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[AZA 7] 
I 730/01 Vr 
 
I. Kammer 
 
Präsident Schön, Bundesrichter Borella, Meyer, Ursprung und 
nebenamtlicher Richter Maeschi; Gerichtsschreiber Schmutz 
 
Urteil vom 10. Juni 2002 
 
in Sachen 
IV-Stelle des Kantons St. Gallen, Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen, Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
J.________, 1958, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt Tim Walker, Hinterdorf 27, 9043 Trogen, 
 
und 
Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, St. Gallen 
 
A.- Die 1958 geborene, bis Ende Mai 1994 vollzeitlich als Giessereimitarbeiterin und vom 15. August 1994 bis 
31. Mai 1997 (letzter Arbeitstag: 21. Oktober 1996) teilzeitlich als Lagermitarbeiterin in einem Versandgeschäft erwerbstätig gewesene J.________ meldete sich am 23. Dezember 1997 wegen Rückenschmerzen zum Bezug einer Rente der Invalidenversicherung an. Nach medizinischen und beruflichen Abklärungen sprach ihr die IV-Stelle des Kantons St. Gallen mit Verfügung vom 11. August 1999 eine Viertelsrente auf Grund eines Invaliditätsgrades von 44 % ab 1. Dezember 1996 zu. Dabei ging sie davon aus, dass die Versicherte ohne die Gesundheitsschädigung voll erwerbstätig wäre und ein Jahreseinkommen von Fr. 48'300.- zu erzielen vermöchte; das Invalideneinkommen setzte sie unter Annahme einer Arbeitsfähigkeit von 70 % in einer geeigneten leichteren Tätigkeit gestützt auf statistische Löhne auf Fr. 26'950.- fest. 
 
B.- J.________ beschwerte sich gegen diese Verfügung sinngemäss mit dem Rechtsbegehren, es sei ihr eine ganze Rente zuzusprechen. In ihrer Vernehmlassung gelangte die IV-Stelle zum Schluss, das Valideneinkommen sei auf lediglich Fr. 42'300.- festzusetzen. Der Invaliditätsgrad belaufe sich damit auf 30 %, weshalb kein Rentenanspruch bestehe. 
Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen setzte das Valideneinkommen auf Grund des von der Versicherten als Giessereimitarbeiterin erzielten Verdienstes auf Fr. 48'300.- fest und ermittelte anhand der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung (LSE) 1998 ein Invalideneinkommen von Fr. 27'840.-, wobei es von einer Arbeitsfähigkeit von 70 % ausging und einen leidensbedingten Abzug von 10 % vornahm, was zu einem Invaliditätsgrad von 42 % und zur Abweisung der Beschwerde führte (Entscheid vom 27. September 2001). 
 
C.- Die IV-Stelle des Kantons St. Gallen führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragt, in Aufhebung des angefochtenen Entscheids sei festzustellen, dass die Versicherte keinen Anspruch auf eine Invalidenrente habe. Zur Begründung wird vorgebracht, die Voraussetzungen für die Vornahme eines leidensbedingten Abzugs seien nicht gegeben, weshalb der Invaliditätsgrad lediglich rund 35 % betrage. 
Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen äussert sich zur Frage des leidensbedingten Abzugs und schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. 
J.________ beantragt Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- Gemäss Art. 103 lit. c OG ist zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde berechtigt jede andere Person, Organisation oder Behörde, die das Bundesrecht hiezu ermächtigt, wobei die Ermächtigung auch in einer Verordnung enthalten sein kann (BGE 127 V 215 Erw. 1a mit Hinweis; Gygi, Bundesverwaltungsrechtspflege, 
2. Aufl. , S. 165). Nach Art. 202 AHVV, welche Bestimmung gemäss Art. 89 IVV im Bereich der Invalidenversicherung sinngemäss anwendbar ist, sind die beteiligten Ausgleichskassen und IV-Stellen (Art. 201 lit. c AHVV) berechtigt, die Entscheide der Rekursbehörden mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Eidgenössischen Versicherungsgericht anzufechten (Art. 69 IVG). Als "beteiligt" im Sinne von Art. 201 lit. c AHVV gilt grundsätzlich jede Ausgleichskasse oder IV-Stelle, welche die im Rahmen des Beschwerdeverfahrens zu überprüfende Verfügung erlassen hat (vgl. ZAK 1992 S. 372 Erw. 2a). 
 
2.- Nach der Rechtsprechung ist die Beschwerdelegitimation gemäss Art. 103 lit. c OG nicht davon abhängig, dass die betreffende Person oder Institution sich über ein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung oder Änderung der Verfügung ausweisen kann (BGE 106 V 141 Erw. 1a mit Hinweisen). 
Sachurteilsvoraussetzung bildet jedoch auch im Rahmen von Art. 103 lit. c OG, dass die beschwerdelegitimierte Person oder Institution durch den angefochtenen Entscheid beschwert ist. Dabei ist zu unterscheiden zwischen der formellen Beschwer (Beteiligung im vorinstanzlichen Verfahren) und der materiellen Beschwer, welche voraussetzt, dass die Partei im vorinstanzlichen Verfahren mit ihren Rechtsbegehren nicht oder nur teilweise durchgedrungen ist (Gygi, a.a.O., S. 150 u. 155; Kölz/Häner, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2. Aufl. , Zürich 1998, S. 195 Rz 541 f.). An einer solchen Beschwer fehlt es der verfügenden Behörde, wenn die vom Verfügungsadressaten erhobene Beschwerde vollumfänglich abgewiesen und die streitige Verfügung bestätigt wird. Im vorliegenden Fall ist die IV-Stelle deshalb nicht zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde befugt, nachdem die kantonale Rekursbehörde die von der Versicherten gegen die Verfügung vom 11. August 1999 eingereichte Beschwerde abgewiesen hat. Hieran ändert nichts, dass die Vorinstanz die Invaliditätsbemessung insofern modifiziert hat, als sie den Invaliditätsgrad von 44 % auf 42 % herabgesetzt hat. Massgebend dafür, ob eine materielle Beschwer vorliegt, ist das Dispositiv (ZAK 1974 S. 370 Erw. 2). 
 
3.- Entgegen den Ausführungen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist unerheblich, dass die IV-Stelle in der Vernehmlassung zur Beschwerde der Versicherten auf einen Invaliditätsgrad von lediglich 30 % geschlossen und eine reformatio in peius der Verfügung vom 11. August 1999 beantragt hat. Ein solcher Antrag ist zwar an sich zulässig, weil die Rekursbehörde an die Begehren der Parteien nicht gebunden ist und zu deren Gunsten oder Ungunsten hinausgehen kann (Art. 85 Abs. 2 lit. d AHVG in Verbindung mit Art. 69 IVG). Dem Antrag kommt jedoch nicht der Charakter eines förmlichen Rechtsbegehrens zu (BGE 106 V 249; vgl. auch Gygi, a.a.O., S. 192 f.). Daraus, dass die Vorinstanz dem Antrag auf reformatio in peius nicht gefolgt ist, vermag die IV-Stelle daher keine für die Beschwerdebefugnis relevante Beschwer abzuleiten. Im Übrigen hätte die Versicherte im Falle einer reformatio in peius praxisgemäss die Möglichkeit gehabt, die Beschwerde zurückzuziehen (BGE 122 V 167 Erw. 2a mit Hinweisen). 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
 
I.Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird nicht eingetreten. 
 
II.Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
III. Die IV-Stelle des Kantons St. Gallen hat der Beschwerdegegnerin für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von 
 
 
Fr. 1500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen. 
 
IV.Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, der Ausgleichskasse Gewerbe St. Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherung 
 
 
zugestellt. 
Luzern, 10. Juni 2002 
 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der I. Kammer: 
 
Der Gerichtsschreiber: