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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
8C_590/2022  
 
 
Urteil vom 12. Dezember 2022  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Wirthlin, Präsident, 
Bundesrichterinnen Heine, Viscione, 
Gerichtsschreiber Jancar. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Artan Sadiku, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Neuanmeldung; Arbeitsunfähigkeit; Invalidenrente), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 26. August 2022 (IV.2021.00444). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Der 1974 geborene A.________ arbeitete als Geschäftsführer bei der B.________AG. Am 17. Februar 2014 verletzte er sich bei einem Autounfall. Am 31. März 2015 meldete er sich bei der IV-Stelle des Kantons Zürich zum Leistungsbezug an. Diese holte u.a. ein interdisziplinäres Gutachten der Medas Bern vom 22. November 2016 ein. Mit Verfügung vom 19. Januar 2018 verneinte die IV-Stelle den Rentenanspruch des A.________. Diese Verfügung erwuchs unangefochten in Rechtskraft.  
 
A.b. Am 17. April 2020 meldete sich A.________ erneut bei der IV-Stelle zum Leistungsbezug an. Mit Verfügung vom 7. Juni 2021 verneinte diese seinen Leistungsanspruch.  
 
B.  
Die dagegen erhobene Beschwerde des A.________ wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 26. August 2022 ab. 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt A.________, in Aufhebung des kantonalen Urteils sei ihm auf der Basis einer Erwerbsunfähigkeit von mindestens 70 % ab 10. Dezember 2020 eine Invalidenrente auszurichten. Eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Ein Schriftenwechsel wurde nicht durchgeführt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 145 V 57 E. 4.2). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG). 
Als Rechtsfrage gilt, ob die rechtserheblichen Tatsachen vollständig festgestellt und ob der Untersuchungsgrundsatz bzw. die Beweiswürdigungsregeln nach Art. 61 lit. c ATSG beachtet wurden. Gleiches gilt für die Frage, ob den medizinischen Gutachten und Arztberichten im Lichte der rechtsprechungsgemässen Anforderungen Beweiswert zukommt (BGE 134 V 231 E. 5.1). Bei den aufgrund dieser Berichte getroffenen Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit und bei der konkreten Beweiswürdigung geht es um Sachverhaltsfragen (nicht publ. E. 1 des Urteils BGE 141 V 585). Frei überprüfbare Rechtsfrage ist hingegen, ob und in welchem Umfang die ärztlichen Feststellungen anhand der Indikatoren nach BGE 141 V 281 auf Arbeitsunfähigkeit schliessen lassen (BGE 141 V 281 E. 7). 
 
2.  
 
2.1. Streitig ist, ob die vorinstanzlich bestätigte Verneinung des Rentenanspruchs bundesrechtskonform ist.  
 
2.2. Am 1. Januar 2022 trat das revidierte Bundesgesetz über die Invalidenversicherung (IVG; SR 831.20) in Kraft (Weiterentwicklung der IV [WEIV]; Änderung vom 19. Juni 2020, AS 2021 705, BBl 2017 2535). Die dem hier angefochtenen Urteil zugrunde liegende Verfügung erging vor dem 1. Januar 2022. Nach den allgemeinen Grundsätzen des intertemporalen Rechts und des zeitlich massgebenden Sachverhalts (BGE 144 V 210 E. 4.3.1, 129 V 354 E. 1 mit Hinweisen) sind daher die Bestimmungen des IVG und diejenigen der Verordnung über die Invalidenversicherung (IVV; SR 831.201) in der bis 31. Dezember 2021 gültig gewesenen Fassung anwendbar (BGE 148 V 174 E. 4.1).  
 
2.3. Die Vorinstanz hat die rechtlichen Grundlagen und die Rechtsprechung betreffend die Voraussetzungen des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 2 IVG) und die bei der IV-Neuanmeldung der versicherten Person analog anwendbaren Revisionsregeln (Art. 17 Abs. 1 ATSG; Art. 87 Abs. 3 IVV; BGE 141 V 9 E. 2.3 und 585 E. 5.3) richtig dargelegt. Darauf wird verwiesen.  
Zu ergänzen ist, dass eine bloss unterschiedliche Beurteilung eines im Wesentlichen gleich gebliebenen Sachverhalts im revisionsrechtlichen Kontext unbeachtlich ist (BGE 144 I 103 E. 2.1, 141 V 9 E. 2.3). Zudem genügen weder eine im Vergleich zu früheren ärztlichen Einschätzungen ungleich attestierte Arbeitsunfähigkeit noch eine unterschiedliche diagnostische Einordnung des geltend gemachten Leidens, um auf einen geänderten Gesundheitszustand zu schliessen; notwendig ist vielmehr eine veränderte Befundlage (SVR 2022 IV Nr. 19 S. 60, 9C_212/2021 E. 4.4.1; Urteil 8C_190/2022 vom 19. August 2022 E. 2.3.2 mit Hinweis). 
 
3.  
Die Vorinstanz erwog im Wesentlichen, gemäss dem Medas-Gutachten vom 22. November 2016 sei der Beschwerdeführer in der Arbeitsfähigkeit als selbstständiger Bauunternehmer nicht eingeschränkt gewesen. Eine seitherige Verschlechterung seines Gesundheitszustands sei nicht nachgewiesen. Die geklagten Beschwerden (Schwindel, Schmerzen, Vergesslichkeit, verschwommene Sicht, Müdigkeit, eingeschränkte Konzentration) habe er nämlich bereits im Rahmen des Medas-Gutachtens angegeben. Auch seien bereits damals die an der Halswirbelsäule (HWS) und Lumbalwirbelsäule (LWS) bestehenden leichtgradigen degenerativen Veränderungen aktenkundig gewesen. Gemäss MRI-cranium vom 3. Juni 2014 bei Status nach Schädelhirntrauma hätten zwar Hinweise für eine leichte Hirnparenchymbeteiligung im Sinne von leichten Scherverletzungen und einer initial bestehenden Subarachnoidalblutung links, nicht aber darüber hinaus gehende Zeichen einer Hirngewebetraumatisierung bestanden. Die vom Medizinischen Zentrum C.________, attestierte Verschlechterung des Gesundheitszustands sei offenkundig eine andere Beurteilung des gleich gebliebenen Sachverhalts, zumal es im Bericht vom 17. März 2020 von einer 100%igen Arbeitsunfähigkeit des Beschwerdeführers seit 17. Februar 2014 ausgegangen sei. Auch mit Blick auf die in diesem Bericht beim Beschwerdeführer festgestellten Inkonsistenzen sei davon auszugehen, dass das Medizinische Zentrum C.________ im Bericht vom 20. April 2020 die unveränderten subjektiven Klagen des Beschwerdeführers unkritisch übernommen habe. Einer seit 2014 aus psychosomatischer bzw. psychiatrischer Sicht unveränderten Situation entspreche, dass der Beschwerdeführer bereits 2016 depressive und kognitive Störungen sowie Schlafstörungen beklagt und in psychiatrischer Behandlung gestanden habe, der psychiatrische Medas-Gutachter indessen damals keine Psychopathologie habe erheben können. Schliesslich sei gemäss dem Bericht des Medizinischen Zentrums C.________ vom 17. März 2020 die elektrophysiologische Untersuchung weitgehend unauffällig gewesen; soweit eine Einschränkung durch Insertionstendinosen postuliert worden sei, vermöge auch dies keine wesentliche Verschlechterung zu begründen, zumal dem Beschwerdeführer leichte Tätigkeiten und damit die bisherige Arbeit zumutbar gewesen seien. Zudem seien Insertionstendinosen im ZML-Bericht vom 22. März 2021 nicht mehr erwähnt worden. Aufgeführt worden sei - wie bereits im Medas-Gutachten vom 22. November 2016 - ein Status nach Ellbogenkontusion links. Die IV-Stelle habe gestützt auf die Beurteilungen ihres Regionalen Ärztlichen Dienstes (RAD) eine relevante Verschlechterung des Gesundheitszustands des Beschwerdeführers zu Recht verneint. Hieran vermöchten die von ihm am 19. Januar 2022 aufgelegten Arztberichte nichts zu ändern, da sie nicht den massgebenden Zeitraum bis zur strittigen Verfügung vom 7. Juni 2021 beträfen und daraus auch nicht auf einen dauerhaften Gesundheitsschaden zu schliessen sei. Vielmehr sei der Beschwerdeführer laut dem Bericht des Rehazentrums D.________, vom 4. Oktober 2021 in gutem Allgemeinzustand nach Hause entlassen worden. 
 
4.  
 
4.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, auf das Medas-Gutachten vom 22. November 2016 könne als Vergleichsgrundlage nicht abgestellt werden, da sich die Gutachter auf die Observationsunterlagen abgestützt hätten, obwohl damals für eine Observation keine gesetzliche Grundlage bestanden habe. Zudem sei das Medas-Gutachten nicht nach dem Zufallsprinzip vergeben worden.  
 
4.2. Diese Einwände sind nicht stichhaltig. Das Medas-Gutachten vom 22. November 2016 war nämlich medizinische Grundlage der leistungsablehnenden Verfügung der IV-Stelle vom 19. Januar 2018, welche unangefochten in Rechtskraft erwachsen ist. Der Beschwerdeführer legt nicht substanziiert dar und es ist auch nicht ersichtlich, dass die Voraussetzungen der Revision oder Wiedererwägung dieser Verfügung nach Art. 53 ATSG erfüllt wären. Folglich kann auch das Medas-Gutachten vom 22. November 2016 nicht mehr in Frage gestellt werden.  
 
5.  
Entgegen den Einwänden des Beschwerdeführers hat sich die Vorinstanz mit den Berichten des Medizinischen Zentrums C.________ vom 17. März und 20. April 2020 und den von ihm am 19. Januar 2022 eingereichten Arztberichten auseinandergesetzt (vgl. E. 3 hiervor). Eine Verletzung der Begründungspflicht (hierzu siehe BGE 143 III 65 E. 5.2) ist diesbezüglich nicht auszumachen. 
 
6.  
 
6.1.  
 
6.1.1. Weiter hat die Vorinstanz einlässlich und schlüssig dargetan, weshalb im massgeblichen Vergleichszeitraum bis zur strittigen Verfügung der IV-Stelle vom 7. Juni 2021 (vgl. BGE 145 V 266 E. 5) nicht von einer revisionsrechtlich erheblichen Veränderung des Gesundheitszustands des Beschwerdeführers auszugehen sei. Sie hat zur Stützung dieses Ergebnisses zu Recht auf die Aktenstellungnahmen der RAD-Ärzte Dres. med. E.________, Facharzt für Orthopädische Chirurgie und Traumatologie, vom 9. April 2021 und F.________, Facharzt für Psychiatrie/Psychotherapie, vom 13. April 2021 verwiesen (vgl. E. 3 hiervor; zur Aufgabe des RAD, die funktionelle Leistungsfähigkeit der versicherten Person zu beurteilen siehe Art. 59 Abs. 2 und 2 bis IVG; Art. 49 IVV; BGE 137 V 210 E. 1.2.1; 135 V 254 E. 3.3.2). Auf diese RAD-Berichte nimmt der Beschwerdeführer überhaupt keinen Bezug.  
 
6.1.2. Insbesondere ist der Vorinstanz beizupflichten, dass die Feststellung im Bericht des Medizinischen Zentrums C.________ vom 17. März 2020, der Beschwerdeführer sei aus objektiver Sicht seit 17. Februar 2014 zu 100 % arbeitsunfähig, den Schluss auf eine unterschiedliche, revisionsrechtlich unbeachtliche Beurteilung eines im Wesentlichen gleich gebliebenen Sachverhalts seitens des Medizinischen Zentrums C.________ nahelegt (vgl. E. 2.3 f. hiervor). Die Berufung des Beschwerdeführers auf die Berichte des Medizinischen Zentrums C.________ ist somit insgesamt nicht stichhaltig.  
 
6.1.3. Nicht zu beanstanden ist auch die vorinstanzliche Feststellung, dass auf die vom Beschwerdeführer am 19. Januar 2022 eingereichten Arztberichte nicht abgestellt werden kann, da sie allesamt nach der strittigen Verfügung der IV-Stelle vom 7. Juni 2021 datieren und keine Rückschlüsse auf den massgebenden Zeitraum davor zulassen.  
 
6.2. Alles in allem gibt der Beschwerdeführer letztinstanzlich lediglich die eigene Sichtweise wieder, wie die medizinischen Akten zu würdigen und welche Schlüsse daraus zu ziehen seien. Diese bloss allgemein gehaltene appellatorische Kritik genügt nicht, um das angefochtene Urteil in Frage zu stellen bzw. die vorinstanzlichen Feststellungen zu seinem Gesundheitszustand als offensichtlich unrichtig oder unvollständig oder die Beurteilung der Vorinstanz in anderer Hinsicht als bundesrechtswidrig erscheinen zu lassen (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs.1 und 2 BGG; BGE 144 V 50 E. 4.2; Urteil 8C_689/2021 vom 3. Februar 2022 E. 8.2).  
 
6.3. Da von weiteren medizinischen Abklärungen nach willkürfreier Einschätzung keine entscheidrelevanten Resultate zu erwarten waren, durfte die Vorinstanz davon absehen (antizipierte Beweiswürdigung; BGE 144 V 361 E. 6.5; Urteil 8C_317/2022 vom 7. September 2022 E. 4.5).  
 
7.  
Der unterliegende Beschwerdeführer trägt die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 12. Dezember 2022 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Wirthlin 
 
Der Gerichtsschreiber: Jancar