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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
B 76/05 
 
Urteil vom 12. September 2005 
III. Kammer 
 
Besetzung 
Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Lustenberger und Seiler; Gerichtsschreiber Grunder 
 
Parteien 
S.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Urs Schaffhauser, Seidenhofstrasse 14, 6003 Luzern, 
 
gegen 
 
Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, Hirschengraben 19, 6003 Luzern, Beschwerdegegner 
 
(Verfügung vom 24. Juni 2005) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Im November 2004 liess S.________ Klage gegen die Stiftung X.________ einreichen und beantragen, diese sei zu verpflichten, ihm über das Erreichen des Pensionsalters hinaus die bisherige Invalidenrente auszurichten, eventuell sei ihm unter Wahrung der Besitzstandsgarantie eine Altersrente in Höhe der Invalidenrente auszurichten; zudem sei die Stiftung zu verpflichten, die fälligen Forderungen einschliesslich Rentenanpassungen (Teuerungsausgleich) innert 30 Tagen ab Rechtskraft des Urteils zuzüglich Zins von 5 % ab mittlerem Verfall nachzuzahlen; schliesslich sei die Stiftung zu verpflichten, die mit den Rentenansprüchen für November 2003 bis Juli 2004 verrechneten Rückzahlungsforderungen zuzüglich Zins von 5 % ab mittlerem Verfall zurückzuerstatten. 
 
Das zusätzlich gestellte Gesuch, es sei ihm die unentgeltliche Rechtspflege zu bewilligen und Rechtsanwalt Urs Schaffhauser als unentgeltlicher Rechtsbeistand beizugeben, wies das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern mangels Bedürftigkeit ab (Entscheid vom 24. Juni 2005). 
B. 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt S.________ die Aufhebung des kantonalen Zwischenentscheids und die Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung im vor- und letztinstanzlichen Verfahren beantragen. 
 
Das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Der kantonale Entscheid über die Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege gehört zu den Zwischenverfügungen, die einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können. Er kann daher selbstständig mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Eidgenössischen Versicherungsgericht angefochten werden (Art. 5 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 45 Abs. 1 und 2 lit. h VwVG sowie Art. 97 Abs. 1 und 128 OG; BGE 100 V 62 Erw. 1, 98 V 115). 
2. 
Die strittige Verfügung hat nicht die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen zum Gegenstand. Das Eidgenössische Versicherungsgericht prüft daher nur, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht verletzte, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt wurde (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG). 
3. 
3.1 Das kantonale Gericht hat die streitige Frage, ob die für den Anspruch auf unentgeltliche Verbeiständung vorausgesetzte Bedürftigkeit vorliegt, gestützt auf Art. 61 lit. f ATSG geprüft. Indessen ist das ATSG, von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen, im Bereich der beruflichen Vorsorge nicht anwendbar. Im BVG findet sich weder eine diesbezügliche Verweisungsnorm noch eine ausdrückliche Regelung über den Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege im kantonalen Rechtsmittelverfahren (vgl. Art. 73 BVG). Es ist daher grundsätzlich das kantonale Verfahrensrecht anwendbar, das jedoch den durch die Rechtsprechung konkretisierten Mindestanforderungen von Art. 29 Abs. 3 BV genügen muss (BGE 129 I 133 Erw. 2.1; BGE 124 I 2 Erw. 2 zu alt Art. 4 BV). Die Bedürftigkeit als eine der Voraussetzungen für die Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung ist dabei gleich zu verstehen wie der Begriff der Bedürftigkeit im Sinne von Art. 152 Abs. 1 OG (nicht publizierte Erw. 3 und 4 des in SZS 2003 S. 522 zusammengefassten Urteils B. vom 20. Dezember 2002, B 52/02). 
3.2 Die Grenze für die Annahme von Bedürftigkeit im Sinne der Regeln über die unentgeltliche Rechtspflege liegt höher als diejenige des betreibungsrechtlichen Existenzminimums. Bei der Prüfung der prozessualen Bedürftigkeit geht es um die Frage, ob und inwieweit einer Partei zugemutet werden kann, zur Wahrung ihrer Interessen neue Verpflichtungen einzugehen oder entsprechende Verfügungen treffen zu müssen. Wohl dürfen von der gesuchstellenden Person gewisse Opfer verlangt werden; sie soll aber nicht gezwungen werden, sich in eine Notlage zu begeben und die für den Prozess notwendigen Mittel dadurch zu beschaffen, dass sie anderen dringenden Verpflichtungen nicht nachkommt. Für die Annahme der prozessualen Bedürftigkeit genügt es, dass die gesuchstellende Person nicht über mehr Mittel verfügt, als zur Bestreitung eines normalen, bescheidenen Familienunterhalts nötig sind. Dabei sind die gesamten finanziellen Verhältnisse ausschlaggebend; zu berücksichtigen sind daher u.a. auch fällige Steuerschulden (RKUV 2000 Nr. KV 119 S. 155 Erw. 2 mit Hinweisen). Zur Gesamtwürdigung der wirtschaftlichen Verhältnisse gehört zudem, einen allfälligen Überschuss des Gesuchstellers über seinen massgebenden Notbedarf mit seinen voraussichtlichen Gerichts- und Anwaltskosten in Beziehung zu setzen. Ergibt sich, dass deren Bezahlung innert angemessener Frist nicht möglich und zumutbar ist, so ist die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren, da in einer solchen Situation eine Prozesspartei praktisch kaum einen unentgeltlichen Rechtsbeistand (Anwalt) fände und ihr Recht auf gehörige Verbeiständung vereitelt würde (vgl. BGE 119 III 73 Erw. 3c, 109 Ia 9 Erw. 3a mit Hinweis; nicht veröffentlichte Urteile S. vom 12. Oktober 1995 [5P.317/1995] Erw. 4c und J. vom 11. Februar 1994 [5P.520/1993] Erw. 3c und 4d; Alfred Bühler, Die Prozessarmut, in: Gerichtskosten, Parteikosten, Prozesskaution, unentgeltliche Prozessführung, Bern 2001, S. 185; Thomas Geiser, in: Geiser/Münch [Hrsg.], Handbücher für die Anwaltspraxis, Bd. I, Prozessieren vor Bundesgericht, S. 22). 
4. 
4.1 Die Vorinstanz stellte den Einnahmen des vermögenslosen Beschwerdeführers von Fr. 3430.- (AHV-, UVG- und Rente der beruflichen Vorsorge; Unterstützungsbeitrag der Kinder von Fr. 200.-) Ausgaben von Fr. 3168.75 (um 20 % erhöhter betreibungsrechtlicher Grundbetrag, Wohnungsmietzins zuzüglich Nebenkosten, Mietzins für die Autogarage sowie Abzahlungsbetrag für den Personenwagen, Krankenkassenprämie, Prämien für die Motorfahrzeughaftpflicht-, Vollkasko-, Mobiliar- und Privathaftpflichtversicherungen) gegenüber. Da die Einnahmen den prozessualen Notbedarf um Fr. 261.25 überstiegen, verneinte das kantonale Gericht die Bedürftigkeit des Gesuchstellers. 
 
Der Beschwerdeführer wendet ein, die Vorinstanz habe die Prämien für die Zusatzversicherungen in Höhe von Fr. 84.30 sowie ein "Steuerbetreffnis von monatlich Fr. 483.30" ausgabenseitig nicht berücksichtigt. Einnahmenseitig habe sie unzulässigerweise den von den Kindern zur Linderung der wirtschaftlichen Not des Vaters entrichteten Betrag von Fr. 200.- einbezogen. 
4.2 Gemäss Art. 328 Abs. 1 ZGB sind Verwandte in auf- und absteigender Linie zu gegenseitiger Unterstützung verpflichtet, sobald sie ohne diesen Beistand in eine Notlage geraten würden. Nach der Rechtsprechung fallen Prozesskosten nicht unter den im Rahmen der Verwandtenunterstützung zu deckenden notwendigen Lebensunterhalt (BGE 115 V 195 Erw. 3a, 67 I 70 Erw. 3, 64 I 5; SVR 1994 IV Nr. 9 S. 19 Erw. 5). Die mündigen Kinder des Beschwerdeführers sind ihm gegenüber mit ihren Erwerbseinkommen nicht unterhaltspflichtig, sondern im Rahmen von Art. 328 Abs. 1 ZGB lediglich allenfalls unterstützungspflichtig. Sie können daher rechtlich nicht zur Finanzierung der Prozesskosten ihres Vaters verpflichtet werden. Die vorinstanzliche Anrechnung des von den Kindern geleisteten Unterstützungsbetrages von Fr. 200.- erweist sich somit als bundesrechtswidrig (nicht veröffentlichtes Urteil B. vom 28. August 1989, 1P.220/1989). 
4.3 Das im kantonalen Verfahren eingereichte Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege enthält eine Bestätigung des Steueramtes der Wohnsitzgemeinde vom 14. Juni 2004, wonach der Beschwerdeführer Steuern in Höhe von Fr. 5800.- schuldet. Zudem wird vermerkt, dass der Gesuchsteller die Steuern nicht regelmässig bezahlt. Der Beschwerdeführer machte im vorinstanzlichen Verfahren nicht geltend, noch ergibt sich Entsprechendes aus den Akten, dass er die Steuerschuld beispielsweise durch regelmässige Ratenzahlungen tatsächlich tilgt. Die Vorinstanz durfte daher, ohne Bundesrecht zu verletzen, die Steuerschuld bei der Bedarfsrechnung ausser Acht lassen. Ebensowenig ist zu beanstanden, dass sie nur die Prämien für die Grundversicherung in der Krankenversicherung zuliess. Mit der Grundversicherung sind obligatorisch die Risiken des Krankheitsfalls gedeckt. Zusatzversicherungen dienen im Wesentlichen der Komforterhöhung (wie etwa freie Arzt- und Spitalwahl, Einzelzimmer im Spital, usw.). Derartige Zusatzleistungen gehören nicht zum notwendigen Lebensunterhalt. 
4.4 Werden die Einnahmen um den Betrag von Fr. 200.- nach unten korrigiert, ergibt sich ein Überschuss von nur noch Fr. 61.25, welcher es dem Beschwerdeführer nicht erlaubte, die Anwaltskosten innert angemessener Frist zu tilgen. Indessen hat die Vorinstanz auf der Ausgabenseite die Kosten für das Auto (Abzahlungsbetrag, Mietzins für Garage, Prämien der Motorfahrzeughaftpflicht- und Vollkaskoversicherung) vollumfänglich angerechnet, dabei aber die Beantwortung der Frage, ob diesem Kompetenzcharakter zukomme, ausdrücklich offen gelassen. Die Sache ist daher zur Prüfung dieses Umstands und damit erneuter Beurteilung der Bedürftigkeit sowie gegebenenfalls der übrigen Voraussetzungen der unentgeltlichen Verbeiständung (keine offensichtliche Aussichtslosigkeit der Beschwerde und Gebotenheit der Verbeiständung) an das kantonale Gericht zurückzuweisen. 
5. 
Gemäss Praxis (SVR 1994 IV Nr. 29 S. 76 Erw. 4) werden in Verfahren, welche die Frage der Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für den kantonalen Prozess zum Gegenstand haben, keine Gerichtskosten erhoben. Zufolge Obsiegens steht dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung zu (Art. 159 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 135 OG). Diese geht zu Lasten des Kantons Luzern, da der Gegenpartei im Verfahren um die Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege keine Parteistellung zukommt (RKUV 1994 Nr. U 184 S. 78 Erw. 5). Damit wird das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege im letztinstanzlichen Prozess gegenstandslos. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Zwischenentscheid vom 24. Juni 2005 aufgehoben, und es wird die Sache an das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern zurückgewiesen, damit dieses, nach erfolgter Prüfung im Sinne der Erwägung 4.4, über den Anspruch auf unentgeltliche Verbeiständung neu befinde. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Der Kanton Luzern hat dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 1000.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
Luzern, 12. September 2005 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
 
Die Präsidentin der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber: