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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
6B_579/2014  
   
   
 
 
 
Urteil vom 10. September 2014  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Mathys, Präsident, 
Bundesrichter Oberholzer, Rüedi, 
Gerichtsschreiberin Unseld. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Reto Ineichen, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Luzern, Postfach 3439, 6002 Luzern,  
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Rückversetzung in den stationären Massnahmenvollzug, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Luzern, 2. Abteilung, vom 5. Mai 2014. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
 Das Kriminalgericht des Kantons Luzern sprach X.________ am 11. Juni 2010 wegen mehrfachen Diebstahls, mehrfachen geringfügigen Diebstahls, versuchten Diebstahls, mehrfachen Raubs, Sachbeschädigung, Hehlerei, mehrfachen Hausfriedensbruchs und mehrfacher Widerhandlungen gegen Art. 19 Ziff. 1 aBetmG schuldig und verurteilte ihn bei Annahme einer verminderten Schuldfähigkeit zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten sowie einer Busse von Fr. 200.--. Die Freiheitsstrafe schob es zugunsten einer kombinierten Massnahme nach Art. 59 und 60 StGB auf. 
 
B.  
 
 Mit Entscheid der Vollzugs- und Bewährungsdienste des Kantons Luzern (VBD) vom 25. Juni 2012 wurde X.________ per 30. Juni 2012 bedingt aus dem Vollzug der stationären Massnahme entlassen. Die VBD legten die Probezeit auf zwei Jahre fest, ordneten während dieser Zeit Bewährungshilfe an und erteilten X.________ die Weisung, das Medikament Concerta einzunehmen sowie auf den Konsum illegaler Drogen zu verzichten. Letzteres sei auf Verlangen der Bewährungshilfe mittels geeigneter Kontrollen zu überprüfen. 
 
C.  
 
 Die VBD verwarnten X.________ am 8. Mai 2013 schriftlich und am 25. Juli 2013 erneut mündlich, weil er sich der Bewährungshilfe mehrfach entzogen und die ihm auferlegten Weisungen missachtet hatte (Nichteinnahme des Medikaments Concerta, Konsum von Kokain und Heroin). Am 9. September 2013 wurden bei X.________ 0.53 Gramm Heroin sichergestellt. Zwei Tage später wurde er im Besitz von 10.95 Gramm Heroin angehalten. Aufgrund dieser Vorkommnisse wurde er vom 11. September bis am 11. Oktober 2013 in Untersuchungshaft versetzt und mit Strafbefehl vom 25. November 2013 wegen Widerhandlung gegen Art. 19 Abs. 1 lit. c und Art. 19a Ziff. 1 BetmG zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je Fr. 100.-- sowie einer Busse von Fr. 200.-- verurteilt. Der Strafbefehl blieb unangefochten. 
 
D.  
 
 Das Kriminalgericht des Kantons Luzern ordnete am 3. Oktober 2013 die Rückversetzung von X.________ in den stationären Massnahmenvollzug an. Das Kantonsgericht Luzern bestätigte am 5. Mai 2014 den erstinstanzlichen Entscheid. 
 
E.  
 
 X.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit den Anträgen, das Urteil vom 5. Mai 2014 aufzuheben, auf die Rückversetzung in den stationären Massnahmenvollzug zu verzichten und stattdessen eine engmaschigere Kontrolle der Drogenabstinenz, verbunden mit einer ambulanten (Psycho-) Therapie anzuordnen. Er ersucht um unentgeltliche Rechtspflege. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Gemäss Art. 62a Abs. 6 i.V.m. Art. 95 Abs. 3 StGB erstattet die zuständige Behörde dem Gericht oder den Strafvollzugsbehörden Bericht, wenn sich der Verurteilte der Bewährungshilfe entzieht oder die Weisungen missachtet. Nach Art. 95 Abs. 5 StGB kann das Gericht die bedingte Strafe widerrufen oder die Rückversetzung in den Straf- oder Massnahmenvollzug anordnen, wenn ernsthaft zu erwarten ist, dass der Verurteilte neue Straftaten begehen wird.  
 
 
1.2. Laut dem Bericht des Bewährungshelfers vom 14. Februar 2014 fanden insgesamt 16 Gespräche mit dem Beschwerdeführer statt. Für 10 Gespräche habe sich dieser rechtzeitig abgemeldet, 15 Termine habe er ohne vorherige Abmeldung nicht wahrgenommen. Ab 2013 hätten sich die unentschuldigt verpassten Termine gehäuft. Im Mai 2013 habe der Beschwerdeführer eine Reihe von Konsumrückfällen offengelegt. Die durch die VBD neu spezifizierten Auflagen (Absprache mit Hausärztin zwecks Einnahme des Medikaments Concerta und monatliche Abstinenzkontrollen in Form von Urinproben) habe er nicht eingehalten. Die seitens der VBD schon längere Zeit ins Auge gefasste Haaranalyse habe aufgrund der krisenbedingten weiter verschlechterten Kooperation ebenfalls nicht durchgeführt werden können. Nach der Entlassung aus der Untersuchungshaft im Oktober 2013 habe das Kooperationsverhalten zunächst jenem zu Beginn des Betreuungsverhältnisses geglichen. Seit Anfang des Jahres 2014 lasse die Kooperation aber wieder zu wünschen übrig (Urteil E. 3.2.4. S. 9).  
 
1.3. Die Vorinstanz führt zusammengefasst aus, die grundlegenden Voraussetzungen der im Zusammenhang mit der bedingten Entlassung gestellten positiven Legalprognose seien weggefallen. Zwar seien dem Beschwerdeführer die von der Bewährungshilfe dokumentierten glaubhaften Bemühungen zugutezuhalten, trotz widriger Umstände zu der von ihm erwünschten festen Arbeitsstelle zu kommen. Die zurzeit unsichere Arbeitsplatzsituation bleibe aber ein Risikofaktor. Hinzu komme die auch nach der Entlassung aus der Untersuchungshaft im Herbst 2013 unzuverlässige Wahrnehmung der Termine der Bewährungshilfe und der Entschluss des Beschwerdeführers, entgegen den Weisungen der VBD auf die Einnahme des Medikaments Concerta zu verzichten, das der Behandlung der psychischen Störung dienen solle (Urteil E. 3.3.1. S. 10 f.).  
Angesichts des erneuten erheblichen Drogenkonsums, der bereits im ursprünglichen Strafverfahren diagnostizierten Betäubungsmittelabhängigkeit und der Weigerung des Beschwerdeführers, sich während der Probezeit einer wirksamen systematischen Abstinenzkontrolle zu unterziehen, sei es bei weiterhin unsicherer Arbeits- und Wohnsituation im höchsten Mass wahrscheinlich, dass dieser auch künftig weitere Übertretungen oder Vergehen gegen das BetmG begehen werde. Bei fortdauerndem Drogenkonsum sei darüber hinaus ernsthaft davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer weitere Taten im Sinne von Beschaffungskriminalität begehen werde. Die frühere Delinquenz lege dies nahe, zumal das forensisch-psychiatrische Gutachten ohne (erfolgreiche) Behandlungsmassnahmen von einer Rückfallgefahr auch im Bereich von Eigentums- und Gewaltdelikten ausgehe. Die auch zuletzt unzuverlässige Inanspruchnahme der Bewährungshilfe und die Missachtung der Weisungen würden zu einer deutlich negativen Einschätzung der Rückfallgefahr führen, weshalb die Voraussetzungen von Art. 95 Abs. 5 StGB erfüllt seien (Urteil S. 11). 
 
2.   
 
2.1. Der Beschwerdeführer rügt, ausser geringfügigen Betäubungsmitteldelikten lägen keine neuen Straftaten vor. Es sei ihm gelungen, über ein Jahr lang keine Drogen zu konsumieren und insbesondere keine einschlägigen Delikte mehr zu begehen, welche zur ursprünglichen Verurteilung durch das Kriminalgericht des Kantons Luzern geführt hätten. In diesem Sinne sei durchaus von einer Bewährung auszugehen.  
Der Beschwerdeführer verkennt, dass neue einschlägige Straftaten keine Voraussetzung für die Rückversetzung sind. Nach Art. 95 Abs. 5 StGB genügt vielmehr, dass neue Straftaten ernsthaft zu erwarten sind. Davon geht die Vorinstanz auch im Bereich der Beschaffungskriminalität (Eigentums- und Gewaltdelikte) willkürfrei aus, da der Beschwerdeführer nach einer rund dreijährigen Abstinenz wieder in den Drogenkonsum zurückfiel, seine Arbeitsplatzsituation nach wie vor unsicher ist und er sich der Bewährungshilfe entzog sowie den Weisungen der VBD widersetzte. 
 
2.2. Der Beschwerdeführer wendet ein, er sei nach der bedingten Entlassung aus der stationären Massnahme vollkommen auf sich alleine gestellt gewesen und habe sich selber um eine Wohnung und eine Arbeitsstelle bemühen müssen. Zu keinem Zeitpunkt sei ein eng gefasstes, ambulantes Setting vorhanden gewesen, sondern er sei ohne begleitende Massnahmen und stützende Therapie praktisch vor die Tür gesetzt worden. Auf die Anordnung einer Psychotherapie sei verzichtet worden, weil er sich dagegen ausgesprochen habe, dies obschon es erste Pflicht der Behörden gewesen wäre, die notwendig erscheinenden Massnahmen und insbesondere entsprechende Bewährungshilfen oder Weisungen auch ohne sein direktes Einverständnis festzulegen.  
Die Vorwürfe des Beschwerdeführers treffen nicht zu. Dieser hatte gemäss den vorinstanzlichen Feststellungen einen engagierten Bewährungshelfer und Weisungen zu beachten. Er wurde zudem medizinisch betreut und fand sich in den ersten Monaten nach der bedingten Entlassung auch gut zurecht. Den Behörden kann nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass sie neben der medikamentösen Behandlung nicht auch eine Psychotherapie anordneten, da sich der Beschwerdeführer dem ausdrücklich widersetzte. 
 
2.3. Der Beschwerdeführer beanstandet, nicht nachvollziehbar sei, inwieweit eine Ausschreibung im RIPOL eine verurteilte Person beeinflussen könne, da diese davon keine Kenntnis habe.  
Aus den Akten geht hervor, dass der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 23. August 2013 über die Ausschreibung im RIPOL informiert wurde (kant. Akten, act. 2.3a). Der Einwand ist auch deshalb unbegründet, weil die vom Beschwerdeführer kritisierte Passage (Urteil S. 7) den von der Vorinstanz wiedergegebenen Standpunkt der Staatsanwaltschaft betrifft. Diese wirft dem Beschwerdeführer vor, weder die Information über die Ausschreibung im RIPOL noch ein eng gefasstes, ambulantes Setting hätten ihn vom weiteren Konsum illegaler Drogen abzubringen vermocht. Nicht ersichtlich ist, dass sich die Vorinstanz dieses Argument zu eigen gemacht hätte. 
 
2.4. Die Vorinstanz legt dar, weshalb die Voraussetzungen von Art. 95 Abs. 5 StGB für die Rückversetzung in den Massnahmenvollzug erfüllt sind. Ihre Erwägungen lassen keine Verletzung von Bundesrecht erkennen. Der Beschwerdeführer macht geltend, die Rückversetzung sei ultima ratio, da den Behörden auch die Möglichkeiten von Art. 95 Abs. 4 StGB offenstünden. Die Bewährungshilfe sei daher neu anzuordnen und zu regeln und gleichzeitig neue bzw. geänderte Weisungen zu erlassen (Beschwerde Ziff. 8 S. 5). Damit übergeht er, dass die VBD von der Möglichkeit neuer Auflagen nach den Verwarnungen vom 8. Mai und 25. Juli 2013 bereits Gebrauch machten (vgl. kant. Akten, act. 2.3a), wobei die Massnahmen mangels Kooperation des Beschwerdeführers nicht erfolgsversprechend waren.  
 
3.  
 
 Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist infolge Aussichtslosigkeit der Beschwerde abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Der finanziellen Lage des Beschwerdeführers ist bei der Festsetzung der Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Luzern, 2. Abteilung, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 10. September 2014 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Mathys 
 
Die Gerichtsschreiberin: Unseld