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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1B_75/2011 
 
Urteil vom 12. Mai 2011 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident, 
Bundesrichter Raselli, Merkli, 
Gerichtsschreiber Stohner. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________ AG, Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Stadelmann, 
 
gegen 
 
Y.________, Beschwerdegegner, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Heinz Schmidhauser, 
 
Untersuchungsamt Gossau, 
Sonnenstrasse 4a, 9201 Gossau. 
 
Gegenstand 
Aufhebung des Strafverfahrens, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid vom 7. Dezember 2010 der Anklagekammer des Kantons St. Gallen. 
Sachverhalt: 
 
A. 
Die X.________ AG, eine im Bereich Fleischverarbeitung tätige Firma, reichte mit Eingabe vom 15. Oktober 2009 eine Strafanzeige gegen ihren ehemaligen Mitarbeiter Y.________ wegen Verdachts auf Veruntreuung, evtl. Diebstahl, evtl. Betrug sowie Urkundenfälschung ein. Y.________ wird im Wesentlichen vorgeworfen, er habe im Zeitraum von ungefähr Ende April 2008 bis Ende Mai 2008 als "Ressortleiter Betrieb" verschiedene Fleischlieferungen ohne EDV-Erfassung ausgeführt. Die jeweils vor Ort in bar eingenommenen Gelder, deren Empfang er teilweise mit falscher Unterschrift quittiert habe, habe er seiner Arbeitgeberin nicht abgeliefert. Die Deliktssumme wird in der Strafanzeige auf mindestens Fr. 5'500.-- beziffert. 
 
B. 
Mit Verfügung vom 15. September 2010 hob das Untersuchungsamt Gossau das gegen Y.________ geführte Strafverfahren mangels Beweises auf. Mit dem Entscheid wurden die von der X.________ AG gestellten Beweisergänzungsanträge in antizipierter Beweiswürdigung abgewiesen. 
 
Diese Aufhebungsverfügung focht die X.________ AG mit Eingabe vom 29. September 2010 bei der Anklagekammer des Kantons St Gallen an. Mit Entscheid vom 7. Dezember 2010 wies die Anklagekammer die Beschwerde ab. 
 
C. 
Mit Beschwerde in Strafsachen ans Bundesgericht vom 17. Februar 2011 beantragt die X.________ AG, den Entscheid der Anklagekammer vom 7. Dezember 2010 aufzuheben und Y.________ der Veruntreuung, evtl. des Diebstahls, evtl. des Betrugs sowie der Urkundenfälschung schuldig zu sprechen und angemessen zu bestrafen. Des Weiteren sei Y.________ zu verpflichten, ihr einen Betrag von mindestens Fr. 5'500.-- zu bezahlen. Eventualiter sei die Angelegenheit zur Abnahme der beantragten Beweise, zur Durchführung aller erforderlichen Untersuchungshandlungen und zur Neubeurteilung an die Anklagekammer, evtl. ans Untersuchungsamt Gossau, zurückzuweisen. 
 
Das Untersuchungsamt Gossau und Y.________ beantragen in ihren Stellungnahmen, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden könne. Die Anklagekammer verzichtet auf eine Vernehmlassung. Die Stellungnahmen wurden der Beschwerdeführerin zur Kenntnisnahme zugestellt. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Das Bundesgericht prüft die Zulässigkeit der Beschwerde von Amtes wegen (Art. 29 Abs. 1 BGG). Nach Art. 453 Abs. 1 der am 1. Januar 2011 in Kraft getretenen Schweizerischen Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO; SR 312.0) werden Rechtsmittel gegen einen Entscheid, der vor Inkrafttreten dieses Gesetzes gefällt wurde, nach bisherigem Recht von den bisher zuständigen Behörden beurteilt. Der angefochtene Entscheid datiert vom 7. Dezember 2010. Die Zulässigkeit der Beschwerde ist nach dem Bundesgerichtsgesetz in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung zu beurteilen (vgl. Art. 132 Abs. 1 BGG). 
 
2. 
Der die Aufhebung des Strafverfahrens bestätigende Entscheid der Vorinstanz stellt einen mit Beschwerde in Strafsachen gemäss Art. 78 ff. BGG anfechtbaren Endentscheid im Sinne von Art. 80 Abs. 1 und Art. 90 BGG dar. 
 
Die Beschwerdeführerin ist nicht Opfer einer Straftat im Sinne von Art. 1 Abs. 1 OHG (SR 312.5) i.V.m. aArt. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG und auch nicht Privatstrafklägerin gemäss aArt. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 4 BGG. Als blosse Geschädigte bzw. Anzeigestellerin ist sie zur vorliegenden Beschwerde nach der Praxis zu aArt. 81 BGG grundsätzlich nicht legitimiert (BGE 136 IV 29; 133 IV 228). Sie kann lediglich die Verletzung von Rechten rügen, die ihr als am Verfahren beteiligte Partei nach dem massgebenden Prozessrecht oder unmittelbar aufgrund der BV oder der EMRK zustehen (BGE 136 IV 29 E. 1.9 S. 40 mit Hinweisen). Zulässig sind Rügen formeller Natur, die von der Prüfung der Sache selber getrennt werden können. Nicht zu hören sind Rügen, die im Ergebnis auf eine materielle Überprüfung des angefochtenen Entscheids abzielen (vgl. BGE 133 I 185 E. 6.2 S. 198). Eine Geschädigte kann daher nach der Praxis zu aArt. 81 BGG - trotz Parteistellung im kantonalen Verfahren - weder die Würdigung der beantragten Beweise infrage stellen noch beanstanden, dass ihre Anträge wegen Unerheblichkeit oder aufgrund antizipierter Beweiswürdigung abgelehnt wurden. Die Beurteilung dieser Fragen kann von der materiellen Prüfung nicht getrennt werden (vgl. BGE 120 Ia 157 E. 2a/bb S. 160; Urteil des Bundesgerichts 1B_31/2011 vom 7. April 2011 E. 2). 
 
3. 
Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör im Sinne von Art. 29 Abs. 2 BV durch die Nichtabnahme der von ihr angebotenen Beweise. Als Folge davon basiere die Aufhebung des Strafverfahrens auf einer offensichtlich unvollständigen Sachverhaltsfeststellung. 
 
Die Vorinstanz ist unter Hinweis auf die Erwägungen in der Aufhebungsverfügung zum Schluss gekommen, "dass von weiteren Beweisabnahmen, insbesondere der Einvernahme von weiteren (teilweise ehemaligen) Mitarbeitern der Beschwerdeführerin keine neuen Erkenntnisse in Bezug auf einen Tatverdacht gegenüber dem Beschwerdegegner zu erwarten sind". 
 
Diese antizipierte Beweiswürdigung ist im bundesgerichtlichen Verfahren, wie dargelegt, nicht zu überprüfen (E. 2 hiervor; vgl. insoweit auch das Urteil des Bundesgerichts 1B_31/2011 vom 7. April 2011 E. 2). 
 
4. 
Auf die Beschwerde ist damit nicht einzutreten. Infolge ihres Unterliegens sind die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Diese hat dem anwaltlich vertretenen Beschwerdegegner eine angemessene Parteientschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 2 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3. 
Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1'000.-- zu entschädigen. 
 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Untersuchungsamt Gossau und der Anklagekammer des Kantons St. Gallen schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 12. Mai 2011 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Fonjallaz Stohner