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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
9F_9/2020  
 
 
Urteil vom 10. Dezember 2020  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Parrino, Präsident, 
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Glanzmann, 
Gerichtsschreiber Williner. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Philip Stolkin, 
Gesuchsteller, 
 
gegen  
 
IV-Stelle Bern, 
Scheibenstrasse 70, 3014 Bern, 
Gesuchsgegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Revisionsgesuch gegen das Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts vom 23. September 2015 (9C_415/2015). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Mit Verfügung vom 28. August 2014 hob die IV-Stelle Bern die A.________ seit April 1999 ausgerichtete ganze Invalidenrente rückwirkend auf Ende Februar 2013 auf. Am 7. Oktober 2014 forderte sie zudem in der Zeit von März bis September 2013 zu viel ausbezahlte Rentenbetreffnisse zurück. Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern vereinigte die beiden dagegen geführten Beschwerden und wies diese mit Entscheid vom 5. Mai 2015 ab. Soweit es auf die Beschwerde eintrat, bestätigte das Bundesgericht den kantonalen Entscheid mit Urteil 9C_415/2015 vom 23. September 2015. 
Am 16. Januar 2016 reichte die IV-Stelle Bern Strafanzeige wegen unrechtmässigen Bezugs von IV-Leistungen (Art. 87 AHVG i.V.m. Art. 70 IVG), eventuell Betrugs (Art. 146 StGB) ein. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern stellte das Verfahren mangels rechtsgenüglicher Beweise ein (Verfügung vom 22. Juni 2020). 
 
B.   
A.________ ersucht sinngemäss um die revisionsweise Aufhebung des Urteils 9C_415/2015 und um Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur weiteren Behandlung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Urteile des Bundesgerichts erwachsen am Tag ihrer Ausfällung in Rechtskraft (Art. 61 BGG). Eine nochmalige Überprüfung der zugrunde liegenden Streitsache ist grundsätzlich ausgeschlossen. Das Gericht kann auf seine Urteile nur zurückkommen, wenn einer der in Art. 121 ff. BGG abschliessend aufgeführten Revisionsgründe vorliegt. Ein solcher Revisionsgrund ist ausdrücklich geltend zu machen, wobei es nicht genügt, dessen Vorliegen zu behaupten. Der geltend gemachte Revisionsgrund ist im Revisionsgesuch unter Angabe der Beweismittel anzugeben und es ist aufzuzeigen, weshalb er gegeben sein und inwiefern deswegen das Dispositiv des früheren Urteils abgeändert werden soll (Urteil 9F_20/2019 vom 22. Januar 2020 E. 2.2 mit Hinweis).  
 
 
1.2. Nach Art. 121 BGG kann die Revision eines Urteils des Bundesgerichts u.a. verlangt werden, wenn ein Strafverfahren ergeben hat, dass durch ein Verbrechen oder Vergehen zum Nachteil der Partei auf den Entscheid eingewirkt wurde; die Verurteilung durch das Strafgericht ist nicht erforderlich. Ist das Strafverfahren nicht durchführbar, so kann der Beweis auf andere Weise erbracht werden (Art. 123 Abs. 1 BGG). Die Revision kann zudem u.a. in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten verlangt werden, wenn die ersuchende Partei nachträglich erhebliche Tatsachen erfährt oder entscheidende Beweismittel auffindet, die sie im früheren Verfahren nicht beibringen konnte, unter Ausschluss der Tatsachen und Beweismittel, die erst nach dem Entscheid entstanden sind (Art. 123 Abs. 2 lit. a BGG).  
 
2.   
Der Gesuchsteller macht geltend, mit der Einstellungsverfügung vom 22. Juni 2020 liege ein neues entscheidendes Beweismittel im Sinne von Art. 123 Abs. 2 lit. a BGG vor. Zudem sei darin ein Revisionsgrund gemäss Art. 123 Abs. 1 BGG zu erblicken. 
Diese Einwände zielen offensichtlich ins Leere: 
 
2.1. Der Einstellungsverfügung vom 22. Juni 2020 lässt sich entnehmen, dass das Strafverfahren eingestellt wurde, weil eine allfällige Widerhandlung gegen Art. 87 AHVG i.V.m. Art. 70 IVG verjährt wäre und weil Art. 148a StGB erst am 1. Oktober 2016 in Kraft getreten sei. Zudem würden in Bezug auf den Tatbestand des Betrugs gemäss Art. 146 StGB Beweise für eine arglistige Täuschung fehlen, namentlich weil eine sachdienliche Befragung des Gesuchstellers nicht möglich gewesen sei und verschiedene im Verwaltungsverfahren (zulässig) erhobene Beweismittel im Strafverfahren nicht verwertbar seien. Die Rentenaufhebung und die zugrunde gelegene gesundheitliche Verbesserung - die zentrale Thematik des Urteils 9C_415/2015 - war indessen nicht Gegenstand des Strafverfahrens; folgerichtig finden sich diesbezüglich auch keinerlei Ausführungen in der Einstellungsverfügung. Die gegenteilige Behauptung des Gesuchstellers, wonach die Staatsanwaltschaft erkannt habe, dass kein hinreichender Beweis für die Aufhebung der Rente vorgelegen habe, ist klar aktenwidrig. Es ist somit weder ersichtlich noch dargetan, inwieweit in der Einstellungsverfügung vom 22. Juni 2020 ein Beweismittel im Sinne von Art. 123 Abs. 2 lit. a BGG erblickt werden könnte.  
 
 
2.2. Weiter erhellt nicht ansatzweise, inwiefern im vorliegenden Fall das (eingestellte) Strafverfahren ergeben hätte, dass durch ein Verbrechen oder Vergehen zum Nachteil des Gesuchstellers auf einen Entscheid eingewirkt wurde. Nicht stichhaltig ist diesbezüglich jedenfalls der Einwand, ein Revisionsgrund im Sinne von Art. 123 Abs. 1 BGG sei auch anzunehmen, wenn ein Gesuchsteller fälschlicherweise eines Vergehens oder Verbrechens beschuldigt worden sei und "die Verfügung" (recte: die Rente) gerade deswegen aufgehoben worden sei. Darauf ist bereits deshalb nicht näher einzugehen, weil nach dem Dargelegten die gesundheitliche Verbesserung und nicht die Strafanzeige zur Rentenaufhebung geführt hatte.  
 
2.3. Die übrigen Einwände zielen allesamt auf eine unzulässige nochmalige Überprüfung der zugrunde liegenden Streitsache ab.  
 
3.   
Das offensichtlich unbegründete Revisionsgesuch wird analog zum vereinfachten Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG - ohne Durchführung des Schriftenwechsels mit summarischer Begründung und unter Verweis auf das Urteil 9C_415/2015 vom 23. September 2015 (vgl. Art. 102 Ab. 1 und 109 Abs. 3 BGG) - erledigt. 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Das Revisionsgesuch wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Gesuchsteller auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Bundesamt für Sozialversicherungen und dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 10. Dezember 2020 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Parrino 
 
Der Gerichtsschreiber: Williner