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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5A_268/2012 
 
Urteil vom 12. Juli 2012 
II. zivilrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter L. Meyer, Herrmann, 
Gerichtsschreiber Levante. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________ AG, 
vertreten durch Rechtsanwalt Hanspeter Kümin, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
Öffentliche Arbeitslosenkasse des Kantons Aargau, Bahnhofstrasse 78, Postfach, 5001 Aarau, 
Beschwerdegegnerin, 
 
Gegenstand 
Konkurseröffnung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau, Zivilgericht, 4. Kammer, vom 1. März 2012 (ZSU.2012.19/rl). 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
A.a Die Öffentliche Arbeitslosenkasse des Kantons Aargau betrieb die X.________ AG mit Zahlungsbefehl Nr. xxx des Betreibungsamtes A.________ vom 30. Juni 2010 für eine Forderung im Umfang von Fr. 20'354.15 für subrogierte Lohnansprüche nach Bezahlung von Insolvenzentschädigung. Es wurde kein Rechtsvorschlag erhoben. 
A.b Am 11. Februar 2011 stellte das Betreibungsamt der X.________ AG die Konkursandrohung zu. Am 15. März 2011 stellte die Arbeitslosenkasse beim Bezirksgericht Brugg das Konkursbegehren. Mit Entscheid vom 14. Dezember 2011 eröffnete das Gerichtspräsidium Brugg den Konkurs über die X.________ AG. 
 
B. 
Gegen den Entscheid des Konkursrichters erhob die X.________ AG Beschwerde und verlangte die Aufhebung der Konkurseröffnung. Das Obergericht des Kantons Aargau wies die Beschwerde mit Entscheid vom 1. März 2012 ab. 
 
C. 
Die X.________ AG hat am 10. April 2012 Beschwerde in Zivilsachen erhoben. Die Beschwerdeführerin verlangt die Aufhebung des obergerichtlichen Entscheides und (sinngemäss) die Aufhebung der Konkurseröffnung. Weiter ersucht sie um Gewährung der aufschiebenden Wirkung. 
Mit Präsidialverfügung vom 23. Mai 2012 wurde der Beschwerde in Zivilsachen aufschiebende Wirkung im Sinne der Erwägungen zuerkannt. 
Es sind keine Vernehmlassungen in der Sache eingeholt worden. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
1.1 Angefochten ist das Urteil des Obergerichts über die Konkurseröffnung nach Art. 171 SchKG. Das Konkurserkenntnis ist ein Entscheid in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen, welches der Beschwerde in Zivilsachen unterliegt (Art. 72 Abs. 2 lit. a BGG). 
 
1.2 Die Beschwerde gegen Entscheide des Konkursrichters ist an keinen Streitwert gebunden (Art. 74 Abs. 2 lit. d BGG). Der Entscheid des Konkursgerichts gemäss Art. 171 SchKG bzw. der Rechtsmittelinstanz (Art. 174 SchKG) stellt einen Endentscheid gemäss Art. 90 BGG dar. Die fristgemäss erhobene Beschwerde (Art. 100 Abs. 1 BGG) ist grundsätzlich zulässig. 
 
1.3 Die Beschwerdeführerin kann die Verletzung von u.a. Bundesrecht rügen (Art. 95 lit. a BGG). In der Beschwerdebegründung ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG). 
 
2. 
Vor dem Obergericht war umstritten, ob die Zustellung der Vorladung zur Konkursverhandlung und des Konkursdekretes an die Adresse von Y.________ rechtsgültig war. Die Vorinstanz hat festgehalten, dass Y.________ einziger Verwaltungsrat der Beschwerdeführerin mit Einzelunterschrift war. Als Organ und Vertreter der Beschwerdeführerin sei er zu deren Passivvertretung befugt, weshalb kein Grund ersichtlich sei, um das Konkursdekret wegen eines Verfahrensmangels aufzuheben. 
 
3. 
Anlass zur Beschwerde in Zivilsachen gibt die Zustellung der Vorladung zur Konkursverhandlung sowie die Zustellung des Konkursdekretes. Während das Obergericht die Zustellung an das Organ der Aktiengesellschaft als wirksam erachtet, hält die Beschwerdeführerin die Zustellung an die Privatadresse des Verwaltungsrates für fehlerhaft und eine Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung nach Art. 141 ZPO für gesetzeskonform. 
 
3.1 Ein Adressat kann sich nach Treu und Glauben nur auf einen Zustellungsfehler berufen, wenn er von der gerichtlichen Sendung keine rechtzeitige Kenntnis erlangt hat (vgl. SPÜHLER/GEHRI/DOLGE, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 9. Aufl. 2010, 9. Kap. Rz. 25). Vorliegend steht fest, dass die Beschwerdeführerin rechtzeitig Beschwerde gegen das Konkursdekret beim Obergericht geführt hat. Es ist nicht ersichtlich, welches schutzwürdige Interesse sie an einer erneuten, angeblich fehlerfreien Zustellung des Konkursdekretes haben soll. Insoweit kann auf die Beschwerde nicht eingetreten werden (Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG). Hingegen hat die Beschwerdeführerin an der Konkursverhandlung nicht teilgenommen. Streitpunkt bleibt daher, ob die Konkursverhandlungsanzeige gemäss Art. 168 SchKG korrekt zugestellt worden ist und die Rechte der Beschwerdeführerin an der Konkursverhandlung gewahrt worden sind. 
 
3.2 Die Beschwerdeführerin kritisiert den Hinweis der Vorinstanz auf Art. 65 Abs. 1 SchKG. Es trifft zu, dass Art. 64 bis Art. 66 SchKG die Zustellung der Betreibungsurkunden regeln und im Konkurseröffnungsverfahren nicht anwendbar sind. Die Zustellung der Konkursverhandlungsanzeige, welche im summarischen, von der ZPO geregelten Verfahren erfolgt (Art. 251 lit. a ZPO), richtet sich vielmehr nach den Regeln über die gerichtliche Zustellung bzw. nach Art. 136 ff. ZPO (NORDMANN, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 2. Aufl. 2010, N. 8, 10 zu Art. 168; vgl. aArt. 25 Ziff. 2 lit. a SchKG; GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, Bd. I, 1999, N. 7 zu Vorbem. Art. 64-66). 
 
3.3 Weiter wendet sich die Beschwerdeführerin zu Recht gegen den Hinweis der Vorinstanz auf Art. 137 ZPO. Diese Bestimmung regelt die Zustellung an die Vertretung, wenn eine Partei einen gesetzlichen oder vertraglichen Vertreter hat (Art. 67 Abs. 2, Art. 68 ZPO; BOHNET, in: Code de procédure civile commenté, 2011, N. 2 zu Art. 137). Im konkreten Fall geht es indessen um die richtige Zustellung an eine juristische Person, was im Folgenden zu prüfen ist. 
 
3.4 Gerichtliche Zustellungen, die für juristische Personen bestimmt sind, werden oft von einer angestellten Person (Art. 138 Abs. 2 ZPO) entgegengenommen. Die Zustellung kann jedoch an jedes zur Vertretung berechtigte Organ erfolgen, wobei auch die Privatadresse in Frage kommen kann (BOHNET/BRÜGGER, La notification en procédure civile suisse, in: ZSR 2010 I S. 308 mit Hinw.). Mit dieser Regelung will das Gesetz sicherstellen, dass gerichtliche Sendungen - analog zu Betreibungsurkunden (BGE 134 III 112 E. 3.1 S. 113 mit Hinw.) - in die Hände jener natürlichen Personen gelangen, die für die Gesellschaft handeln können. 
3.4.1 Vorliegend steht fest (Art. 105 Abs. 1 BGG), dass die Zustellung der Konkursverhandlungsanzeige an Y.________, den zeichnungsberechtigten Verwaltungsrat der Beschwerdeführerin, erfolgt ist. Zu Recht hat die Vorinstanz festgehalten, dass die Zustellung der gerichtlichen Sendung an Y.________ bewirkt werden kann, weil er im betreffenden Zeitpunkt Organ (Art. 55 ZGB) und Vertretungsberechtigter der Aktiengesellschaft gemäss Art. 718 OR war (RIEMER, Berner Kommentar, 1993, N. 45 zu Art. 54/55 ZGB; XOUDIS, in: Commentaire romand, Code civil I, 2010, N. 58 zu Art. 54/55; vgl. GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Aufl. 1979, S. 252 Fn. 72). 
3.4.2 Die Beschwerdeführerin bringt nicht vor, dass die Rechtsauffassung, wonach die Zustellung an die Privatadresse des Verwaltungsrates möglich ist, rechtswidrig sei. Wenn sie betont, sie nehme bereits seit dem Jahre 2009 in ihren Räumlichkeiten in A.________ keine geschäftlichen Aktivitäten mehr wahr, so dass dort keine Zustellungen erfolgen könnten, bestätigt sie vielmehr, dass die Zustellung an die Privatadresse des Organes erforderlich war. Entgegen ihrer Auffassung bestand kein Grund, die Zustellung als unmöglich (im Sinne von Art. 141 Abs. 1 lit. b ZPO) zu erachten, um sie fiktiv am Tag der öffentlichen Bekanntmachung vornehmen zu lassen (Art. 141 Abs. 2 ZPO; SPÜHLER/GEHRI/DOLGE, a.a.O., 9. Kap. Rzn. 41, 43). Nach dem Dargelegten liegt keine Verletzung von Art. 168 SchKG vor, wenn das Obergericht die Zustellung der Konkursverhandlungsanzeige an die Adresse des Verwaltungsrates als rechtswirksam erachtet und keinen Grund erblickt hat, um das Konkursdekret wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. 
 
4. 
Der Beschwerde in Zivilsachen ist kein Erfolg beschieden. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine Parteientschädigung ist der Beschwerdegegnerin nicht zuzusprechen, zumal sie zum Gesuch um aufschiebende Wirkung keine Stellungnahme eingereicht hat und ihr im bundesgerichtlichen Verfahren kein ersatzpflichtiger Aufwand entstanden ist. 
Das vorliegende Urteil ist den in Art. 176 SchKG genannten Behörden mitzuteilen. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde in Zivilsachen wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 5'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3. 
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen. 
 
4. 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Konkursamt Aargau, Amtsstelle Brugg, dem Betreibungsamt A.________, dem Handelsregisteramt des Kantons Aargau, dem Grundbuchamt Brugg und dem Obergericht des Kantons Aargau, Zivilgericht, 4. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 12. Juli 2012 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Escher 
 
Der Gerichtsschreiber: Levante