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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
8C_433/2017  
   
   
 
 
 
Urteil vom 12. September 2017  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichter Wirthlin, Bundesrichterin Viscione, 
Gerichtsschreiberin Polla. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Samuel Teindel, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Zug, 
Baarerstrasse 11, 6300 Zug, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Invalidenrente), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug 
vom 27. April 2017. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die 1978 geborene A.________ war zuletzt in einem Teilzeitpensum von 80 % als Pflegeassistentin in der Klinik B.________ tätig gewesen und meldete sich wegen Halswirbelsäulenbeschwerden am 15. Februar 2013 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Zug gewährte ihr Arbeitsvermittlung und übernahm die Kosten für ein eineinhalbmonatiges Belastbarkeits- und Aufbautraining sowie für ein viermonatiges Arbeitstraining bei der C.________. Die IV-Stelle liess die Versicherte zudem bidisziplinär (internistisch-rheumatologisch und psychiatrisch) begutachten (Expertisen der Dres. med. D.________ und E.________, Bern, vom 25. Juli 2016 sowie ergänzende Stellungnahme des Dr. med. E.________ vom 26. September 2016). Nach durchgeführtem Vorbescheidverfahren verfügte die IV-Stelle am 7. November 2016, es bestehe kein Anspruch auf eine Rente. 
 
B.   
Die dagegen von A.________ erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zug mit Entscheid vom 27. April 2017 2016 ab. 
 
C.   
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, in Aufhebung des kantonalen Entscheids seien ihr die gesetzlichen Leistungen, namentlich eine Invalidenrente sowie berufliche Massnahmen, zu gewähren. Eventualiter sei die Sache zur Anordnung einer verwaltungsexternen Expertise und zur Neubeurteilung an die Vorinstanz oder die IV-Stelle zurückzuweisen. 
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung. Am 24. August 2017 reicht die Versicherte eine weitere Stellungnahme ein. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2.   
Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz die durch die IV-Stelle am 7. November 2016 verfügte Ablehnung des Leistungsbegehrens zu Recht bestätigte. 
 
3.  
 
3.1. Die Vorinstanz erachtete in einlässslicher Würdigung der medizinischen Aktenlage die Gutachten der Dres. med. D.________ und E.________ vom 25. Juli 2016 (einschliesslich der Stellungnahme des Dr. med. E.________ vom 26. September 2016) als beweiskräftig und ging gestützt darauf von einer vollständigen Arbeitsfähigkeit in der bisherigen wie in einer leidensadaptierten Tätigkeit aus, weshalb sie mit der Verwaltung einen Leistunganspruch gegenüber der Invalidenversicherung verneinte.  
 
3.2. Die Vorbringen in der Beschwerde richten sich im Wesentlichen gegen die tatsächlichen medizinischen Grundlagen des angefochtenen Entscheids. Soweit sie hinreichend substanziiert sind (Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 138 I 171 E. 1.4 S. 176), insbesondere damit nicht bloss appellatorische Kritik an der vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung geübt wird (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG; BGE 137 II 353 E. 5.1 S. 356), sind sie indessen nicht stichhaltig, wie sich aus den nachstehenden Erwägungen ergibt.  
 
 
3.3.  
 
3.3.1. In formell-rechtlicher Hinsicht rügt die Beschwerdeführerin vorab eine Verletzung des rechtlichen Gehörs durch das kantonale Gericht, weil es sich nicht mit ihren entscheidwesentlichen Einwänden im Hinblick auf die Kritik am Gutachten des Dr. med. E.________ auseinandergesetzt habe.  
 
3.3.2. Die Vorinstanz legte die als wesentlich und erstellt erachteten Tatsachen sowie die daraus gezogenen rechtlichen Schlüsse nachvollziehbar dar. Sie muss sich bei der Begründung ihres Entscheids rechtsprechungsgemäss nicht mit allen Parteistandpunkten einlässlich befassen und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegen; eine sachgerechte Anfechtung des vorinstanzlichen Erkenntnisses war möglich (vgl. BGE 134 I 83 E. 4.1 S. 88; 133 III 439 E. 3.3 S. 445; 124 V 180 E. 1a S. 181). Daher kann nicht von einer Verletzung der aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 29 Abs. 2 BV sowie   Art. 61 lit. h ATSG und Art. 112 Abs. 1 lit. b BGG abgeleiteten Prüfungs- und Begründungspflicht (Urteil 5A_368/2007 vom 18. September 2007 E. 2; vgl. auch BGE 135 V 353 E. 5.3 S. 357 ff.) gesprochen werden.  
 
3.4.  
 
3.4.1. Der Einwand, das Gutachten des Dr. med. E.________ vom 25. Juli 2016 sei nicht nach den neuen Leitlinien der Schweizerischen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (SGPP) verfasst worden, verfängt ebenso wenig und begründet keine Verletzung von Bundesrecht. Weder Gesetz noch Rechtsprechung schreiben den Psychiatern eine Begutachtung nach den Richtlinien der AMDP (Arbeitsgemeinschaft für Methodik und Dokumentation in der Psychiatrie) vom 16. Juni 2016 vor (Urteile 8C_734/2016 vom 12. Juli 2017 E. 3.9; 8C_105/2017 vom 6. Juni 2017 E. 4.4; 9C_715/2016 vom 24. Januar 2017 E. 3.2). Die Leitlinien stellen eine Orientierungshilfe für die gutachtenden Fachpersonen dar und sollen die Gutachtenspraxis im Hinblick auf die normativ massgeblichen Gesichtspunkte konkretisierend anleiten (HANS-JAKOB MOSIMANN, Beitrag der Leitlinien für die Rechtsprechung, SZS 2016 S. 513). Ein Gutachten verliert demnach nicht automatisch seine Beweiskraft, wenn es sich nicht an diese anlehnt. Inwiefern der durch den Gutachter Dr. med. E.________ erhobene Psychostatus mangelhaft sein soll, vermag die Beschwerdeführerin nicht überzeugend dazutun. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern die klinische Untersuchung mit Anamneseerhebung, Symptomerfassung und Verhaltensbeobachtung ungenügend sein soll (Urteile 9C_207/2015 vom 5. Juni 2015 E. 4.2; 8C_266/2012 vom 2. Juli 2012 E. 4.1). Die Dauer der Untersuchung (vgl. Urteile 9C_246/2010 vom 11. Mai 2010 E. 2.2.2; 9C_664/2009 vom 6. November 2009 E. 3), die Anzahl der notwendigen psychiatrischen Explorationen und die Durchführung von Tests (Urteil I 305/06 vom 22. Mai 2007 E. 3.2) unterliegt sodann grundsätzlich der Fachkenntnis und dem Ermessensspielraum des Experten. Wie die Vorinstanz in nicht zu beanstandender Weise ausführte, verschaffte die lege artis vorgenommene Exploration des Dr. med. E.________ den erforderlichen Einblick in den psychischen Zustand der Versicherten. Bezüglich der ergänzenden testmässigen Erfassung der Psychopathologie mittels Montgomery-Asperg Depression Rating Scale (MADRS) ist daher die weitere Rüge, ein mangelhaft erhobener Befund könne nicht mit einer Testuntersuchung untermauert werden, nicht stichhaltig. Der Gutachter ging ferner von einer anhaltenden Schmerzstörung nach ICD-10-F45.4 aus. Damit liegt aus psychiatrischer Sicht eine Schmerzstörung im Sinn eines psychosomatischen Leidens vor, dessen Rentenrelevanz sich nach BGE 141 V 281 beurteilt, was aus versicherungsmedizinischer Sicht ausschlaggebend ist. Der (einleuchtend begründete) Verzicht auf eine nähere diagnostische Einordnung im Sinne der Zuordnung zu den differentialtypologisch nach den ICD-10 Kriterien zur Verfügung stehenden Definitionen F45.40 (anhaltende somatoforme Schmerzstörung) oder F45.41 (chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren) schadet daher nicht. Beide Unterkategorien, die sich als Ergänzung der German Modification (GM) in der ICD-10-Klassifikation der WHO gar nicht finden (vgl. Dilling/Mombour/Schmidt [Hrsg.], Internationale Klassifikation psychischer Störungen, ICD-10 Kapitel V [F], 10. Aufl. 2015), sind rechtlich gleichgestellt. Dabei wird in der zitierten deutschen Übersetzung der WHO-Klassifikation gerade auf die bestehenden Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen ICD-10-GM F45.40 und F45.41 verwiesen (a.a.O. S. 233 Fn. 1; vgl. Urteil 9C_168/2015 vom 13. April 2016   E. 3.2). Im vorliegenden Fall diskutierte Dr. med. E.________ den erhobenen Befund einlässlich und legte seine Erkenntnisse mit nachvollziehbarer überzeugender Begründung dar, weshalb die Vorinstanz hierauf abstellen durfte. Die Vorbringen in der Beschwerde vermögen die Schlüssigkeit des psychiatrischen Gutachtens nicht in Frage zu stellen.  
 
3.4.2. Die Beschwerdeführerin sieht schliesslich konkrete Indizien gegen die Beweistauglichkeit des rheumatologischen Gutachtens des Dr. med. D.________ darin, dass dieser - anders als der behandelnde Rheumatologe Dr. med. F.________, leitender Arzt am Spital G.________, - die radiologischen Befunde einer leichtgradigen Wirbelsäulenfehlform/-haltung mit thorakolumbaler rechtskonvexer Skoliose mit Beckenschiefstand, Abflachung der Brustkyphose und Streckhaltung der HWS klinisch nicht objektivieren konnte (Gutachten des Dr. med. D.________ S. 11 Stellungnahme des Dr. med. F.________ vom 27. Dezember 2016). Nachdem auch für Dr. med. F.________ die geklagten Weichteilbeschwerden im Vordergrund standen und er der erst nach der Untersuchung durch Dr. med. D.________ am 12. Juli 2016 bildgebend dargestellten linksseitigen Diskushernie Th9/Th10 offenbar keine weitere Bedeutung in Bezug auf die geklagten Beschwerden beimass, sind die auf den Darlegungen des Dr. med. F.________ fussenden Einwände in der Beschwerde nicht geeignet, die vorinstanzliche Beweiswürdigung als eindeutig und augenfällig unzutreffend erscheinen zu lassen.  
 
3.4.3. Unter den gegebenen Umständen hat die Vorinstanz - weder in Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes noch des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 29 Abs. 2 BV - in zulässiger antizipierender Beweiswürdigung (vgl. BGE 137 V 64 E. 5.2 S. 69; 136 I 229       E. 5.3 S. 236) auf weitere Abklärungen verzichtet, weshalb auch der eventualiter beantragten Rückweisung nicht stattzugeben ist. Nach dem Gesagten bleiben die vorinstanzliche Beweiswürdigung - wie die Sachverhaltsfeststellungen betreffend die Arbeitsfähigkeit - für das Bundesgericht verbindlich. Damit hat es beim vorinstanzlichen Entscheid sein Bewenden.  
 
4.   
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden der unterliegenden Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 66   Abs. 1 Satz 1 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zug und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 12. September 2017 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Die Gerichtsschreiberin: Polla