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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
H 77/05 
 
Urteil vom 12. Dezember 2005 
III. Kammer 
 
Besetzung 
Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Lustenberger und Seiler; Gerichtsschreiber Widmer 
 
Parteien 
Ausgleichskasse des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
E.________, Beschwerdegegner 
 
Vorinstanz 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur 
 
(Entscheid vom 31. März 2005) 
 
Sachverhalt: 
A. 
E.________ war Verwaltungsratspräsident und Geschäftsführer der A.________ AG, über die am 20. November 2001 der Konkurs eröffnet wurde. Mangels Aktiven wurde das Verfahren am 21. Januar 2002 eingestellt. Mit Verfügung vom 19. November 2002 verpflichtete die Ausgleichskasse des Kantons Zürich, welcher die Konkursitin als beitragspflichtige Arbeitgeberin angeschlossen gewesen war, E.________ zur Bezahlung von Schadenersatz für ungedeckt gebliebene Beiträge sowie Verwaltungskosten, Verzugszinsen und Gebühren im Gesamtbetrag von Fr. 12'348.10. Auf Einspruch des Belangten hin reichte die Ausgleichskasse Klage ein, auf welche das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich nicht eintrat und die Akten zur Beurteilung der Einsprache an die Verwaltung zurückwies (Verfügung vom 30. Januar 2003). Die hiegegen erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde zog die Ausgleichskasse zurück (Abschreibungsbeschluss des Eidgenössischen Versicherungsgerichts vom 18. November 2003). Mit Entscheid vom 7. Januar 2004 hiess die Kasse die Einsprache teilweise gut, reduzierte ihre Forderung und stellte fest, dass E.________ ihr Schadenersatz in der Höhe von Fr. 8884.75 zu bezahlen habe. 
B. 
In Gutheissung der von E.________ eingereichten Beschwerde hob das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich den Einspracheentscheid vom 7. Januar 2004 auf (Entscheid vom 31. März 2005). 
C. 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die Ausgleichskasse, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben, insoweit die Beschwerde von E.________ gutgeheissen wurde, und dieser sei zur Bezahlung von Schadenersatz in der Höhe von Fr. 8884.75 zu verpflichten. 
E.________ lässt sich nicht vernehmen, während das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Stellungnahme verzichtet. 
D. 
Der Instruktionsrichter holte bei der Ausgleichskasse eine Beweisauskunft (vom 11. November 2005) ein. 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1. 
Die materiellen Bestimmungen des auf den 1. Januar 2003 in Kraft getretenen Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000, mit welchem zahlreiche Bestimmungen im AHV-Bereich geändert wurden, sind im vorliegenden Fall nicht anwendbar (BGE 130 V 1, 129 V 4 Erw. 1.2). 
2. 
Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann nur soweit eingetreten werden, als eine Schadenersatzforderung kraft Bundesrechts streitig ist. Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist deshalb in dem Umfang nicht einzutreten, als sie sich auf die Schadenersatzforderung für entgangene Beiträge an die kantonale Familienausgleichskasse bezieht (vgl. BGE 124 V 146 Erw. 1 mit Hinweis). 
3. 
Die strittige Verfügung hat nicht die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen zum Gegenstand. Das Eidgenössische Versicherungsgericht prüft daher nur, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht verletzte, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt wurde (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG). 
4. 
Die Vorinstanz hat die Bestimmungen über die Arbeitgeberhaftung (Art. 52 AHVG; Art. 14 Abs. 1 AHVG in Verbindung mit Art. 34 ff. AHVV) sowie die hiezu ergangene Rechtsprechung, insbesondere zum Begriff des Schadens (BGE 98 V 28 Erw. 4), zur subsidiären Haftung der Organe eines Arbeitgebers (BGE 123 V 15 Erw. 5b mit Hinweisen; vgl. auch BGE 126 V 237), zur erforderlichen Widerrechtlichkeit (BGE 118 V 195 Erw. 2a mit Hinweisen), zur Voraussetzung des Verschuldens (BGE 121 V 244 Erw. 5, 108 V 186 Erw. 1b, 202 Erw. 3a), zum Begriff der groben Fahrlässigkeit (BGE 108 V 202 Erw. 3a) sowie zu den Exkulpationsgründen (BGE 108 V 188; ZAK 1992 S. 248 Erw. 4b) zutreffend dargelegt. Darauf kann verwiesen werden. 
5. 
Der Eintritt des Schadens und dessen Höhe sind unbestritten. Ebenso steht fest, dass die Ausgleichskasse die Schadenersatzverfügung innert der einjährigen Verwirkungsfrist des Art. 82 Abs. 1 AHVV erlassen hat. Ferner hat die Vorinstanz zu Recht festgehalten, dass die A.________ AG die ihr obliegenden Beitragszahlungsverpflichtungen nur unvollständig erfüllt und damit Vorschriften im Sinne von Art. 52 AHVG missachtet hat, was grundsätzlich die volle Schadendeckung nach sich zieht. Streitig und zu prüfen ist einzig, ob die Missachtung öffentlich-rechtlicher Arbeitgeberpflichten, welche den Schaden verursacht hat, auf ein vorsätzliches oder grobfahrlässiges Verhalten des Beschwerdegegners zurückzuführen ist. 
5.1 Das kantonale Gericht gelangte zur Auffassung, dass der Beschwerdegegner durch die Sperrung der Bankkonten der Z.________ AG, von welcher die A.________ AG finanziell abhängig gewesen sei, durch die Bezirksanwaltschaft am 8. Januar 2001 überrascht worden sei. Dass er die Lohnzahlungen in der Folge nicht sofort eingestellt, sondern nach alternativen Geldquellen gesucht und dabei die Bezahlung der geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge zurückgestellt habe, könne noch nicht als grobe Fahrlässigkeit qualifiziert werden. Zu berücksichtigen sei insbesondere auch die relativ kurze Dauer des Beitragsausstandes (vom Januar/Februar bis Juni 2001). Entscheidend falle dabei ins Gewicht, dass es sich um bescheidene Beitragsausstände gehandelt habe, seien doch bis Konkurseröffnung am 20. November 2001 erst Beiträge (einschliesslich Nebenkosten) in der Höhe von insgesamt Fr. 8884.70 in Rechnung gestellt worden. 
5.2 Die Ausgleichskasse wendet ein, die Dauer des Beitragsausstandes von fünf Monaten könne nicht als kurz bezeichnet werden. Zudem habe die nachmalige Konkursitin das Beitragswesen auch zuvor nicht einwandfrei und straff gehandhabt, sondern habe wiederholt gemahnt und betrieben werden müssen. Nachdem bereits am 8. Januar 2001 die Kontensperrung erfolgte, sei nicht nachvollziehbar, weshalb weiterhin bis Juni 2001 Löhne ausbezahlt und gewisse Forderungen von Lieferanten beglichen wurden, nicht aber die Beitragsausstände. Schliesslich könne die eher geringe Höhe des Schadens nicht zum Anlass genommen werden, um ein haftungsbegründendes Verschulden zu verneinen. 
5.3 Den Vorbringen der Ausgleichskasse ist beizupflichten. Nach der Rechtsprechung ist die kurze Dauer des Beitragsausstandes als ein Element im Rahmen der Gesamtwürdigung aller Umstände zu berücksichtigen und kann als Entlastungsgrund zur Verneinung der Schadenersatzpflicht führen (BGE 121 V 244 f. Erw. 4 und 5; Urteil G. vom 14. März 2005, H 201/04). Abgesehen davon, dass ein fünf Monate dauernder Beitragsausstand im Lichte der zitierten Rechtsprechung kaum als kurz bezeichnet werden könnte, kann anders als in dem BGE 121 V 244 f. zu Grunde liegenden Fall gestützt auf die Feststellungen der Vorinstanz nicht gesagt werden, die Konkuristin habe das Beitragswesen einwandfrei und straff gehandhabt. Sodann ist die (geringe) Höhe des eingetretenen Schadens kein Kriterium für die Beurteilung des Verschuldens. Vielmehr bildet der Eintritt eines Schadens, ungeachtet der Höhe, die Grundvoraussetzung der Arbeitgeber- und Organhaftung nach Art. 52 AHVG. Weitere Gründe, welcher zu einer Entlastung des Beschwerdegegners zu führen vermöchten, sind nicht erkennbar, weshalb dieser den der Ausgleichskasse entstandenen Schaden grundsätzlich zu ersetzen hat. 
5.4 In der von der Ausgleichskasse letztinstanzlich geltend gemachten Schadenersatzforderung von Fr. 8884.75 sind unbezahlt gebliebene Beiträge an die kantonale Familienausgleichskasse in der Höhe von Fr. 2507.25 enthalten. In diesem Umfang ist auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht einzutreten (Erw. 2 hievor), weshalb die Schadenersatzpflicht des Beschwerdegegners im vorliegenden Verfahren nur im Betrag von Fr. 6377.50 (Fr. 8884.75 minus Fr. 2507.25) zu bejahen ist. 
6. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 134 OG e contrario). Dem Prozessausgang entsprechend sind die Gerichtskosten zu drei Vierteln dem Beschwerdegegner und zu einem Viertel der Ausgleichskasse aufzuerlegen. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
1. 
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, soweit darauf einzutreten ist, werden der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 31. März 2005, soweit den Beschwerdegegner betreffend, sowie der Einspracheentscheid vom 7. Januar 2004 aufgehoben, und der Beschwerdegegner wird verpflichtet, der Ausgleichskasse des Kantons Zürich Schadenersatz in der Höhe von Fr. 6377.50 zu bezahlen. 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 1000.- werden zu drei Vierteln (Fr. 750.-) dem Beschwerdegegner und zu einem Viertel (Fr. 250.-) der Ausgleichskasse des Kantons Zürich auferlegt. Der auf die Ausgleichskasse entfallende Anteil ist durch den geleisteten Kostenvorschuss von Fr. 1000.- gedeckt; der Differenzbetrag von Fr. 750.- wird zurückerstattet. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
Luzern, 12. Dezember 2005 
 
 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
 
Die Präsidentin der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber: