beschleunigungsgebot in Haftsachen zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht (Art. 5 Abs. 2 StPO). 
Gemäss den Feststellungen des Obergerichts wohnt der Beschwerdeführer einen Steinwurf von den beiden Geschädigten und deren Mutter entfernt. Vor seiner Verhaftung hätten sie praktisch täglich Kontakt miteinander gehabt. Zudem befinde sich der Kinderspielplatz der Wohnsiedlung direkt vor dem Haus des Beschwerdeführers. 
Es ist davon auszugehen, dass einzig der Geschädigte Aussagen dazu machen kann, was zwischen ihm und dem Beschwerdeführer vorgefallen ist. Dies erhöht die Gefahr von Beeinflussungsversuchen. Zudem verweist die Vorinstanz zu Recht auf das junge Alter des Geschädigten, das bis zur Verhaftung enge Verhältnis zum Beschwerdeführer und die äusserst ungünstige Wohnsituation. Dass sie die Kollusionsgefahr bejaht, verletzt in Würdigung der gesamten Umstände kein Bundesrecht. Nichts daran zu ändern vermag das Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe ein sehr weitgehendes Geständnis abgelegt, das alleine für eine Anklage ausreichen würde. Denn es gilt nicht nur, sein Verhalten gegenüber der Tochter seiner ehemaligen Partnerin (welches durch die sichergestellten pornografischen Aufnahmen dokumentiert ist), sondern auch dasjenige gegenüber dem Jungen aufzuklären. 
Schliesslich ist nicht davon auszugehen, dass der Kollusionsgefahr mit Ersatzmassnahmen hinreichend begegnet werden könnte. 
 
4.   
Die Beschwerde ist aus diesen Gründen abzuweisen. 
Der Beschwerdeführer ersucht um unentgeltliche Prozessführung und Rechtsverbeiständung. Da die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind, kann dem Gesuch entsprochen werden (Art. 64 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird gutgeheissen. 
 
2.1. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.  
 
2.2. Rechtsanwalt Stephan Bernard wird zum unentgeltlichen Rechtsbeistand ernannt und für das bundesgerichtliche Verfahren aus der Bundesgerichtskasse mit Fr. 1'500.-- entschädigt.  
 
3.   
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft IV und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 9. November 2016 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Fonjallaz 
 
Der Gerichtsschreiber: Dold