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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6A.53/2005 /gnd 
 
Urteil vom 10. November 2005 
Kassationshof 
 
Besetzung 
Bundesrichter Schneider, Präsident, 
Bundesrichter Karlen, Zünd, 
Gerichtsschreiber Weissenberger. 
 
Parteien 
X.________, 
Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat Felix Moppert, 
 
gegen 
 
Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden, Verwaltungsabteilung, Rathausplatz 1, 6371 Stans. 
 
Gegenstand 
Entzug des Führerausweises, 
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen das Urteil 
des Verwaltungsgerichts des Kantons Nidwalden, Verwaltungsabteilung, vom 18. Oktober 2004. 
 
Sachverhalt: 
A. 
X.________ lenkte seinen Personenwagen am 19. Dezember 2003 in der Morgendämmerung von der Autobahn J 18 auf die Ausfahrt Reinach Süd. Die vor ihm fahrende Autolenkerin musste bei der Einmündung in die Hauptstrasse anhalten. X.________ bemerkte dies zu spät und fuhr in das Heck des vorderen Fahrzeugs. Dessen Lenkerin erlitt ein Schleudertrauma und musste notfallmässig ins Krankenhaus verbracht werden. An beiden Fahrzeugen entstand ein Sachschaden von insgesamt Fr. 5'000.--. 
B. 
Mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 30. März 2004 sprach das Bezirksstatthalteramt Arlesheim X.________ der einfachen Verletzung von Verkehrsregeln schuldig (Art. 90 Ziff. 1 SVG i.V.m. Art. 31 Abs. 1 SVG) und bestrafte ihn mit einer Busse von Fr. 300.--. 
 
Am 7. Mai 2004 entzog das Verkehrssicherheitszentrum der Kantone Ob- und Nidwalden X.________ gestützt auf Art. 16 Abs. 2 und Art. 17 Abs. 1 lit. a SVG a.F. den Führerausweis für einen Monat. 
 
Die von X.________ dagegen erhobene Einsprache wies das Verkehrssicherheitszentrum der Kantone Ob- und Nidwalden am 16. Juni 2004 ab. Darüber hinaus entzog es X.________ jegliche Führerausweise und verbot ihm das Führen von Motorfahrzeugen aller Kategorien während der Entzugsdauer. 
 
Das von X.________ angerufene Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden wies die Beschwerde mit Urteil vom 18. Oktober 2004 ab (Versand am 22. August 2005). 
C. 
X.________ erhebt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Nidwalden vom 18. Oktober 2004 aufzuheben und von einer Administrativmassnahme (Führerausweisentzug) abzusehen. Eventualiter sei nur eine Verwarnung auszusprechen. 
 
Das Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden hat auf eine Stellungnahme zur Beschwerde verzichtet. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Letztinstanzliche kantonale Entscheide über den Führerausweisentzug unterliegen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht (Art. 24 Abs. 2 SVG). Der Beschwerdeführer ist zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Nidwalden legitimiert (Art. 98 lit. g und Art. 103 lit. a OG in Verbindung mit Art. 24 Abs. 5 SVG). Auf die fristgerecht eingereichte Beschwerde ist einzutreten. 
1.2 Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht, einschliesslich der Überschreitung oder des Missbrauchs des Ermessens, gerügt sowie eine unrichtige und unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts geltend gemacht werden (Art. 104 lit. a und b OG). Nicht überprüfen kann das Bundesgericht grundsätzlich die Angemessenheit des angefochtenen Entscheides (Art. 104 lit. c OG). Gemäss Art. 105 Abs. 2 OG ist das Bundesgericht an die Feststellung des Sachverhalts gebunden, wenn eine richterliche Behörde als Vorinstanz den Sachverhalt nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt hat. 
2. 
Die Bestimmungen über die Warnungsmassnahmen (Verwarnung und Führerausweisentzug zu Warnzwecken) sind mit Bundesgesetz vom 14. Dezember 2001, in Kraft seit dem 1. Januar 2005, revidiert worden (AS 2002 2767 und AS 2004 2849). Gemäss Ziffer 1 der Schlussbestimmungen der Änderung vom 14. Dezember 2001 (AS 2002 2767 und AS 2004 2849, 5053) wird nach den Vorschriften dieser Änderung beurteilt, wer nach ihrem Inkrafttreten eine leichte, mittelschwere oder schwere Widerhandlung gegen die Strassenverkehrsvorschriften begeht. Der Beschwerdeführer hat die Verkehrsregelverletzung, die zum Entzug seines Führerausweises geführt hat, im Jahre 2003 begangen. Es findet damit das damals geltende Recht Anwendung. 
3. 
Der Beschwerdeführer bringt vor, der automobilistische Leumund sei für die Beurteilung, ob ein leichter oder ein mittelschwerer Fall vorliege, unerheblich. Abgesehen davon habe die Vorinstanz nicht berücksichtigt, dass er sich bis zur Anlasstat während acht Jahren im Strassenverkehr nichts habe zuschulden kommen lassen. Ferner hätte die Vorinstanz für den automobilistischen Leumund nur die letzten zehn Jahre berücksichtigen dürfen. Falls das Bundesgericht einen mittelschweren Fall bejahen sollte, wäre nur eine Verwarnung auszusprechen, da der Beschwerdeführer beruflich auf den Führerausweis angewiesen und damit erhöht massnahmeempfindlich sei. 
3.1 Gemäss Art. 16 Abs. 2 SVG a.F. kann der Führerausweis entzogen werden, wenn der Führer Verkehrsregeln verletzt und dadurch den Verkehr gefährdet oder andere belästigt hat (Satz 1). In leichten Fällen kann eine Verwarnung ausgesprochen werden (Satz 2). Nach Art. 16 Abs. 3 lit. a SVG a.F. muss der Führerausweis entzogen werden, wenn der Führer den Verkehr in schwerer Weise gefährdet hat. 
 
Das Gesetz unterscheidet somit: 
- den besonders leichten Fall (Art. 16 Abs. 2 Satz 2 a.F. SVG; keine Administrativmassnahme) 
- den leichten Fall (Art. 16 Abs. 2 Satz 2 SVG a.F.), 
- den mittelschweren Fall (Art. 16 Abs. 2 Satz 1 SVG a.F.), 
- den schweren Fall (Art. 16 Abs. 3 lit. a SVG a.F.). 
Nach der Rechtsprechung kann auf die Anordnung des Führerausweisentzugs grundsätzlich nur verzichtet werden, wenn der Fall leicht im Sinne von Art. 16 Abs. 2 Satz 2 SVG a.F. ist. Die Schwere der Verkehrsgefährdung ist nur insoweit von Bedeutung, als sie auch verschuldensmässig relevant ist (BGE 125 II 561 E. 2b; 126 II 202 E. 1a). Bei einem mittelschweren Fall kommt ein Verzicht auf den Führerausweisentzug lediglich in Betracht, sofern besondere Umstände vorliegen, wie sie in BGE 118 Ib 229 gegeben waren (vgl. auch BGE 123 II 106 E. 2b S. 111). 
 
Gemäss dem bis 31. Dezember 2004 geltenden Art. 31 der Verkehrszulassungsverordnung (VZV; SR 741.51) kann der Lernfahr- oder Führerausweis entzogen werden, wenn der Führer Verkehrsregeln schuldhaft verletzt und dadurch entweder den Verkehr gefährdet oder andere gefährdet hat (Abs. 1). Die Verwarnung ist an Stelle des fakultativen Ausweisentzugs möglich. Nur eine Verwarnung kann verfügt werden, wenn die Voraussetzungen für den fakultativen Entzug nach Abs. 1 der Norm erfüllt sind, der Fall aber unter Berücksichtigung des Verschuldens und des Leumundes als Motorfahrzeugführer als leicht erscheint (Abs. 2). 
 
Der leichte Fall im Sinne von Art. 16 Abs. 2 Satz 2 SVG a.F. setzt somit kumulativ ein leichtes Verschulden und einen guten automobilistischen Leumund des fehlbaren Fahrzeuglenkers voraus. Fehlt es an einem leichten Verschulden, fällt die Annahme eines leichten Falles ausser Betracht, auch wenn der automobilistische Leumund ungetrübt ist. Nur besondere Umstände, wie z.B. die Anwendung von Art. 66bis StGB (BGE 118 Ib 229), können gegebenenfalls auch bei einem mittelschweren Fall zum Verzicht auf den Ausweisentzug führen (BGE 126 II 202 E. 1b S. 205). Umgekehrt scheidet ein leichter Fall bei einem wesentlich getrübten automobilistischen Leumund aus, selbst wenn das Tatverschulden leicht ist. 
3.2 Die Vorinstanz hat das Verschulden des Beschwerdeführers als leicht im Sinne von Art. 16 Abs. 2 Satz 2 SVG a.F. gewertet. Zu prüfen ist, ob sie gestützt auf seinen Leumund als Autofahrer einen mittelschweren Fall bejahen durfte. 
 
Der Beschwerdeführer besitzt den Führerausweis seit 1970. Bis Anfang 2004 wurde ihm der Führerausweis neun Mal entzogen. Im Schnitt wurden alle vier Jahre Massnahmen gegen ihn verfügt, und zwar wegen überhöhter Geschwindigkeit, Fahren in angetrunkenem Zustand, Unaufmerksamkeit und anderer Fahrfehler. Letztmals wurde ihm im Jahre 2001 der ausländische Führerausweis für 20 Monate aberkannt. Zuvor war ihm der schweizerische Führerausweis am 24. Dezember 1994 für die Dauer von 18 Monaten entzogen worden. Die hier zu beurteilende Verkehrsregelverletzung beging der Beschwerdeführer rund 14 Monate nach Beendigung der letzten administrativen Massnahme. 
 
Angesichts der Anzahl und Schwere administrativer Massnahmen seit dem Erwerb des Führerausweises sowie der zeitlichen Abstände zwischen den letzten vollzogenen Führerausweisentzügen und dem neuen Vorfall hat die Vorinstanz ohne Bundesrecht zu verletzen einen leichten Fall im Sinne von Art. 16 Abs. 2 Satz 2 SVG a.F. verneinen dürfen. Auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil kann vollumfänglich verwiesen werden. 
 
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers durfte die Vorinstanz administrative Massnahmen berücksichtigen, die weiter als zehn Jahre zurückliegen. Aus dem automatisierten Datensystem für Administrativmassnahmen (ADMAS; vgl. Art. 104 SVG und die ADMAS-Register-Verordnung vom 18. Oktober 2000 [SR 741.55]) entfernte Daten (dazu Art. 10 der zitierten Verordnung) dürfen im Massnahmeverfahren berücksichtigt werden, wenn sie den Behörden zur Kenntnis gelangen (so auch BGE 121 IV 3 zum Strafregister; vgl. ferner 122 II 21 E. 1b). Das Gesetz sieht keine zeitliche Begrenzung für die Berücksichtigung von Massnahmen bzw. Massnahmeneinträgen bei der Beurteilung des automobilistischen Leumunds vor. Abgesehen davon macht der Beschwerdeführer nicht geltend und es ist auch nicht ersichtlich, dass der Auszug Daten enthielt, die im ADMAS-Register nicht hätten erscheinen dürfen. Im Übrigen ist für den Leumund in erster Linie der Vollzugszeitpunkt einer früheren Massnahme massgebend. Im Verhältnis dazu kommt dem Begehungszeitpunkt der Anlasstat ein geringeres Gewicht zu. Die bisher gegen den Beschwerdeführer verfügten Massnahmen zeigen, dass er sich davon nicht beeindrucken lässt und zuletzt bereits rund 14 Monate nach einem sehr langen Führerausweisentzug wieder die Verkehrsregeln missachtet hat. 
3.3 Ausgehend vom stark getrübten automobilistischen Leumund sind wie dargelegt die Voraussetzungen für die Annahme eines leichten Falles im Sinne von Art. 16 Abs. 2 Satz 2 SVG a.F. nicht gegeben. Der von den Vorinstanzen ausgesprochene einmonatige Entzug des Führerausweises entspricht der gesetzlichen Minimaldauer (Art. 17 Abs. 1 lit. a SVG a.F.), die auch bei einer vom Beschwerdeführer geltend gemachten leicht erhöhten Massnahmeempfindlichkeit nicht unterschritten werden kann. Der Verzicht auf einen Führerausweisentzug kommt mangels besonderer Umstände (dazu BGE 118 Ib 229) nicht in Betracht. Im Übrigen ist eine Entzugsdauer von einem Monat nicht unverhältnismässig hart. Auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz kann auch insoweit verwiesen werden. 
4. 
Die Beschwerde erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat der Beschwerdeführer die Verfahrenskosten zu tragen (Art. 156 Abs. 1 OG). Mit dem Entscheid in der Sache ist das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 
3. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und dem Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden, Verwaltungsabteilung, sowie dem Verkehrssicherheitszentrum Obwalden/Nidwalden und dem Bundesamt für Strassen schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 10. November 2005 
Im Namen des Kassationshofes 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: