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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
9C_261/2009 
 
Urteil vom 11. Mai 2009 
II. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter U. Meyer, Präsident, 
Bundesrichter Seiler, Bundesrichterin Pfiffner Rauber, 
Gerichtsschreiber Traub. 
 
Parteien 
A.________, Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Rechtsanwalt Stefano Cocchi, 
 
gegen 
 
IV-Stelle Luzern, Landenbergstrasse 35, 
6005 Luzern, Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern 
vom 11. Februar 2009. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Die 1965 geborene A.________ bezog seit Mai 2003 aufgrund eines Invaliditätsgrades von 100 Prozent eine ganze Invalidenrente (Verfügung vom 11. Dezember 2003). Nach einer ersten Überprüfung des Leistungsanspruchs im Jahr 2005 kam die IV-Stelle des Kantons Luzern zum Schluss, der Gesundheitszustand habe sich nicht verändert und der Invaliditätsgrad betrage weiterhin 100 Prozent (Verfügung vom 23. August 2005). Im Rahmen eines weiteren Rentenrevisionsverfahrens im Herbst 2007 stellte die IV-Stelle fest, aufgrund einer zwischenzeitlich eingetretenen Verbesserung des Gesundheitszustandes - und damit der Arbeitsfähigkeit in einer leidensangepassten Tätigkeit - habe sich der Invaliditätsgrad auf nunmehr 56 Prozent reduziert; mit Wirkung ab Juni 2008 bestehe daher noch Anspruch auf eine halbe Invalidenrente (Verfügung vom 25. April 2008). 
 
B. 
Das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern wies die dagegen erhobene Beschwerde ab (Entscheid vom 11. Februar 2009). 
 
C. 
A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Rechtsbegehren, es sei ihr, unter Aufhebung des angefochtenen Entscheides, weiterhin eine ganze Invalidenrente auszurichten. 
 
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Stellungnahme. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
1.1 Dieses Verfahren betrifft eine Revision im Sinne von Art. 17 Abs. 1 ATSG und Art. 87 Abs. 2 IVV. Streitig ist, ob die Beschwerdeführerin aufgrund einer bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens (Verfügung vom 25. April 2008; BGE 132 V 215 E. 3.1.1 S. 220) eingetretenen Verbesserung ihres Gesundheitszustands bei einem Invaliditätsgrad von noch 56 Prozent einen Anspruch auf eine halbe Rente der Invalidenversicherung (Art. 28 IVG) hat oder ob sie unter revisionsrechtlichen Gesichtspunkten auch über Mai 2008 hinaus eine ganze Invalidenrente beanspruchen kann. 
 
1.2 Das kantonale Gericht hat die zur Beurteilung des Leistungsanspruchs einschlägigen Rechtsgrundlagen zutreffend dargelegt. Aus dem vorinstanzlichen Entscheid geht insbesondere hervor, dass neue medizinische Festlegungen revisionsrechtlich nur bedeutsam sind, wenn sie eine tatsächliche Veränderung der gesundheitlichen Verhältnisse zum Ausdruck bringen. Auch bei gleich gebliebener Diagnose ist dies der Fall, wenn sich ein Leiden in seiner Intensität und in seinen Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit verändert hat (Urteil I 212/03 vom 28. August 2003 E. 2.2.3). Hingegen stellt die bloss andere, abweichende Beurteilung eines im Wesentlichen unveränderten Sachverhalts keine revisionsbegründende oder im Rahmen der Revision relevante Änderung dar (BGE 115 V 308 E. 4a/bb S. 313; 112 V 371 S. 372 unten; SVR 2004 IV Nr. 5 S. 13 E. 2, I 574/02). 
 
1.3 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem wegen Verletzung von Bundesrecht erhoben werden (Art. 95 lit. a BGG). 
1.3.1 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG). 
1.3.2 Die aufgrund von medizinischen Untersuchungen gerichtlich festgestellte Arbeitsfähigkeit ist Entscheidung über eine Tatfrage. Dazu gehört auch die Frage, in welchem Umfang eine versicherte Person vom funktionellen Leistungsvermögen und von den verfügbaren psychischen Ressourcen her eine (Rest-) Arbeitsfähigkeit aufweist und ihr die Ausübung entsprechend profilierter Tätigkeiten zumutbar ist, es sei denn, andere als medizinische Gründe stünden der Bejahung der Zumutbarkeit im Einzelfall in invalidenversicherungsrechtlich erheblicher Weise entgegen. Soweit hingegen die Beurteilung der Zumutbarkeit von Arbeitsleistungen auf die allgemeine Lebenserfahrung gestützt wird, geht es um eine Rechtsfrage (vgl. dazu den auch unter der Herrschaft des BGG massgebenden BGE 132 V 393). Tatfrage ist wiederum, ob sich die Arbeitsfähigkeit in einem bestimmten Zeitraum - einer Verbesserung oder Verschlimmerung des Gesundheitszustandes entsprechend - verändert habe. Rechtlicher Natur ist demgegenüber unter anderem die Frage, welche Vergleichszeitpunkte im Rahmen einer Leistungsrevision heranzuziehen sind (vgl. Urteil I 692/06 vom 19. Dezember 2006 E. 3.1). 
 
2. 
2.1 Bei der Rentenrevision ist die letzte rechtskräftige Verfügung, welche auf einer materiellen Prüfung des Rentenanspruchs mit rechtskonformer Sachverhaltsabklärung, Beweiswürdigung und Durchführung eines Einkommensvergleichs beruht, zeitlicher Ausgangspunkt für die Beurteilung, ob eine anspruchserhebliche Änderung des Invaliditätsgrades eingetreten sei (BGE 133 V 108). 
2.1.1 Das kantonale Gericht gelangte aufgrund einer Würdigung des medizinischen Dossiers - wie bereits die Verwaltung - zum Schluss, im Vergleich mit den medizinischen Unterlagen, welche für die Verfügung vom 11. Dezember 2003 massgebend gewesen seien, wiesen die aktuellen Berichte eine massgebliche Verbesserung des Gesundheitszustandes aus (vgl. auch die diversen Stellungnahmen des Regionalen Ärztlichen Dienstes [RAD] der Invalidenversicherung [Einträge im Protokoll der IV-Stelle]). 
2.1.2 Im Jahr 2003 wurde bei der Beschwerdeführerin eine Depression mit psychotischen Anteilen bei histrionischer Persönlichkeit diagnostiziert; es bestehe seit Ende Juni 2002 eine vollständige Arbeitsunfähigkeit (Bericht des Psychiaters Dr. S.________ vom 27. Oktober 2003). Im Vergleich dazu fand sich - im Rahmen derselben Grunderkrankung - im Jahr 2007 eine gebesserte Situation: Die rezidivierende Depression war "zur Zeit" (letzte Untersuchung: 23. August 2007) leichtgradig und ohne psychotische Anteile; es gehe "stetig etwas aufwärts". Der Zeitpunkt sei geeignet, um berufliche Massnahmen zu prüfen. In einer angepassten Tätigkeit sei die Versicherte vorerst zu 50 Prozent arbeitsfähig; dieses Leistungsvermögen stelle sich als noch steigerungsfähig dar. Aufgrund ihrer "besonderen Persönlichkeit" bekunde die Versicherte Mühe im Umgang mit anderen Beschäftigten; von Vorteil sei daher eine allein oder im kleinen Team auszuführende Arbeit in klaren Strukturen (Ärztlicher Verlaufsbericht des Dr. S.________ vom 3. September 2007). 
2.1.3 Die Beschwerdeführerin rügt das Vorgehen des kantonalen Gerichts, die Zustände von 2003 und 2007 miteinander zu vergleichen, als bundesrechtswidrig. Richtigerweise seien die Verhältnisse im Jahr 2005, welche für die der Rentenreduktion vorangegangene Revisionsverfügung vom 23. August 2005 massgebend gewesen seien, heranzuziehen; im damaligen ärztlichen Verlaufsbericht sei bereits darauf hingewiesen worden, die Versicherte sei "etwas ruhiger" und "leicht stabiler" geworden, die Prognose stelle sich "vorsichtig optimistisch" dar. Die Beschwerdeführerin kann indessen aus dem Umstand, dass die Rente damals unverändert weitergewährt wurde, nichts für ihren hier vorgetragenen Rechtsstandpunkt ableiten. Selbst wenn sich 2005 bereits eine Besserung des Gesundheitszustandes abgezeichnet haben sollte, wäre auch die Differenz zwischen den damaligen Verhältnissen und denjenigen im Jahr 2007 substantiell genug, um Anlass für eine Revision nach Art. 17 ATSG zu bilden. Ausschlaggebend bleibt aber, dass der Revisionsverfügung vom 23. August 2005 allein eine Verlaufskontrolle hinsichtlich der gesundheitlichen Entwicklung zugrunde lag und sie sich auf die Feststellung beschränkte, es sei diesbezüglich keine rentenwirksame Änderung eingetreten. 
 
Die Vorinstanz hat die der strittigen Verfügung zugrundeliegenden tatsächlichen Verhältnisse damit methodisch zutreffend mit denjenigen verglichen, welche für die erstmalige Verfügung vom 11. Dezember 2003 massgebend gewesen waren. 
 
2.2 Die Versicherte beanstandet, das kantonale Gericht habe nicht dargetan, inwiefern sich der Schweregrad der Depression abgeschwächt und nicht einfach eine andere Bewertung des Gesundheitszustands Platz gegriffen habe. Das medizinische Dossier zeigt aber in konsistenter Weise eine anhaltende Besserung an, wie die Vorinstanz nicht offensichtlich unrichtig festgestellt hat; die entsprechenden Beobachtungen des behandelnden Psychiaters werden vom Hausarzt grundsätzlich geteilt. Die Erholung beruht nicht nur, wie die Beschwerdeführerin geltend macht, auf einer Momentaufnahme im Rahmen eines schwankenden Krankheitsbildes. Die Besserung zeigt sich auch darin, dass während der auf eine suizidale Handlung folgenden dreitägigen Hospitalisierung im Spital Z.________ Ende November 2007 lediglich ein Konsilium des Externen Psychiatrischen Dienstes veranlasst, aber keine weitere oder gar längerdauernde stationäre psychiatrische Behandlung angeordnet wurde. Im Januar 2008 bestätigte der behandelnde Psychiater denn auch seine Einschätzung von September 2007 gegenüber der IV-Stelle. Wenn er bei dieser Gelegenheit von einer leicht- bis mittelgradigen Depression sprach, so deckt sich dieser Befund immer noch mit der Einschätzung der Arbeitsunfähigkeit von 50 Prozent. Der nachgelassene Leidensdruck manifestiert sich wohl auch in der ärztlichen Feststellung, die Compliance bezüglich der Einnahme der verordneten Medikamente sei "nicht so gut". Im psychiatrischen Verlaufsbericht vom 3. September 2007, auf den die Vorinstanz massgeblich abgestellt hat, wird ferner deutlich, dass bei der Neueinschätzung von Gesundheitszustand und Arbeitsfähigkeit die weiteren geklagten Beschwerden (Kopfschmerzen und Migräne sowie Stimmungsschwankungen, Müdigkeit und Schlafstörungen) berücksichtigt wurden. 
 
2.3 Die Beschwerdeführerin beruft sich im Weiteren auf ein Schreiben des seit Oktober 2008 behandelnden Internisten Dr. E.________ vom 12. März 2009, der von einer Verschlechterung des Gesundheitszustands (u.a. schwere Depression mit Psychosen) berichtet. Eine allfällige Verschlimmerung des Gesundheitszustands nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens (mit Verfügung vom 25. April 2008) bildet indessen nicht Gegenstand dieses Prozesses, sondern eines allfälligen neuen Verfahrens (oben E. 1.1). Schon aus diesem Grund kann auch der Bericht der Klinik B.________ vom 1. April 2009 nicht berücksichtigt werden. 
 
2.4 Unbegründet ist schliesslich das Vorbringen, angesichts der Tatsache, dass die Ausrichtung einer ganzen Invalidenrente noch mit Verfügung vom 7. Januar 2008 bestätigt worden sei, widerspreche die bald darauf verfügte Leistungsreduktion dem Grundsatz von Treu und Glauben. Nachdem sich bei der IV-Stelle aufgrund der eingeholten Arztberichte bereits in der zweiten Jahreshälfte 2007 die Auffassung durchgesetzt hatte, der Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin habe sich massgebend verbessert (Vorbescheid vom 26. November 2007), überprüfte die Verwaltung den diesbezüglichen Sachverhalt aufgrund der vorerwähnten Hospitalisierung im Spital Z.________ nochmals (Anfrage an S.________ vom 14. Januar 2008). Es ist ihr klarerweise nicht als widersprüchliches Verhalten vorwerfbar, wenn sie - veranlasst durch eine Änderung des Kinderrenten-Betrages - am 7. Januar 2008 ein letztes Mal die Ausrichtung einer ganzen Invalidenrente verfügte. 
 
3. 
3.1 Insgesamt ergibt sich, dass die Vorinstanz den rechtserheblichen Sachverhalt jedenfalls nicht offensichtlich unrichtig festgestellt hat. Die fachärztlichen Beurteilungen von 2003 und 2007 weisen qualitative und quantitative Unterschiede der jeweils erhobenen Gesundheitszustände aus; es ist hinreichend belegt, dass nicht bloss eine abweichende Interpretation und Folgenabschätzung hinsichtlich eines im Wesentlichen unveränderten Zustandes stattgefunden hat (vgl. oben E. 1.2). Ebensowenig beruht die - für die Belange der Streitfrage vollständige - Sachverhaltsfeststellung auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG (vgl. oben E. 1.3). 
 
3.2 Dass die Bemessung des Invaliditätsgrades anderweitig nicht korrekt sein sollte, wird nicht geltend gemacht; entsprechende Anhaltspunkte ergeben sich auch nicht aus den Akten. Es besteht somit kein Anlass für eine Weiterung des Prüfungsprogramms (vgl. BGE 110 V 48 E. 4a S. 53). 
 
3.3 Die vorinstanzliche Schlussfolgerung, wonach mit Wirkung ab Juni 2008 noch Anspruch auf eine halbe Invalidenrente bestehe, ist mithin bundesrechtskonform (Art. 28 Abs. 1 [in der bis 2007 geltenden Fassung] resp. Art. 28 Abs. 2 [in der seit 2008 geltenden Fassung] IVG). 
 
4. 
Die Gerichtskosten werden der Beschwerdeführerin als unterliegender Partei auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, der Ausgleichskasse Luzern und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
Luzern, 11. Mai 2009 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Meyer Traub