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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
1B_180/2021  
 
 
Urteil vom 10. Mai 2021  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Kneubühler, Präsident, 
Bundesrichter Chaix, 
Bundesrichter Haag, 
Gerichtsschreiber Störi. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Manfred Hausherr, Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich, Besondere Untersuchungen, 
Zweierstrasse 25, 8004 Zürich, 
Beschwerdegegner, 
 
Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich, Besondere Untersuchungen, 
Zweierstrasse 25, 8004 Zürich. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; Ausstand, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 2. März 2021 (UA200036-O/U/GRO). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich führt ein Strafverfahren wegen Urkundenfälschung im Amt etc. gegen sechs Personen, die zuhanden der IV-Stelle der Sozialversicherungsanstalt des Kantons Zürich ein falsches polydisziplinäres medizinisches Gutachten über A.________ erstattet haben sollen. 
Das Strafverfahren war von der Bundesanwaltschaft am 15. Juni 2020 an die Strafverfolgungsbehörden des Kantons Zürich überwiesen worden. Diese Delegationsverfügung wurde beim Bundesstrafgericht angefochten, das Verfahren ist oder war jedenfalls am 2. März 2021 noch pendent. 
Am 2. Juli 2020 hat die Staatsanwaltschaft beim Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement gegen die sechs Beschuldigten ein Ermächtigungsverfahren eingeleitet. Auch dieses Verfahren ist oder war jedenfalls am 2. März 2021 noch pendent. 
 
B.  
Mit eigenhändiger Eingabe vom 29. August 2020 ersuchte die Privatklägerin A.________ die Staatsanwaltschaft, ihr den Ermächtigungsantrag zuzustellen. Diese kam dem Ersuchen am 1. September 2020 nach mit dem Hinweis, ihr Rechtsvertreter, RA Hablützel, habe ihn bereits am 8. Juli 2020 entgegengenommen. 
Mit eigenhändiger Eingabe vom 18. September 2020 erklärte A.________, sie habe RA Hablützel bereits am 1. September 2019 das Mandat entzogen; sie werde neu von RA Schürch vertreten. Die Staatsanwaltschaft habe das Amtsgeheimnis verletzt, indem sie seither mit RA Hablützel anstatt mit RA Schürch korrespondiert habe. Sie ersuchte den fallführenden Staatsanwalt, ihr diese "sehr unüblichen Vorfälle" nachvollziehbar zu erklären, ansonsten er für sie als befangen gelten müsse. 
Am 23. September 2020 nahm die Staatsanwaltschaft vom Wechsel der Vertretung mit Wirkung ab dem 22. September 2020 Vormerk und zeigte dies dem EJPD an. Gegenüber A.________ hielt sie fest, sie sei aufgrund einer Vollmacht vom 22. April 2017 von RA Hablützel vertreten worden. Am 2. September 2019 habe sich RA Schürch ebenfalls als Ihr Rechtsvertreter legitimiert. Sie habe diesen mit Schreiben vom 3. September 2019, welches er am 6. September 2019 entgegengenommen habe, auf das vorbestehende Mandatsverhältnis mit RA Hablützel hingewiesen. Die Vollmacht für RA Hablützel sei in der Folge jedoch nicht widerrufen worden, auch nicht von A.________ in ihren eigenhändigen Eingaben. Da sich eine Privatklägerin durch mehrere Anwälte vertreten lassen könne, habe sie A.________ mit Schreiben vom 1. September 2020 gebeten, sich zur Vereinfachung des Verfahrens an RA Hablützel zu wenden. Ferner habe sie (u.a.) auch ihren Ermächtigungsantrag vom 2. Juli 2020 RA Hablützel zugestellt, dessen Eingang er am 8. Juli 2020 quittiert habe. Vom angeblich bereits am 1. September 2019 erfolgten Mandatsentzug habe sie erst durch die Eingabe von A.________, welche am 22. September 2020 bei ihr eingegangen sei, erfahren. 
Am 4. Oktober 2020 stellte A.________ ein Ausstandsgesuch gegen den fallführenden Staatsanwalt Hausherr. 
Am 2. März 2021 wies das Obergericht des Kantons Zürich das Ausstandsgesuch gegen Staatsanwalt Hausherr ab. 
 
C.  
Mit Eingabe vom 8. April 2021 erhebt A.________ Beschwerde gegen diesen Beschluss des Obergerichts mit dem Antrag, ihn aufzuheben und Staatsanwalt Hausherr in den Ausstand zu versetzen. Sie ersucht, ihrer Beschwerde aufschiebende Wirkung beizulegen. 
 
D.  
Die Staatsanwaltschaft und das Obergericht verzichten auf Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Angefochten ist der Entscheid des Obergerichts über ein Ausstandsbegehren. Es handelt sich um einen selbständig eröffneten, kantonal letztinstanzlichen Zwischenentscheid über ein Ausstandsbegehren, gegen den die Beschwerde in Strafsachen nach Art. 92 Abs. 1 BGG zulässig ist. Als Privatklägerin hatte die Beschwerdeführerin im Strafverfahren Parteistellung und ist zur Beschwerde berechtigt (Art. 81 Abs. 1 lit. a und b BGG). Es ist allerdings ihre Sache, sowohl darzulegen, dass die Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, soweit das nicht offensichtlich ist (Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.1; 353 E. 1), als auch, dass der angefochtene Entscheid Bundesrecht verletzt (BGE 135 III 127 E. 1.6 S. 130; 134 II 244 E. 2.1 und 2.2 S. 245 f.; je mit Hinweisen). 
 
2.  
 
2.1. Nach Art. 29 Abs. 1 BV kann ein Staatsanwalt abgelehnt werden, wenn Umstände vorliegen, die nach objektiven Gesichtspunkten geeignet sind, den Anschein der Befangenheit zu erwecken (BGE 127 I 196 E. 2b S. 198 f. mit Hinweisen). Der Unvoreingenommenheit des Untersuchungsrichters kann unter gewissen Gesichtspunkten zwar eine ähnliche Bedeutung zukommen wie der richterlichen Unabhängigkeit und Unparteilichkeit. Die Grundsätze von Art. 30 Abs. 1 BV dürfen jedoch nicht unbesehen auf nicht richterliche Behörden bzw. auf Art. 29 Abs. 1 BV übertragen werden (vgl. BGE 140 I 326 E. 5.2; 125 I 119 E. 3b S. 124; 125 I 209 E. 8 S. 217; Urteil 1B_56/2008 vom 24. Juni 2008 E. 4).  
Ausstandsgesuche müssen ohne Verzug gestellt werden (Art. 58 Abs. 1 StPO). Wer einen Ablehnungsgrund gegen eine Justizperson kennt, diesen aber nicht unverzüglich, sondern erst später, etwa bei ungünstigem Verlauf des Verfahrens, geltend macht, verstösst gegen Treu und Glauben und verwirkt seinen Anspruch, sich auf die Befangenheit des Betreffenden berufen zu können. Unverzüglich bedeutet nach der Rechtsprechung ein Geltendmachen des Anspruchs binnen maximal sechs bis sieben Tagen; ein zwei- bis dreiwöchiges Zuwarten ist bereits unzulässig (Urteile 5A_540/2020 vom 29. September 2020 E. 3.2; 1B_138/2018 vom 4. Juni 2018 E. 1.2; 1B_277/2008 vom 13. November 2008 E. 2.3; 6B_882/2008 vom 31. März 1009 E. 1.3; 1P.457/2006 vom 19. September 2006 E. 3.1). 
 
2.2. Das Obergericht hat erwogen, das Ausstandsgesuch werde vorab mit dem Argument begründet, der fallführende Staatsanwalt habe RA Schürch nicht ins Verfahren einbezogen, sondern weiterhin mit RA Hablützel korrespondiert. Dieser Umstand sei der Beschwerdeführerin seit Erhalt des Schreibens der Staatsanwaltschaft vom 1. September 2020, spätestens aber seit dem 18. September 2020, als sie ihre Eingabe an die Staatsanwaltschaft verfasst habe, bekannt gewesen. Das Ausstandsbegehren habe sie erst am 4. Oktober 2020 und damit verspätet gestellt. Selbst wenn man aber davon absehen würde, wäre das Gesuch unbegründet. Der Widerruf der Mandatierung von RA Hablützel sei dem Staatsanwalt nicht mitgeteilt worden, weshalb ihm dieser weiterhin die Korrespondenz zum Verfahren habe zustellen dürfen; darin liege keine Verfahrensverletzung die allenfalls den Anschein von Befangenheit erwecken könnte.  
Dem hält die Beschwerdeführerin entgegen, das Schreiben des Beschwerdegegners vom 23. September 2020 habe neue Tatsachen enthalten, welche in der Summe auf seine Befangenheit schliessen lassen würden. 
 
2.3. Ob der Beschwerdegegner indessen, wie die Beschwerdeführerin dartut, in seinem Schreiben vom 23. September 2020 zu Unrecht davon ausging, dass RA Hablützel selber noch am 8. September 2020 von einem bestehenden Mandat ausging, ist unerheblich. Aus der von ihr ins Recht gelegten Korrespondenz ergibt sich zwar tatsächlich, dass sie dessen Mandat bereits am 1. September 2019 widerrufen hatte, wovon dieser mit Antwortschreiben vom 6. September 2019 "mit Bedauern" Kenntnis nahm. Entscheidend ist, dass dieser Widerruf dem Staatsanwalt erst mit Schreiben vom 18. September 2020 zur Kenntnis gebracht wurde.  
Die Formulierung des Beschwerdegegners im Schreiben vom 23. September 2020, wonach die Beschwerdeführerin RA Hablützel das Mandat "angeblich" bereits am 1. September 2019 entzogen habe, bedeutet zudem keineswegs, dass er diese Darstellung "rufschädigend" anzweifelte, sondern nur, dass sie einzig auf ihren Angaben beruhte und er (zu diesem Zeitpunkt) keine weiteren Belege dafür hatte. 
Aus dem Schreiben der Staatsanwaltschaft vom 23. September 2020 ergeben sich somit entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin keine neuen Anhaltspunkte für eine Befangenheit des Beschwerdegegners. Das Obergericht hat damit kein Bundesrecht verletzt, indem es das Ausstandsgesuch abwies, soweit es darauf eintrat. Die Beschwerde ist unbegründet und im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 BGG abzuweisen. 
 
3.  
Die Verfahrenskosten sind ausgangsgemäss der Beschwerdeführerin aufzuerlegen. Mit dem Entscheid in der Sache wird auch das Gesuch um aufschiebende Wirkung hinfällig. 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 10. Mai 2021 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Kneubühler 
 
Der Gerichtsschreiber: Störi