Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
2C_526/2014  
   
   
 
 
 
Urteil vom 10. Juni 2015  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Zünd, Präsident, 
Bundesrichter Seiler, 
Bundesrichterin Aubry Girardin, 
Gerichtsschreiber Klopfenstein. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Barbara Wyler, 
 
gegen  
 
Migrationsamt des Kantons Thurgau, 
 
Departement für Justiz und Sicherheit des Kantons Thurgau. 
 
Gegenstand 
Widerruf der Niederlassungsbewilligung/ 
Familiennachzug, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des 
Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau 
vom 26. März 2014. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
 Der aus Pakistan stammende A.________ (geb. 1973) gelangte im November 1996 in die Schweiz und ersuchte hier um Asyl. Am 14. November 1997 heiratete er die in Deutschland wohnende, um 24 Jahre ältere schweizerisch-deutsche Doppelbürgerin B.________ (geb. 1949) und zog zu ihr nach Deutschland, worauf sein Asylgesuch am 28. Januar 1998 durch Nichteintreten erledigt wurde. Im November 2001 kehrten die Ehegatten in die Schweiz zurück und nahmen im Kanton Thurgau Wohnsitz. Sie unterzeichneten am 6. Dezember 2006 eine Erklärung, wonach sie in einer tatsächlichen, ungetrennten, stabilen ehelichen Gemeinschaft lebten und weder Trennungs- noch Scheidungsabsichten bestünden. Daraufhin wurde A.________, der seit dem 14. September 2006 im Besitz der Niederlassungsbewilligung war, am 5. Januar 2007 erleichtert eingebürgert. 
 
B.  
 
 Die Ehe A.-B.________ wurde am 18. Mai 2010 auf gemeinsames Begehren geschieden. Wenige Tage später heiratete A.________ die pakistanische Staatsangehörige C.________ (geb. 1990). 
 
 Am 11. September 2011 leitete das Bundesamt für Migration ein Verfahren betreffend Nichtigerklärung der erleichterten Einbürgerung ein, nachdem die schweizerische Vertretung in Pakistan darauf hingewiesen hatte, A.________ sei zwischen dem 2. August 2005 und dem 4. Februar 2009 trotz bestehender Ehe in der Schweiz mit der Pakistanerin D.________ verheiratet gewesen. 
 
 Am 23. Dezember 2011 widerrief das Bundesamt für Migration die erleichterte Einbürgerung von A.________. Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 19. Juli 2012 ab. Dieses Urteil erwuchs in Rechtskraft. 
 
C.  
 
 Am 14. Dezember 2012 stellte A.________ beim Migrationsamt des Kantons Thurgau ein Familiennachzugsgesuch für die in Pakistan lebende Ehefrau C.________ und die am 21. Oktober 2012 geborene gemeinsame Tochter. 
 
 Mit Verfügung vom 24. Juli 2013 widerrief das Migrationsamt die Niederlassungsbewilligung von A.________ und wies dessen Familiennachzugsgesuch ab. Zur Begründung führte das Amt im Wesentlichen aus, im Verfahren um Erteilung der Niederlassungsbewilligung habe A.________ seine damals bestehende Ehe mit D.________ verschwiegen, um die angestrebte Bewilligung zu erhalten und danach erleichtert eingebürgert zu werden. 
 
 Der gegen diese Verfügung an das Departement für Justiz- und Sicherheit des Kantons Thurgau erhobene Rekurs blieb erfolglos; und mit Urteil vom 26. März 2014 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau die gegen den Departementsentscheid vom 14. November 2013 gerichtete Beschwerde ebenfalls ab. 
 
D.  
 
 Mit Eingabe vom 27. Mai 2014 führt A.________ beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit den Anträgen, das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 26. März 2014 aufzuheben, die Niederlassungsbewilligung nicht zu widerrufen und das Migrationsamt des Kantons Thurgau anzuweisen, auf das Familiennachzugsgesuch einzutreten bzw. dieses materiell zu prüfen. 
 
 Das Migrationsamt, das Departement für Justiz- und Sicherheit sowie das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau beantragen Abweisung der Beschwerde, ebenso das Bundesamt (heute: Staatssekretariat) für Migration. 
 
 Mit Verfügung vom 3. Juni 2014 hat der Abteilungspräsident der Beschwerde - antragsgemäss - aufschiebende Wirkung zuerkannt. 
 
 A.________ hat sich mit Eingabe vom 1. September 2014 noch einmal geäussert. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Gegen den kantonal letztinstanzlichen Endentscheid betreffend den Widerruf der Niederlassungsbewilligung - welche vorliegend nach der Nichtigerklärung der erleichterten Einbürgerung wieder aufgelebt ist (vgl. BGE 135 II 1 E. 3 S. 5 ff.) -, steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten offen (Art. 82 lit. a, Art. 83 lit. c Ziff. 2 [e contrario], Art. 86 Abs. 1 lit. d und Art. 90 BGG; BGE 135 II 1 E. 1.2.1 S. 4). Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen vorliegen, ist auf die Beschwerde einzutreten.  
 
1.2. Mit der Beschwerde kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 und 96 BGG geltend gemacht werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es legt seinem Urteil die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG). Mit einer Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten können diese nur dann gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig, d.h. willkürlich sind (BGE 133 II 249 E. 1.2.2 S. 252; 133 III 393 E. 7.1 S. 398) oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen. Zudem ist vom Beschwerdeführer aufzuzeigen, dass die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Auf rein appellatorische Kritik an der Sachverhaltsermittlung oder der Beweiswürdigung tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 137 II 353 E. 5.1 S. 356.)  
 
1.3. Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG). Echte Noven, d.h. Tatsachen, die erst nach dem angefochtenen Urteil eingetreten sind, bleiben im bundesgerichtlichen Verfahren in jedem Fall unberücksichtigt (BGE 135 I 221 E. 5.2.4 S. 229; 133 IV 342 E. 2.1 S. 343 f.). Unzulässig sind sodann Tatsachenbehauptungen und Beweise, die bereits im vorinstanzlichen Verfahren hätten vorgebracht werden können und müssen, mit denen nachträglich belegt werden soll, dass die Sachverhaltsfeststellung offensichtlich unrichtig oder die Beweiswürdigung willkürlich vorgenommen worden ist (Urteil 2C_327/2010 vom 19. Mai 2011 E. 3.1, nicht publ. in: BGE 137 I 347, mit Hinweis auf BGE 135 V 194 ff.).  
 
2.  
 
 Nach Art. 63 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 62 lit. a AuG kann die Niederlassungsbewilligung widerrufen werden, wenn die ausländische Person oder ihr Vertreter im Bewilligungsverfahren falsche Angaben macht oder wesentliche Tatsachen verschwiegen hat. Die falsche Angabe oder das Verschweigen wesentlicher Tatsachen muss in der Absicht erfolgen, gestützt darauf den Aufenthalt oder die Niederlassung bewilligt zu erhalten (Urteile 2C_682/2012 vom 7. Februar 2013 E. 4.1; 2C_726/2011 vom 20. August 2012 E. 3.1.1; 2C_656/2011 vom 8. Mai 2012 E. 2.1). Der Ausländer ist verpflichtet, den Behörden wahrheitsgetreu über alles Auskunft zu geben, was für den Bewilligungsentscheid massgebend sein kann (Art. 90 AuG). Wesentlich sind dabei nicht nur Umstände, nach denen die Fremdenpolizei ausdrücklich fragt, sondern auch solche, von denen der Gesuchsteller wissen muss, dass sie für den Bewilligungsentscheid massgeblich sein können (Urteile 2C_15/2011 vom 31. Mai 2011 E. 4.2.1). Auch diesbezüglich ist der Gesuchsteller auskunftspflichtig, wenn er bei der Behörde durch von ihm zu vertretende Umstände einen falschen Anschein über Tatsachen erweckt oder aufrechterhält. Das betrifft namentlich das Vorliegen von Parallelbeziehungen und daraus entsprungenen Kindern (statt vieler Urteil 2C_359/2014 vom 1. Dezember 2014 E. 3). Als wesentlicher Umstand gilt gemäss ständiger Rechtsprechung u.a. auch die Absicht der Nichtfortsetzung einer bisherigen bzw. der Begründung einer neuen Ehe (vgl. Urteil 2A.346/2004 vom 10. Dezember 2004 E. 2.2 , bestätigt im Urteil 2C_287/2012 vom 2. November 2012 E. 3.1) 
 
 Der Widerruf ist indessen nur zulässig, wenn er aufgrund der relevanten Gesamtumstände verhältnismässig ist (Art. 96 AuG; Urteile 2C_682/2012 vom 7. Februar 2013 E. 5; 2C_726/2011 vom 20. August 2012 E. 3.1.1; 2C_656/2011 vom 8. Mai 2012 E. 2.1). 
 
3.  
 
3.1. Die Vorinstanz hat erwogen, jedenfalls nach der Heirat mit D.________ am 2. August 2005 könne nicht mehr gesagt werden, dass beim Beschwerdeführer noch ernsthaft (der Wille) zur Aufrechterhaltung einer ehelichen Gemeinschaft im eigentlichen Sinn mit B.________ vorhanden gewesen sei, sondern es müsse davon ausgegangen werden, dass er - von seiner Seite her - diese erste Ehe bloss noch im Hinblick auf die Erlangung der Niederlassungsbewilligung und der erleichterten Einbürgerung aufrecht erhalten habe.  
 
 Sodann erwog die Vorinstanz unter Verweis auf das rechtskräftige Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Juli 2012 (dort E. 6.3. und 6.4), es sei ebenso davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer den schweizerischen Behörden die in Pakistan eingegangene Zweitehe bewusst verheimlicht habe, um die erleichterte Einbürgerung (und zuvor die Erteilung der Niederlassungsbewilligung) nicht zu gefährden. 
 
3.2. Der Beschwerdeführer lässt vor dem Bundesgericht vortragen, bei seiner Verbindung mit D.________ habe es sich um eine Zwangsehe gehandelt. Eine Zwangsehe verstosse unbestrittenermassen gegen den schweizerischen "Ordre public" und könne hier mit Blick auf das Recht auf Ehe und Familie (Art. 14 BV) bzw. auf das Recht auf persönliche Freiheit (Art. 10 BV) nicht anerkannt werden. Es habe daher "objektiv absolut keine Verpflichtung" bestanden, eine solche "nicht bestehende Ehe" den Schweizer Migrationsbehörden mitzuteilen.  
 
 Im kantonalen Verfahren (Beschwerde an die Vorinstanz Ziff. 7) hatte der Beschwerdeführer geltend gemacht, die Zweitehe mit D.________ sei "nach dem kulturellen Brauch in Pakistan" geschlossen worden. Dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Juli 2012 lässt sich entnehmen (E. 6.2), dass der Beschwerdeführer im Verfahren der Nichtigerklärung der Einbürgerung vorgetragen hat, "tatsächlich sei die Ehe von seinen Eltern und den Eltern der Braut arrangiert worden". Die Behauptung, bei der Verbindung mit D.________ habe es sich um eine eigentliche Zwangsehe gehandelt, ist vor Bundesgericht damit neu und bleibt als unzulässiges Novum unbeachtlich (vorne E. 1.3). Die übrige Kritik des Beschwerdeführers an der Feststellung der Vorinstanz, dass eine Ehe mit D.________ bestanden habe, ist rein appellatorisch oder - soweit geltend gemacht wird, allein deren Familie habe die "Zwangsheirat (...) angebahnt" (S. 8/9 der Beschwerdeschrift) - neu und damit nicht zu hören. 
 
3.3. Damit steht fest, dass der Beschwerdeführer mit D.________ die Ehe geschlossen hatte. Bei dieser sachverhaltlichen Lage ist der Widerrufsgrund von Art. 63 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 62 lit. a AuG erfüllt; der Beschwerdeführer hätte spätestens im Verfahren auf Erteilung der Niederlassungsbewilligung auf diese Parallelehe hinweisen müssen (vgl. zur Mitteilungspflicht einer religiösen Ehe auch das Urteil 2C_445/2010 vom 11. November 2010 E. 3).  
 
4.  
 
 Es bleibt noch zu prüfen, ob der Widerruf der Niederlassungsbewilligung aufgrund der relevanten Gesamtumstände verhältnismässig erscheint (vorne E. 2, am Ende). 
 
 Der Beschwerdeführer bringt in diesem Zusammenhang einzig vor, er sei nicht relevant straffällig gewesen und er sei beruflich gut integriert. Ausschlaggebend für eine Bejahung der Verhältnismässigkeit des Bewilligungswiderrufs ist aber vorliegend nicht die im kantonalen Verfahren mehrfach erwähnte (Bagatell-) Straffälligkeit des Beschwerdeführers, die hier keiner weiteren Erörterung bedarf, sondern der Umstand, dass seine heutige Ehefrau und die gemeinsame Tochter sowie seine übrige Verwandtschaft und diejenige seiner Frau in Pakistan leben, er dorthin gute Kontakte hat und ihm die dortige Sprache und Lebensweise immer noch geläufig sind (angefochtener Entscheid S. 12). 
 
5.  
 
 Die Beschwerde ist damit abzuweisen. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 10. Juni 2015 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Zünd 
 
Der Gerichtsschreiber: Klopfenstein