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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
8C_809/2011 
 
Urteil vom 12. Dezember 2011 
I. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Ursprung, Präsident, 
Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Niquille, Bundesrichter Maillard, 
Gerichtsschreiber Jancar. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Firma S.________ GmbH, 
vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Kempf, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
Groupe Mutuel Assurances GMA SA, Rue du Nord 5, 1920 Martigny, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Unfallversicherung (Versicherungsprämie), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozial-versicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 1. September 2011. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Am 17. November 2004 stellte die Firma S.________ GmbH bei der Groupe Mutuel Assurances GMA SA (nachfolgend Mutuel) den Antrag auf Aufnahme in die Obligatorische Unfallversicherung für Unternehmen bis zu vier Personen. Mit Police Nr. 910620 vom 8. Dezember 2004 wurde die Firma S.________ GmbH per 1. Januar 2005 in die Versicherung aufgenommen; der Vertragsablauf wurde auf den 31. Dezember 2009 vereinbart. Gestützt auf die Lohnerklärung 2008 der Firma S.________ GmbH vom 3. März 2009 stellte ihr die Mutuel am 6. März 2009 für das Jahr 2008 Unfallversicherungsprämien in Höhe von Fr. 2'159.75 in Rechnung, wovon sie bereits bezahlte Akontobeiträge von Fr. 1030.35 abzog, was Fr. 1'129.40 ergab. Die Firma S.________ GmbH bezahlte diese Rechnung nicht, weshalb die Mutuel mit Zahlungsbefehl vom 1. Juli 2009 den Betrag von Fr. 1'129.40 zuzüglich Mahnkosten von Fr. 50.- und Dossiereröffnungskosten von Fr. 80.- in Betreibung setzte. Hiegegen erhob die Firma S.________ GmbH am 10. Juli 2009 Rechtsvorschlag, den sie am 23. Oktober 2009 damit begründete, es seien neben dem Firmeninhaber keine weiteren Mitarbeiter versichert worden. Mit Verfügung vom 11. November 2009 setzte die Mutuel die Versicherungsprämien für das Jahr 2008 auf Fr. 1'129.40 zuzüglich Mahnkosten von Fr. 50.- und Dossiereröffnungskosten von Fr. 80.- fest und hob den Rechtsvorschlag in der obigen Betreibung im Betrag von Fr. 1'259.40 zuzüglich Verzugszinsen zu 5 % auf Fr. 1'129.40 auf. Die dagegen von der Firma S.________ GmbH erhobene Einsprache wies sie mit Entscheid vom 11. Mai 2010 ab. 
 
Mit Verfügung vom 17. Mai 2010 unterstellte die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) die Firma S.________ GmbH mit Wirkung ab 1. Januar 2010 ihrem Zuständigkeitsbereich. 
 
B. 
Die gegen den Einspracheentscheid der Mutuel vom 11. Mai 2010 erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 1. September 2011 ab. 
 
C. 
Mit Beschwerde beantragt die Firma S.________ GmbH die Aufhebung des kantonalen Entscheides und des Einspracheentscheides; eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz oder an die Mutuel zurückzuweisen. Ein Schriftenwechsel wurde nicht durchgeführt. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Die Beschwerde kann wegen Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Immerhin prüft es grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht offensichtlich sind (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254). 
 
2. 
Die Vorinstanz hat die für die Beurteilung der Sache massgebenden gesetzlichen Grundlagen über die obligatorische Versicherung (Art. 1a Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 58 f. und Art. 66 Abs. 1 UVG) sowie die Prämien (Art. 91, Art. 92 Abs. 1 und Art. 93 Abs. 2-4 UVG) richtig dargelegt. Gleiches gilt betreffend das vom Versicherer anwendbare Verfahren zur Geltendmachung fälliger Geldforderungen (BGE 119 V 329 E. 2b S. 331; vgl. auch BGE 121 V 109 E. 2 S. 110). Darauf wird verwiesen. 
 
3. 
3.1 Die Beschwerdeführerin hat ihre Arbeitnehmer ab 1. Januar 2005 bei der Mutuel obligatorisch gegen Unfälle versichert; der Vertragsablauf wurde auf den 31. Dezember 2009 vereinbart (Police vom 8. Dezember 2004). Gestützt auf die Lohnerklärung 2008 der Beschwerdeführerin vom 3. März 2009 stellte ihr die Mutuel am 6. März 2009 die Unfallversicherungsprämien für das Jahr 2008 in Rechnung. Streitig und zu prüfen ist die Verpflichtung der Beschwerdeführerin zur Bezahlung dieser Prämien 2008 zuzüglich Mahn- und Dossiereröffnungskosten sowie Verzugszinsen. 
 
3.2 Die Vorinstanz erwog, gemäss dem höchstrichterlichen Urteil U 484/05 vom 9. Juni 2006, in: RKUV 2006 Nr. U 587 S. 388, sei es nicht entscheidend, ob ein Betrieb im Unfallzeitpunkt eines ihrer Mitarbeiter oder schon früher nach Art. 59 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 66 UVG der SUVA hätte unterstellt werden müssen. Da die Unterstellungsfrage nicht immer leicht zu entscheiden sei, sei sie mithin nicht erst anlässlich eines konkreten Unfalls aufzuwerfen. In diesem Sinne habe die SUVA nicht die Funktion einer Ersatzkasse für alle Betriebe, die ihr zu Unrecht nicht unterstellt worden seien. Weiter erwog die Vorinstanz, dasselbe habe zu gelten, wenn es nicht um die Leistungspflicht des Unfallversicherers, sondern um die Prämienpflicht des Arbeitgebers gehe. Wäre die Mutuel im Falle eines Unfalls eines Mitarbeiters der Beschwerdeführerin im Jahre 2008 auf einer Leistungspflicht zu behaften, obwohl richtigerweise eine Unterstellung unter die Versicherungspflicht bei der SUVA hätte erfolgen sollen, müsse sie im Gegenzug auch berechtigt sein, die Versicherungsprämien für diesen Zeitraum einzukassieren, selbst wenn kein Unfall vorliege. 
 
3.3 Die Beschwerdeführerin stellt sich im Wesentlichen auf den Standpunkt, sie sei seit jeher bzw. auch für das Jahr 2008 nach Art. 66 Abs. 1 UVG bei der SUVA zu versichern gewesen, was schliesslich heute der Fall sei. Somit sei es gar nicht möglich, dass sie bei der Mutuel obligatorisch zu versichern sei und ihr Prämien schulde. Aus Art. 66 UVG lasse sich nicht ableiten, dass ihre obligatorische Unterstellung unter die SUVA-Versicherung keine rückwirkende Gültigkeit haben könne. Im Unterschied zum Sachverhalt gemäss dem Urteil U 484/05 sei es hier nicht zu einem Unfall und einer Leistungspflicht der Mutuel gekommen. Es sei daher nicht notwendig, dass diese im Gegenzug Versicherungsprämien einkassiere. Die Erwägung im Urteil U 484/05, wonach das Abstellen auf den im Unfallzeitpunkt tatsächlich bestehenden Versicherungsvertrag im Interesse der Versicherten und eines guten Funktionierens der Sozialversicherung liege, sei hier somit nicht von Bedeutung und deshalb unbeachtlich. 
 
4. 
In formeller Hinsicht macht die Beschwerdeführerin geltend, die Vorinstanz habe ihre Begründungspflicht verletzt, indem sie sich mit ihrer Argumentation nicht auseinandergesetzt und ohne Begründung mit der Feststellung begnügt habe, die Grundsätze des Urteils U 484/05 gälten hier, selbst wenn kein Unfall vorliege. Diesem Einwand kann nicht gefolgt werden. Der kantonale Entscheid erfüllt die Anforderungen an die aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör fliessende Begründungspflicht (Art. 29 Abs. 2 BV; BGE 134 I 83 E. 4.1 S. 88). 
 
5. 
5.1 Im Urteil U 484/05 wurde mit Blick auf Art. 77 Abs. 1 Satz 1 UVG entschieden, bei einem Unfall hafte derjenige Versicherer, bei dem die Versicherung zur Zeit des Unfalles bestanden habe und der zum Unfallzeitpunkt Prämien bezogen habe, ohne dass zu prüfen wäre, ob die SUVA nach Art. 66 UVG zuständig sei. Diese habe nicht die Funktion einer Ersatzkasse für alle Betriebe, die ihr zu Unrecht nicht unterstellt worden seien. Für diese Lösung spreche auch die umgekehrte Konstellation, in der die SUVA nach einem Unfall feststelle, der betreffende Betrieb sei zu Unrecht bei ihr versichert gewesen. Diesfalls sei sie leistungspflichtig und nicht die Ersatzkasse nach Art. 72 f. UVG, die einzig zur Vermeidung einer Versicherungslücke für Fälle geschaffen worden sei, in denen der Arbeitgeber die Arbeitnehmer nicht versichert habe. Im Übrigen seien die Privatversicherer nicht von der Prüfung der Frage entbunden, ob die Betriebe, welche sie versicherten, nicht unter Art. 66 UVG fielen. Sie könnten nicht darauf vertrauen, die korrekte Unterstellung eines Betriebes könne später anlässlich eines konkreten Unfalls immer noch überprüft werden. Das Abstellen auf den im Unfallzeitpunkt tatsächlich bestehenden Versicherungsvertrag liege im Interesse der Versicherten und eines guten Funktionierens der Sozialversicherung. Denn einerseits könne von einem Unfallopfer nicht erwartet werden, dass es die Erledigung des Zuständigkeitskonfliktes zwischen den Versicherern abwarte, bevor ihm Versicherungsleistungen ausgerichtet würden. Andererseits ergäben sich schwierige (Rück-)Abwicklungsprobleme, falls zunächst der nach Art. 77 Abs. 1 Satz 1 UVG zuständige Versicherer die Leistungen zu erbringen hätte, nachträglich aber ein anderer als leistungspflichtig erklärt würde. Ungeklärt wäre, wie mit den vom bisherigen Versicherer bereits erlassenen Verfügungen oder Entscheiden, mit den von ihm schon erbrachten Leistungen, mit hängigen Fragen und mit der Rückerstattung sowie nachträglichen Erhebung der Prämien zu verfahren wäre. 
 
Diese Praxis soll laut Botschaft vom 30. Mai 2008 zur Änderung des Bundesgesetzes über die Unfallversicherung im Gesetz verankert werden (BBl 2008 5433 Ziff. 2.2; vgl. auch SVR 2010 UV Nr. 5 S. 21 E. 6.1 [8C_293/2009]). 
 
5.2 Das Versicherungsverhältnis mit einem "anderen Versicherer", welcher die obligatorische Unfallversicherung gemäss Art. 68 ff. UVG durchführt, wird durch einen Vertrag zwischen dem Arbeitgeber und dem Versicherer begründet (Art. 59 Abs. 2 UVG), bei welchem es sich um einen selbstständigen Vertrag im Sinne des UVG handelt, der als öffentlich-rechtlicher Vertrag nach UVG zu verstehen ist. Da das UVG und die dazugehörige Verordnung die obligatorische Unfallversicherung bereits sehr detailliert normieren, bleibt den Parteien nur wenig Spielraum für vertragsautonome Regelungen. Die Versicherer sind gehalten, einen Typenvertrag aufzustellen, der die Bestimmungen enthält, die in jedem Fall in die Versicherungsverträge aufzunehmen sind (Art. 93 UVV; SVR 2010 UV Nr. 5 S. 21 E. 6.2 mit Hinweisen). 
 
Die Rechtsprechung gemäss Urteil U 484/05 - die von der Beschwerdeführerin nicht beanstandet wird - ist vorliegend analog heranzuziehen. Denn was im Rahmen der obligatorischen Unfallversicherung für die Unfalldeckung gilt, muss auch für die Prämien gelten. Dies gebietet der allgemeine Grundsatz der Rechtssicherheit, welcher der Voraussehbarkeit, Berechenbarkeit und Verlässlichkeit des Rechts dient (vgl. BGE 115 Ib 238 E. 5b S. 244; Urteil 1C_64/2011 vom 9. Juni 2011 E. 3.2). Somit schuldet der Arbeitgeber die Versicherungsprämien demjenigen Versicherer, mit dem der Versicherungsvertrag tatsächlich besteht. Die Parteien sind nicht berechtigt, den Vertrag für einen zurückliegenden Zeitraum - was hier einzig in Frage steht (vgl. E. 3.1 hievor) - mit der Begründung aufzulösen, für die Versicherung sei richtigerweise die SUVA nach Art. 66 UVG zuständig gewesen. Stichhaltige Gründe, die zu einer anderen Beurteilung Anlass zu geben vermöchten, sind nicht ersichtlich und werden auch nicht genannt. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin kann es nicht auf den bloss zufälligen Umstand ankommen, ob im Rahmen des bestehenden Versicherungsverhältnisses bereits ein leistungsbegründender Unfall passiert ist oder nicht. Vielmehr liegt das Abstellen auf den tatsächlich bestehenden Versicherungsvertrag auch im vorliegenden Zusammenhang im Interesse der Versicherten und eines guten Funktionierens der Sozialversicherung. 
 
Zu beachten ist denn auch, dass die SUVA die Unterstellung der Beschwerdeführerin unter ihre Versicherung nicht rückwirkend für den Zeitraum verfügte, in dem der Versicherungsvertrag zwischen dieser und der Mutuel bestand, sondern erst ab 1. Januar 2010, mithin nach Ablauf dieses Vertrages (Verfügung vom 17. Mai 2010); die Beschwerdeführerin macht nicht geltend, hiegegen opponiert zu haben. 
 
5.3 Nach dem Gesagten hat die Vorinstanz zu Recht erkannt, dass die Beschwerdeführerin der Mutuel die Prämien für das Jahr 2008 und die für deren Eintreibung geltend gemachten Kosten schuldet. Masslich ist die Forderung unbestritten, weshalb es damit sein Bewenden hat (vgl. auch Urteil 8C_607/2010 vom 10. Februar 2011 E. 8). 
 
6. 
Die unterliegende Beschwerdeführerin trägt die Verfahrenskosten (Art. 66 Abs. 1, Art. 68 Abs. 2 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 750.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
Luzern, 12. Dezember 2011 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Ursprung 
 
Der Gerichtsschreiber: Jancar