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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1B_452/2021  
 
 
Urteil vom 9. November 2021  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Chaix, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Müller, Bundesrichter Merz, 
Gerichtsschreiber König. 
 
Verfahrensbeteiligte 
1. A.________, 
c/o Kantonspital Winterthur, 
2. B.________, 
c/o Kantonspital Winterthur, 
3. C.________, 
c/o Kantonspital Winterthur, 
4. D.________, 
c/o Kantonsspital Winterthur, 
Beschwerdeführer, 
alle vier vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Bruno Derrer, 
 
gegen  
 
E.________, 
Beschwerdegegnerin, 
vertreten durch Rechtsanwalt Matthias Horschik, 
 
Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich, 
Zweierstrasse 25, 8004 Zürich. 
 
Gegenstand 
Entsiegelung und Durchsuchung, 
 
Beschwerde gegen die Verfügung des Bezirksgerichts 
Winterthur, Zwangsmassnahmengericht, 
vom 19. Juli 2021 (GT210003-K/U/ch). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich führt eine Strafuntersuchung gegen A.________, B.________, C.________ und D.________ (nachfolgend: die beschuldigten Personen). Im Strafverfahren hat sich E.________ als Privatklägerin konstituiert. Die beschuldigten Personen werden verdächtigt, im Zeitraum von April 2016 bis Oktober 2016 gegen den erklärten Willen der Privatklägerin Informationen an das Unternehmen F.________ weitergegeben und damit das Berufs- bzw. Amtsgeheimnis verletzt zu haben. 
Nachdem die Staatsanwaltschaft beim Unternehmen F.________ Unterlagen ediert, beschlagnahmt und auf Begehren der Privatklägerin hin gesiegelt hatte, stellte sie am 23. März 2021 beim Bezirksgericht Winterthur (Zwangsmassnahmengericht) ein Entsiegelungsgesuch. Mit Verfügung vom 19. Juli 2021 wies das Zwangsmassnahmengericht das Entsiegelungsgesuch ab. Ferner ordnete es an, dass die beschlagnahmten Unterlagen nach Eintritt der Rechtskraft der Verfügung an das Unternehmen F.________ zurückzugeben seien. 
 
B.  
Gegen den Entscheid des Zwangsmassnahmengerichts vom 19. Juli 2021 erhoben die beschuldigten Personen am 20. August 2021 gemeinsam Beschwerde beim Bundesgericht. Sie beantragen, die angefochtene Verfügung aufzuheben und das Entsiegelungsgesuch der Staatsanwaltschaft vom 23. März 2021 gutzuheissen. Eventualiter sei die Sache zur Bewilligung der Entsiegelung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Die Staatsanwaltschaft und das Zwangsmassnahmengericht verzichten auf eine Stellungnahme. Die Privatklägerin beantragt, die Beschwerde sei vollumfänglich abzuweisen. Die Beschwerdeführer halten mit Eingabe vom 14. Oktober 2021 an ihrem Rechtsmittel fest. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Gegen den angefochtenen Entscheid ist gemäss Art. 78 Abs. 1 BGG die Beschwerde in Strafsachen gegeben. Die Vorinstanz hat gemäss Art. 248 Abs. 3 lit. a i.V.m. Art. 380 StPO als einzige kantonale Instanz entschieden. Die Beschwerde ist somit nach Art. 80 BGG zulässig.  
 
1.2. Die Beschwerde richtet sich gegen einen Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 BGG. Dagegen ist die Beschwerde nach Absatz 1 dieser Bestimmung zulässig, wenn der Zwischenentscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (lit. a), oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (lit. b). Vorliegend fällt nur die erstgenannte Variante in Betracht. Beim drohenden nicht wieder gutzumachenden Nachteil muss es sich im Bereich der Beschwerde in Strafsachen um einen solchen rechtlicher Natur handeln. Nicht wieder gutzumachend bedeutet, dass der Nachteil auch mit einem für die beschwerdeführende Person günstigen Endentscheid nicht oder nicht vollständig behebbar ist (BGE 147 IV 188 E. 1.3.2; 141 IV 289 E. 1.2 mit Hinweis). Es ist Sache der Beschwerdeführer darzutun, dass die Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG erfüllt sind (BGE 141 IV 289 E. 1.4; 284 E. 2.3; je mit Hinweisen).  
 
2.  
 
2.1. Gemäss Art. 248 StPO sind Aufzeichnungen und Gegenstände, die nach Angaben der Inhaberin oder des Inhabers wegen eines Aussage- oder Zeugnisverweigerungsrechts oder aus anderen Gründen nicht durchsucht oder beschlagnahmt werden dürfen, zu versiegeln und dürfen von den Strafbehörden weder eingesehen noch verwendet werden (Abs. 1). Stellt die Strafbehörde nicht innert 20 Tagen ein Entsiegelungsgesuch, so werden die versiegelten Aufzeichnungen und Gegenstände der berechtigten Person zurückgegeben (Abs. 2). Stellt sie ein Entsiegelungsgesuch, so entscheidet im Vorverfahren darüber innerhalb eines Monats endgültig das Zwangsmassnahmengericht (Abs. 3 lit. a).  
 
2.2. Das Entsiegelungsverfahren vor dem Zwangsmassnahmengericht dient im Vorverfahren der gerichtlichen Prüfung, ob rechtlich geschützte Geheimhaltungsinteressen im Sinne von Art. 248 Abs. 1 StPO einer Durchsuchung von sichergestellten und versiegelten Gegenständen durch die Staatsanwaltschaft entgegenstehen (Art. 246-248 StPO). Berechtigt, ein Siegelungsbegehren zu stellen und als Parteien - oder als von Zwangsmassnahmen unmittelbar betroffene Dritte (Art. 105 Abs. 1 lit. f und Abs. 2 StPO) - am Entsiegelungsverfahren teilzunehmen, sind die Inhaberinnen und Inhaber der gesiegelten Aufzeichnungen und Unterlagen, die rechtlich geschützte Geheimnisinteressen rechtzeitig geltend machen (Art. 248 Abs. 1 StPO; BGE 144 IV 74 E. 2.2; 142 IV 207 E. 11 mit Hinweisen). Auch geheimnisberechtigte Personen, die keinen direkten Gewahrsam an den versiegelten Gegenständen inne haben (zum Beispiel von Berufsgeheimnissen geschützte Personen), können gegebenenfalls legitimiert sein (vgl. BGE 140 IV 28 E. 4.3.4-4.3.5; Urteil 1B_487/2018 vom 6. Februar 2019 E. 2.3 mit Hinweisen). Soweit sie indes nicht in ihren eigenen rechtlich geschützten Geheimnisrechten betroffen werden, sind weder beschuldigte Personen noch die Privatklägerschaft berechtigt, Entsiegelungsentscheide anzufechten oder als Parteien am Entsiegelungsverfahren teilzunehmen (vgl. BGE 142 IV 207 E. 11; siehe zum Ganzen: Urteil 1B_497/2020 vom 22. Juli 2021 E. 4.1).  
 
2.3. Nach dem insoweit klaren Wortlaut des Gesetzes liegt die Befugnis, beim zuständigen Gericht ein Entsiegelungsgesuch zu stellen, allein bei der "Strafbehörde" ("autorité pénale"; "autorità penale"; Art. 248 Abs. 2 StPO). Demgegenüber sieht das Gesetz keine Befugnis der beschuldigten Person oder der Privatklägerschaft vor, ein entsprechendes Begehren zu stellen (vgl. Urteil 1B_35/2018 vom 30. August 2018 E. 2.2); Gleiches muss grundsätzlich auch für die Beschwerde gegen die Verweigerung einer Entsiegelung gelten. Das ist folgerichtig, dient doch das Entsiegelungsverfahren nicht den rein prozesstaktischen Interessen von beschuldigten Personen oder der Privatklägerschaft im Hinblick auf eine möglichst restriktive oder extensive Erhebung von Beweismitteln (vgl. Urteil 1B_497/2020 vom 22. Juli 2021 E. 4.1). Im Übrigen ist es den Parteien unbenommen, auch noch im späteren Verlauf des Verfahrens entsprechende Beweisanträge zu stellen (Art. 107 Abs. 1 lit.e StPO) und gegebenenfalls zu wiederholen.  
 
2.4. Die Beschwerdeführer sind die im vorliegenden Strafverfahren beschuldigten Personen und bereits aus diesem Grund prinzipiell nicht berechtigt, gegen die Verweigerung der Entsiegelung ein Rechtsmittel einzulegen. Sie legen sodann nicht dar und es ist auch nicht ersichtlich, dass sie sich auf gesetzlich geschützte Interessen berufen könnten (vgl. auch Urteil 1B_497/2020 vom 22. Juli 2021 E. 4.2). Vor allem aber könnten sie, wie gesehen, allfällige geheimnisgeschützte Interessen ohnehin nur gegen eine Entsiegelung ins Feld führen; vorliegend streben sie aber die Entsiegelung an. Zwar bringen sie auch vor, durch die Verweigerung der Entsiegelung würden ihre Verteidigungsrechte in unzulässiger Weise stark eingeschränkt. Damit machen sie indessen im Entsiegelungsverfahren nicht zu berücksichtigende prozesstaktische Interessen an einer Erhebung der gesiegelten Unterlagen als Beweismittel geltend (vgl. E. 2.3).  
Sodann ist nicht erkennbar, dass die Gefahr eines definitiven Beweisverlustes bestehen würde. Die gesiegelten Unterlagen könnten nämlich, sollten sie an das Unternehmen F.________ zurückgegeben werden, von Amtes wegen oder auf Antrag hin jederzeit wieder bei diesem ediert werden. Den Beschwerdeführern bleibt es unbenommen, diesbezügliche Beweisanträge zu stellen bzw. zu einem späteren Zeitpunkt zu wiederholen (vgl. E. 2.3). Auch insofern droht ihnen kein Rechtsnachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG (vgl. zur ausnahmsweisen Möglichkeit der Anfechtung von Zwischenentscheiden bei drohendem definitiven Beweisverlust Urteil 1B_35/2018 vom 30. August 2018 E. 3). 
Unter diesen Umständen ist auf die Beschwerde mangels nicht wieder gutzumachenden Rechtsnachteils (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG) nicht einzutreten. 
 
3.  
Bei diesem Verfahrensausgang tragen die Beschwerdeführer die Gerichtskosten unter solidarischer Haftung (Art. 66 Abs. 1 und 5 BGG). Sie haben der anwaltlich vertretenen privaten Beschwerdegegnerin unter solidarischer Haftbarkeit eine angemessene Parteientschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 2 und 4 i.V.m. Art. 66 Abs. 5 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden den Beschwerdeführern unter solidarischer Haftung auferlegt. 
 
3.  
Die Beschwerdeführer haben die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren unter solidarischer Haftbarkeit mit Fr. 1'500.-- (inkl. MWST) zu entschädigen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich und dem Bezirksgericht Winterthur, Zwangsmassnahmengericht, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 9. November 2021 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Chaix 
 
Der Gerichtsschreiber: König