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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
9C_384/2014 {T 0/2}  
   
   
 
 
 
Urteil vom 10. Juli 2014  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Kernen, Präsident, 
Bundesrichterin Glanzmann, 
Bundesrichter Parrino, 
Gerichtsschreiber Traub. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Willi Füchslin, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
IV-Stelle Schwyz,  
Rubiswilstrasse 8, 6438 Ibach, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Schwyz 
vom 9. April 2014. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.________ (geb. am 25. Februar 1957) bezog mit Wirkung seit September 2004 eine ganze Invalidenrente (Verfügung vom 8. April 2005). Im Rahmen einer Überprüfung des Leistungsanspruchs (Rentenrevision nach lit. a Abs. 1 der Schlussbestimmungen zur 6. IV-Revision) holte die IV-Stelle Schwyz bei der Medizinischen Abklärungsstelle (MEDAS) ein polydisziplinäres (Psychiatrie, Innere Medizin, Neurologie, Orthopädie) Gutachten ein, das am 3. April 2013 erstattet wurde. Die IV-Stelle kam zum Schluss, es sei keine Invalidität mehr ausgewiesen. Demgemäss hob sie die Invalidenrente mit Wirkung ab Ende November 2013 auf (Verfügung vom 24. Oktober 2013). 
 
B.   
Das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz wies die dagegen erhobene Beschwerde ab (Entscheid vom 9. April 2014). 
 
C.   
A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Rechtsbegehren, der angefochtene Entscheid und die strittige Verfügung seien dahingehend abzuändern, dass ihr weiterhin eine Invalidenrente zustehe. Eventuell sei die Sache zu ergänzender Abklärung an die Vorinstanz oder an die Verwaltung zurückzuweisen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem wegen Verletzung von Bundesrecht im Sinne von Art. 95 lit. a BGG erhoben werden. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, wie ihn die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
 
2.   
Die Aufhebung der Invalidenrente erfolgte in Anwendung von lit. a Abs. 1 der am 1. Januar 2012 in Kraft getretenen Schlussbestimmungen der Änderung des IVG vom 18. März 2011 (6. IV-Revision, erstes Massnahmenpaket [AS 2011 5659; BBl 2011 2723 und 2010 1817]; nachfolgend: Schlussbestimmung). Danach werden Renten, die bei pathogenetisch-ätiologisch unklaren syndromalen Beschwerdebildern ohne nachweisbare organische Grundlage gesprochen wurden, innerhalb von drei Jahren nach Inkrafttreten der Änderung überprüft. Sind die Voraussetzungen nach Art. 7 ATSG nicht erfüllt, so wird die Rente herabgesetzt oder aufgehoben, auch wenn die Voraussetzungen von Art. 17 Abs. 1 ATSG nicht erfüllt sind. Abs. 1 findet keine Anwendung auf Personen, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Änderung das 55. Altersjahr zurückgelegt haben oder im Zeitpunkt, in dem die Überprüfung eingeleitet wird, seit mehr als 15 Jahren eine Rente der Invalidenversicherung beziehen (Abs. 4). 
 
3.   
 
3.1. Beruhte die Zusprechung der Invalidenrente auf einer von lit. a der Schlussbestimmung erfassten gesundheitlichen Beeinträchtigung, kann im vorgegebenen Zeitrahmen eine voraussetzungslose (namentlich nicht von einer massgebenden Veränderung im Sinne von Art. 17 Abs. 1 ATSG abhängige) Neubeurteilung des Rentenanspruchs stattfinden, sofern, wie hier, keine der in Abs. 4 genannten Ausnahmesituationen gegeben ist.  
Bei der Zusprechung der ganzen Rente (Verfügung vom 8. April 2005) waren im Wesentlichen folgende Befunde massgebend: ein chronisches Schmerzsyndrom im Bereich des Nackens, beider Schultern, Ellenbogen und Vorderarme (unter anderem bei mehreren Bandscheibenprotrusionen im Bereich der Halswirbelsäule), ein Verdacht auf Fibromyalgie, persistierende Beschwerden nach einem Quetschtrauma des linken Rückfusses sowie ein Status nach operativer Behandlung eines beidseitigen Karpaltunnelsyndroms (vgl. Beschluss der IV-Stelle Schwyz vom 9. Dezember 2004). Im Herbst 2012 kamen die Administrativsachverständigen der MEDAS nach einer umfassenden Untersuchung zum Schluss, Diagnosen mit Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit (auch bezogen auf die angestammte Tätigkeit als Verkäuferin im Bereich Charcuterie/Käse) lägen nicht vor. Dies gelte auch retrospektiv. Diese neue Einschätzung beruhe nicht auf Verbesserungen des Gesundheitszustandes, sondern stelle eine abweichende Beurteilung des überwiegend gleichen medizinischen Sachverhaltes dar (interdisziplinäres Gutachten vom 3. April 2013). 
 
3.2. Anhand dieser Ausgangslage ist zu prüfen, ob die Rente im Sinne der Schlussbestimmung "bei" einem unklaren Beschwerdebild zugesprochen worden ist (vgl. BGE 139 V 547 E. 10 S. 568). Im Urteil 9C_379/2013 vom 13. November 2013 konnte noch offengelassen werden, ob das Anwendungsfeld der Schlussbestimmung von vornherein auf die spezifischen Diagnosen beschränkt ist, welche ausdrücklich in die mit BGE 131 V 49 und 130 V 352 eingeleitete Rechtsprechung einbezogen wurden (E. 3.2.3). Zweck der Schlussbestimmung ist es indes, in den daselbst gezogenen Grenzen Rentenbezüger möglichst gleich zu behandeln wie Rentenanwärter. Mit Blick auf diese Zielsetzung kommt es auf die Natur des Gesundheitsschadens an, nicht auf eine präzise Diagnose.  
Die "relativ geringen pathologischen Befunde" (Stellungnahme des Regionalen Ärztlichen Dienstes [RAD] der IV-Stelle vom 24. November 2009) korrelierten auch nach den ärztlichen Feststellungen, wie sie im Zeitpunkt der Rentenzusprechung im Frühjahr 2005 vorlagen, nicht mit der damals angenommenen vollständigen Arbeitsunfähigkeit. Es scheint nur der fachlichen Ausrichtung der damals berichtenden Rheumatologen, Orthopäden und Allgemeinmediziner zuzuschreiben, dass die Schmerzstörung ausschliesslich von den körperlichen Befunden her - und nicht als vorwiegend psychosomatische Grösse - umschrieben wurde. Offensichtlich waren die organischen Beeinträchtigungen stets von untergeordneter Bedeutung. Soweit sie  auch zu einer Leistungseinschränkung beitrugen, hindert dies die Anwendbarkeit der Schlussbestimmung nicht (vgl. Urteil 8C_74/2014 vom 16. Mai 2014 E. 6.2.3). Dem Erfordernis, dass die Rente "bei" einem syndromalen Beschwerdebild gesprochen worden sein muss, steht ferner nicht die aktuelle gutachtliche Schlussfolgerung entgegen, es lasse sich selbst rückblickend für den Zeitpunkt der rentenzusprechenden Verfügung im Frühjahr 2005 gar keine Diagnose mit Relevanz für die Arbeitsfähigkeit stellen. Diese Einschätzung bringt bloss eine veränderte versicherungsmedizinische Betrachtungsweise zum Ausdruck (vgl. Gutachten S. 14 unten). Somit fällt die Angelegenheit - unabhängig davon, ob die Frage nach dem Vorliegen eines syndromalen Beschwerdebildes aufgrund der Sichtweise bei Rentenzusprechung oder aber nach retrospektiver Beurteilung zu beantworten ist - in den Geltungsbereich der Schlussbestimmung.  
 
 
3.3. Zu prüfen bleibt, wie es sich unter Berücksichtigung der Rechtsprechung verhält, wonach die Schlussbestimmung nicht anwendbar ist, wenn die spezifische Rechtsprechung zu den unklaren Beschwerdebildern bei der Rentenzusprechung bereits beachtet wurde (BGE 140 V 8). Bei Erlass der Verfügung vom 8. April 2005 hatte die IV-Stelle Kenntnis (vgl. BGE 140 V 8 E. 2.3 S. 14) von der Rechtsprechung betreffend die somatoforme Schmerzstörung (BGE 130 V 352 [Urteil vom 12. März 2004]). Diese Praxis wäre für das von der Verwaltung angenommene "chronische Schmerzsyndrom im Bereich des Nackens, beider Schultern, Ellenbogen und Vorderarme" an sich einschlägig gewesen. Entsprechendes Problembewusstsein kommt denn auch in einer handschriftlichen Notiz auf dem Beschluss der IV-Stelle vom 9. Dezember 2004 zum Ausdruck ("...trotz nicht ganz überzeugenden organischen Befunden bei überwiegender Fibromyalgie keine weiteren Abklärungen"). Darüber hinaus bestehen jedoch keine Anhaltspunkte, dass die betreffende Rechtsprechung tatsächlich zur Anwendung gelangte. Letztlich begriff die IV-Stelle das Beschwerdebild doch als organisches Geschehen. Auf die verschiedentlich thematisierte Fibromyalgie wiederum (vgl. die Berichte der Rheumatologin Dr. C.________ vom 29. März 2004 und des Orthopäden Dr. B.________ vom 9. September 2004) wurde die spezifische Praxis erst später ausgedehnt (mit BGE 132 V 65 [Urteil vom 8. Februar 2006]). Somit steht das in BGE 140 V 8 formulierte Erfordernis einer Anwendung der Schlussbestimmung nicht entgegen.  
 
4.   
Nach dem Gesagten hat die Vorinstanz den Rentenanspruch der Beschwerdeführerin zu Recht unter diesem Rechtstitel überprüft. Das kantonale Gericht erwog, auf die mit MEDAS-Gutachten vom 3. April 2013 bescheinigte uneingeschränkte Arbeitsfähigkeit (auch in der früheren Tätigkeit einer Verkäuferin) sei abzustellen. Daraus ergebe sich, dass kein rentenbegründender Invaliditätsgrad vorliege (E. 5 des angefochtenen Entscheids). Auf die vorinstanzlichen Ausführungen hiezu kann verwiesen werden: Zunächst sind die tatsächlichen Feststellungen zum medizinischen Sachverhalt nicht offensichtlich unrichtig oder sonstwie bundesrechtswidrig (vgl. oben E. 1). Nichts spricht gegen den Beweiswert des MEDAS-Gutachtens, zumal sich dessen Ergebnisse von den ärztlichen Berichten aus der Zeit der Rentenzusprechung wohl in der (ausgesprochen ermessensgeprägten) Einschätzung der funktionellen Folgen unterscheiden, kaum aber in der diagnostischen Essenz. Sodann verstösst der aus diesen Tatsachen gezogene Schluss, ein fortdauernder Leistungsanspruch fehle, nicht gegen Bundesrecht. Insbesondere bedarf es keiner weiteren Ausführungen über den kriteriengeleiteten Nachweis von invalidisierenden Folgen des Beschwerdebildes (vgl. BGE 139 V 547 E. 10.1.3 S. 569); wie erwähnt attestieren die MEDAS-Gutachter keine Arbeitsunfähigkeit, deren Rechtserheblichkeit anhand der einschlägigen normativen Kriterien zu beurteilen wäre. 
 
5.   
Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 ATSG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 10. Juli 2014 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Kernen 
 
Der Gerichtsschreiber: Traub